Freitag, 19. April 2024

Die Protagonistinnen der Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii

Kommt die zweite Hand beim Jubel dazu?

Frank Wechsel | spomedis

Es gibt keine Athletin im Starterfeld, die das Rennen in den letzten Jahren auf Hawaii so geprägt hat, wie die viermalige Kona-Siegerin Daniela Ryf (35, SUI). Galt ihr Nimbus der unbesiegbaren Athletin Richtung der Ironman-Weltmeisterschaft in St. George etwas verloren gegangen zu sein, hat sie ihn spätestens in der Wüste von Utah wiedergefunden. In beeindruckender Manier spulte die aus Solothurn stammende Schweizerin die 226 Kilometer ab. Ohne eine große Schwäche und als eine von drei Athletinnen überhaupt mit einem Marathon von unter drei Stunden sicherte sich die 35-Jährige mit einem Vorsprung von neun Minuten den Ironman-Weltmeistertitel Nummer fünf. Zwei Monate später, bei ihrem Heimspiel in Thun, lief sie erneut in einer eigenen Liga und sicherte sich den Sieg beim Ironman Switzerland. Ebenso präsentierte sich Ryf beim Collins Cup in beeindruckender Verfassung, als sie die zurzeit vermeintlich stärkste Athletin über die 100-Kilometer-Distanz der PTO-Rennen, Ashleigh Gentle, um zwei Minuten distanzierte. Dennoch fährt Daniela Ryf nicht als Kona-Titelverteidigerin auf die Insel, sondern als diejenige, die die Blumenkrone zurückerobern möchte. 2019 war nicht ihr Jahr auf Big Island, als sie sich mit Magenproblemen über die Strecke schleppte und am Ende 13. wurde. Aber in der Verfassung der letzten Rennen steht die Schweizerin wieder als Sieganwärterin an der Startlinie. Wenn Ryf nicht erneut mit Magenproblemen auf der Strecke zu kämpfen hat, wird sie nur schwer zu schlagen sein und die zweite Hand zum Jubel hinzunehmen müssen – wenn sie wie in St. George per Finger die Anzahl ihrer Titel anzeigen will. Wer von den anderen Athletinnen gewinnen möchte, muss ganz klar an der Schweizerin vorbei, denn der Nimbus, der ihr am Anfang des Jahres verloren gegangen zu sein schien, ist zurück in der Hand der Schweizerin.

Die Hawaii-Siegerin in Lauerstellung

Anne Haug (39, GER) geht als amtierende Hawaii-Siegerin ins Rennen. Bisher landete die 39-Jährige bei ihren drei Ironman-WM-Teilnahmen immer auf dem Podium. Mit dem dritten Platz bei der ersten Ironman-WM des Jahres in St. George und ihrem zweiten Sieg bei der Challenge Roth und stellte sie ein weiteres Mal ihre Konstanz unter Beweis. Die ehemalige Kurzdistanzlerin ist unter normalen Umständen die beste Läuferin im Feld. Den Marathon in Roth absolvierte sie in 2:46:04 Stunden. Haugs Renntaktik liegt deshalb auf der Hand: Sie wird versuchen, sich beim Schwimmen in der ersten großen Gruppe um Daniela Ryf zu positionieren, um sich zu Beginn des Radfahrens in einer möglichst guten Ausgangslage zu befinden. Zu Athletinnen, die auf dem Rad etwas stärker als Haug einzuschätzen sind, gehören neben Weltmeisterin Ryf auch Laura Philipp und Lisa Nordén. Im Hinblick auf die direkte Konkurrenz wird Haug vor der Entscheidung stehen, ob sie in der zweiten Disziplin versucht, (zunächst) mit diesen Athletinnen mitzufahren. Sollte Haug früher oder später die besonders starken Radfahrerinnen ziehen lassen müssen, gehören Sarah Crowley, Skye Moench, Sarah True und Ruth Astle zu den Athletinnen, mit denen sie im Anschluss länger unterwegs sein könnte. Die amtierende Hawaii-Siegerin wird alles daran setzen, mit so wenig Rückstand wie möglich auf Ryf, Philipp und möglicherweise Lucy Charles-Barclay in die zweite Wechselzone zu kommen. Die zeitlichen Abstände beim Wechsel in die Laufschuhe werden wohl darüber entscheiden, wie weit Haug mit einem schnellen Marathon noch nach vorne kommen kann. Angesichts der starken Laufleistungen von Philipp in jüngster Vergangenheit dürfte Haug selbst an einem perfekten Tag nicht mit mehr als rund fünf Minuten Rückstand auf die Laufstrecke gehen. Andernfalls müsste sie wohl auf einen Patzer der Konkurrenz hoffen. Mit der richtigen Rennkonstellation wäre es durchaus denkbar, dass Haug wieder auf den obersten Podiumsplatz vorläuft. Dafür wird sie auf dem Rad wohl dazu bereit sein müssen, ein gewisses Risiko einzugehen. 

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Die Frankfurt-Siegerin

Nils Flieshardt / spomedis

Nach ihrer Babypause im vergangenen Jahr meldete sich Daniela Bleymehl (34, GER) in diesem Jahr mit zwei Siegen beim Ironman South Africa und beim Ironman Frankfurt zurück. Außerdem steht ein zweiter Platz beim Ironman 70.3 Kraichgau in der Bilanz der Darmstädterin. Nach 2016 und 2018 steht Bleymehl in diesem Jahr das dritte Mal an der Startlinie des Ironman Hawaii. Bei ihrem Rookie-Rennen finishte sie auf einem unbefriedigenden Platz 36, drei Jahre später schaffte sie als Neunte den Sprung in die Top Ten. Beim Rennen auf Big Island geht es für Bleymehl vor allem in der zweiten Disziplin darum, ihre Stärken auszuspielen und sich so ein Polster für den abschließenden Marathon zu erarbeiten, bei dem sie gegenüber ihrer Konkurrentinnen ansonsten wenig Chancen haben dürfte.

Pacemakerin mit eigenen Ambitionen

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Die WM-Fünfte aus St. George ist lernwillig. Erst seit Ende 2019 ist Ruth Astle (33, GBR) Profi-Triathletin, gewann in dem Jahr noch die Agegrouper-Konkurrenz auf Hawaii. Ihren Slot für die zweite Ironman-Weltmeisterschaft im Jahr 2022 sicherte sich die Britin mit einem Sieg beim Ironman Mallorca 2021 in 8:59:14 Stunden. Dabei beeindruckte sie mit ihrer großen Stärke, dem Radfahren. Keine der Konkurrentinnen um Lisa Nordén und Fenella Langridge war schneller in der zweiten Dispiplin als die 33-Jährige (4:51:43 Stunden). Beim Ironman Florida 2020 war sie in 9:04:03 Stunden als Gesamtvierte hinter Katrina Matthews, Skye Moench und Meredith Kessler gelandet – mit einem Bikesplit von 4:32:13 Stunden, der einen neuen Streckenrekord in der zweiten Disziplin bedeutete. Bei der WM in St. George waren insgesamt nur drei Athletinnen auf dem Rad schneller: Weltmeisterin Daniela Ryf, die Zweitplatzierte Katrina Matthews und Lisa Nordén. Kein Wunder, dass sich Matthews Mitte des Jahres Ruth Astle als Pacemakerin in ihr Team holte, um beim Projekt Sub8 die Langdistanz erfolgreich unter acht Stunden zu bewältigen. Die beiden Landsfrauen verbrachten auch die Vorbereitungszeit vor der Anreise nach Hawaii zusammen, trainierten mit Patrick Lange in Texas, ehe ein Unfall mit einem Auto für Matthews das Ende aller Hawaii-Träume bedeutete. „Ich glaube daran, von Athleten zu lernen, die besser als ich sind. Für mich also die perfekte Vor-Kona-Atmosphäre“, gab Astle zu Protokoll. Für sie wird es darum gehen, im Schwimmen einen guten Tag zu erwischen, um nicht bereits nach der ersten – ihrer schwächsten – Disziplin abgehängt zu werden. Auf dem Rad hat sie das Potenzial, vorn mitzufahren. Sie wird sicherlich versuchen, mit einem gewissen Polster in T2 einzuziehen. In ihren bisherigen sechs Langdistanzen als Profi hat sie die Drei-Stunden-Marke beim abschließenden Marathon noch nicht geknackt. Gegen Spitzenläuferinnen wie Anne Haug oder Laura Philipp stünden ihre Chancen im direkten Duell nicht allzu gut.

Die Comebackerin

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2021 wurde sie Ironman-70.3-Weltmeisterin, im Frühjahr 2022 bremste eine Stressfraktur in der Hüfte ihre Ambitionen erst einmal aus. Dabei wäre Lucy Charles-Barclay (29, GBR) bei der verschobenen Ironman-WM in Utah als eine der Sieganwärterinnen an den Start gegangen. Statt auf die Weltmeisterschaft legte die Britin ihren Fokus erst einmal komplett auf ihre Genesung, arbeitete an ihrer Lauftechnik und gab ihr Renn-Comeback bei den World Triathlon Weltmeisterschaften, wo sie mit einer starken Vorstellung ihrer Leistungsfähigkeit den Sieg einfuhr. Bei den US Open, der dritten Station der diesjährigen PTO Tour, stellte sich Charles-Barclay einigen der weltbesten Triathletinnen und beendete das Rennen, bei dem sie mit Materialproblemen und dem Verlust ihrer Verpflegung zu kämpfen hatte, auf dem dritten Platz. Bei drei bisherigen Hawaii-Teilnahmen stehen drei zweite Plätze in der Bilanz der 29-Jährigen, die sich das Ziel gesetzt hat, das Rennen auf der Insel in den nächsten fünf Jahren zu gewinnen. Mit ihrer Stärke in der ersten Disziplin ist es nahezu zu erwarten, dass Charles-Barclay auf dem Rad die Gejagte sein wird. Je nachdem, wie gut die Britin den Trainingsrückstand und ihre Verletzung aus diesem Jahr verkraftet hat, könnte es beim vierten Hawaii-Anlauf für den obersten Podestplatz reichen. Zu den Topfavoritinnen zählt die Britin, wenn sie denn fit ist, auf jeden Fall.

Die unter dem Radar

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Für die europäischen Triathlonfans ist Heather Jackson (38, USA) vielleicht ein Name, aber keine Athletin, die man sichtlich wahrnimmt. Ihr bislang letzter und einziger Auftritt auf der europäischen Triathlonbühne geht zurück bis ins Jahr 2019, wo sie die Erstaustragung vom Ironman Vitoria-Gasteiz gewinnen konnte. Dabei ist die Amerikanerin Dauergast auf dem Podium über die Mittel- und Langdistanzen auf nordamerikanischen Boden. Qualifiziert hatte sich Jackson mit einem Sieg beim Ironman Florida im letzten Jahr, als sie Skye Moench auf der Laufstrecke hinter sich ließ. Dieses Jahr erreichte die Amerikanerin über die Langdistanz einen elften Rang bei der Ironman-Weltmeisterschaft in St. George und einen zweiten Platz hinter Sarah True beim Ironman Lake Placid. In beiden Rennen verlor sie den Anschluss auf die Spitze schon innerhalb der ersten Disziplin. Ihre Schwimmleistung hängt wie ein Damoklesschwert über dem Ausgang ihres Rennens. Schafft es die in New England geborene Athletin in der ersten Disziplin, den Abstand nach vorn nicht zu groß werden zu lassen, so hat sie die Möglichkeit, mit ihrer Stärke, dem Radfahren, das Rennen zu gestalten. Schwimmt sie jedoch eher am Ende der dritten Gruppe und hat keine weitere starke Radfahrerin in ihrer Nähe, so kann die alleinige Aufholjagd für eine Top-5-Platzierung zu viele Körner kosten, die sie auf der Laufstrecke wiederum benötigt. Das Gefühl auf Hawaii zu siegen, kennt Heather Jackson, als sie sich 2008 in der jüngsten Altersklasse W18-24 zur Siegerin krönte. Viermal kam sie in den Jahren danach als Profiathletin unter die Top 5 der Ironman-Weltmeisterschaft, einmal davon, 2016, als Dritte sogar aufs Podium. Der Schritt unter die besten Fünf könnte in diesem Jahr schwer werden, aber wenn sie im Rennen für die weiteren Athletinnen unter dem Radar fährt – wie für viele deutsche Fans –, dann könnte es in einer guten Rennkonstellation für sie klappen.

Die Ironman-Texas-Siegerin 2022

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Für Jocelyn McCauley (35, USA) ist es der vierte Hawaii-Start ihrer Karriere. 2017 erzielte sie ihr bestes Kona-Resultat und landete auf Platz zehn, ein Jahr später auf Rang 30. Den Ironman Hawaii 2019 beendete die US-Amerikanerin vorzeitig. Dieses Jahr gewann die 35-Jährige mit starker Gesamtleistung den Ironman Texas nur zwei Wochen vor der Ironman-WM in St. George. Diesem Doppelschlag musste McCauley etwas Tribut zollen: Beim abschließenden Marathon in Utah verlor sie auf der zweiten Hälfte viel Zeit und musste sich am Ende mit Position zwölf zufriedengeben. Das Potenzial für eine Top-10-Platzierung auf Hawaii bringt McCauley definitiv mit: Mit ihr ist beim Schwimmen in der ersten großen Gruppe zu rechnen und auch auf dem Rad gehört sie zu den stärkeren Athletinnen. Die Ergebnisse der zweifachen Ironman-Siegerin sind meist sehr abhängig von ihrer Laufleistung. Die dritte Disziplin ist im direkten Verhältnis als ihre schwächste einzuschätzen und wie weit es auf Big Island nach vorne gehen kann, wird wohl in erster Linie vom Marathon abhängen. Dass sich McCauley nach dem Radfahren in einer aussichtsreichen Position auf die Top 10 befinden wird, ist äußerst wahrscheinlich. Bei ihrem siebten Platz im Rahmen der PTO US Open bewies sie zuletzt, dass auch die Laufform aktuell zu stimmen scheint: Auf ihre Konkurrentinnen Katrina Matthews und Lucy Charles-Barclay verlor sie auf den 18 Kilometern nur rund eineinhalb Minuten. Bei den heißen Bedingungen lief sie sogar eine halbe Minute schneller als Lisa Nordén und gut zweieinhalb Minuten schneller als Ruth Astle, die auf Hawaii beide ebenfalls zum erweiterten Favoritinnenkreis gehören. Bekommt McCauley dieses Potenzial auch auf Hawaii umgesetzt, könnte sie ihren zehnten Platz aus 2017 definitiv verbessern. 

Die Wundertüte

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Kurz zusammengefasst: Skye Moench (33, USA) ist wirklich alles zuzutrauen bei ihrer Hawaii-Premiere. Die erfolgt übrigens mit drei Jahren Verspätung. 2019 hatte sich die US-Amerikanerin schon einmal für das Event auf Big Island qualifiziert, mit einem Sieg beim Ironman Frankfurt, den Moench in 9:15:31 Stunden gewann, nachdem Sarah True in der Schlussdisziplin in Führung liegend zusammengebrochen und Moench auf der Laufstrecke vorbeigezogen war. Ein Radunfall beendete einen Monat vor der WM in Kona den großen Traum. Mit einer Ellbogenverletzung, Schlüsselbein- und Daumenbruch musste Moench wochenlang vom gezielten Training pausieren. Das Comeback verzögerte sich durch die Coronapandemie zusätzlich, dann aber ließ die US-Amerikanerin mit einem zweiten Platz beim Bear Lake Brawl und einem zweiten Rang beim Ironman Florida 2020 in 8:46:35 Stunden hinter Katrina Matthews aufhorchen. Die Kona-Qualifikation schaffte Moench im vergangenen Jahr mit ihrem Sieg beim Ironman Chattanooga in persönlicher Bestzeit von 8:34:06 Stunden. Dass sie im Konzert der ganz Großen mitspielen kann, bewies sie mit Rang drei beim Ironman Tulsa hinter Daniela Ryf und Katrina Matthews im vergangenen Jahr, bei dem sie den Marathon unter drei Stunden absolvierte (2:56:56 Stunden) – und mit Platz vier bei der Ironman-Weltmeisterschaft in St. George im Mai dieses Jahres. „Was mich die Weltmeisterschaft in St. George gelehrt hat: Jeder ist bei so einem Event in Form, und der Einsatz, die Konzentration und die Intensität, die bei einer Weltmeisterschaft erforderlich sind, sind ein anderes Level“, so Moench. Während sie beim Schwimmen nicht ganz vorn zu erwarten ist, gehört sie auf dem Rad zu den starken Athletinnen. Schafft sie es ohne große Hypothek aus dem Wasser, könnte sie mit einer Allianz aus starken Radfahrerinnen zur Spitze aufschließen und eine gute Ausgangslage für den Marathon schaffen. Dann ist wie schon in St. George eine Top-5-Platzierung möglich. Während andere Athletinnen die Möglichkeit nutzten, bei den PTO US Open in Dallas letzte Rennerfahrung zu sammeln, entschied sich Moench dazu, dort nicht zu starten. Das gezielte Training zur Vorbereitung auf Hawaii war ihr wichtiger.

Die zweimalige Dritte

Zweimal schon schaffte es Sarah Crowley (39, AUS) in Kailua-Kona aufs WM-Podest – 2017 und 2019 wurde sie jeweils Dritte. Dennoch haben oft nur Insider die Australierin auf dem Zettel, wenn es um die vordersten Plätze geht. Neben Topstars wie Daniela Ryf, Anne Haug, Lucy Charles-Barclay und anderen wird die 39-Jährige schon mal vergessen. Zu Unrecht, hat Crowley doch mehrfach bewiesen, zu was sie an einem guten Tag in der Lage ist. Gerade in Deutschland ist die Langdistanzspezialistin, die ihre internationale Karriere in den Nuller-Jahren mit Weltcuprennen über die Kurzdistanz begann, keine Unbekannte. Die Ironman in Frankfurt (2017) und Hamburg (2018) hat sie schon gewonnen, bei der Challenge Roth wurde sie 2019 Zweite. Ihre Bestzeit von 8:38:11 Stunden, aufgestellt vor drei Jahren im Frankenland, sind Beleg für Crowleys herausragende Fähigkeiten. In diesem Jahr konnte die gelernte Wirtschaftsprüferin zwei Siege über die Langdistanz einfahren. Beim Ironman Australia war sie im Mai ebenso wenig zu bezwingen wie wenige Wochen später beim Ironman Cairns. Nach ihrem Ausscheiden beim PTO-Rennen in Kanada tankte die 1,68 Meter große Athletin im September mit einem Sieg beim Ironman 70.3 Ecuador Selbstvertrauen. Den Erfolg brachte die insgesamt sehr ausgeglichene Athletin durch Tagesbestzeiten auf dem Rad und beim Laufen unter Dach und Fach. Hält Sarah Crowley auf Hawaii beim Radfahren den Anschluss und kann sie den Marathon wie vor drei Jahren unter drei Stunden laufen, könnte das nächste Podium für sie wahr werden.

Die Schwedin mit dem Olympiasilber

Bartlomiej Zborowski

Seit zehn Jahren startet Lisa Nordén (37, SWE) bei Non-Drafting-Events, dennoch ist die Schwedin vor allem für ein ganz bestimmtes Rennen über die Kurzdistanz bekannt: 2012 lief sie bei den Olympischen Spielen in einem Schlussspurt für die Geschichtsbücher zeitgleich mit Nicola Spirig ins Ziel. Die olympische Silbermedaille nach Fotoentscheid ist bis heute Nordéns größter sportlicher Erfolg und wohl nur ein Sieg auf Hawaii könnte das jemals toppen. Allerdings, sollte es tatsächlich schon dieses Jahr bei ihrem ersten Start auf Big Island dazu kommen, wäre das – mit Verlaub – eine Riesensensation. Denn für ein absolutes Topresultat fehlen Nordén wohl noch drei entscheidende Dinge: Rennerfahrung auf der Langdistanz, Rennerfahrung auf Hawaii und ein richtig schneller Marathon. 2021 absolvierte Nordén ihren ersten Ironman, den sie in Lake Placid (USA) auch gleich gewinnen konnte, Hawaii wird damit nach Mallorca (Platz vier) und St. George (Platz sechs) erst ihr viertes Rennen über die 226 Kilometer überhaupt. Und ihre Marathons rangieren bisher zwischen 3:15 Stunden und 3:18 Stunden, was ihre Rivalinnen nicht beeindrucken wird. Dennoch: Ihren sechsten WM-Platz in St. George haben alle registriert. Die 37-Jährige gehört zu den stärksten Schwimmerinnen im Feld und hält als zweifache schwedische Meisterin im Einzelzeitfahren auf dem Rad mit den anderen Topstars mit. Jetzt muss es eigentlich nur noch beim Laufen klappen.

Die Deutsche mit dem Drang nach ganz vorn

ingo kutsche

Gibt es einen Namen auf der Favoritinnenliste, der nicht nur von Experten, sondern von den besten Triathletinnen der Welt selbst immer wieder ins Spiel gebracht wird, ist es Laura Philipp (35, GER). Der Respekt vor der 35 Jahre alten Heidelbergerin ist gewaltig. 16 Siege bei Ironman-70.3-Rennen und Challenge-Mitteldistanzen sprechen eine deutliche Sprache. Seit 2018 konzentriert sich Philipp erfolgreich auf die Langdistanz. Ihrem Premierensieg beim Ironman Barcelona ließ sie gleich im zweiten Rennen einen vierten Platz auf Hawaii folgen. Schon damals wäre nach der schnellsten Radzeit aller Teilnehmerinnen vielleicht das Podium drin gewesen, hätte eine hartnäckige Knochenverletzung die Vorbereitung nicht komplett torpediert. Lange Läufe waren vor Hawaii nicht drin und das bekam Philipp im Rennen zu spüren („Ab Kilometer 20 hatte ich Beine aus Beton“). Bis auf dieses Rennen hat Philipp, die von ihrem Ehemann Philipp Seipp trainiert wird, alle ihre Langdistanzen gewonnen. Im Frühjahr kompensierte sie ihren enttäuschenden Rückzug vom WM-Rennen in St. George wegen einer Covid-Erkrankung mit einem Doppelschlag beim Ironman 70.3 Kraichgau und beim Ironman Hamburg. In der Hansestadt verteidigte sie ihren EM-Titel in beeindruckender Manier. Nach 54:38 Minuten Schwimmen, 4:31:14 Stunden Radfahren und 2:45:38 Stunden Laufen (Gesamtzeit: 8:18:20 Stunden) finishte Philipp die zweitschnellste Langdistanz aller Zeiten – nur die legendäre Chrissie Wellington war 2011 in Roth noch sieben Sekunden schneller. Einziges Manko ihrer bisherigen Siege über 226 Kilometer: Die ganz große Konkurrenz fehlte. Das wird beim Rennen des Jahres natürlich anders. Für Laura Philipp die Gelegenheit endgültig zu beweisen, dass der Respekt vor ihr berechtigt ist.

Hawaii-Rookie mit großem Potenzial

Getty Images for Ironman

Für Chelsea Sodaro (33, USA) ist der Ironman Hawaii 2022 nicht nur die Premiere auf Big Island, sondern erst die zweite Langdistanz in ihrer Karriere. Die ehemalige Kurzdistanzlerin qualifizierte sich beim Ironman Hamburg mit dem zweiten Platz hinter Laura Philipp in einer starken Endzeit von 8:36:41 Stunden. Die US-Amerikanerin bewies in der Vergangenheit auf der Mitteldistanz, dass sie ein sehr ausgeglichenes Athletenprofil besitzt und sich in allen Disziplinen auf einem äußerst hohen Niveau befindet. Bisher gewann die 33-Jährige in ihrer Karriere vier Ironman-70.3-Rennen, nachdem sie im Herbst 2018 auf die Langstrecken gewechselt war. Insbesondere beim Laufen bringt Sodaro starke Unterdistanzleistungen mit, die ihr zukünftig auf der Langdistanz enorm zugutekommen könnten. Es ist davon auszugehen, dass Sodaro auf Hawaii in der ersten großen Schwimmgruppe dabei ist. Bei den besonders starken Radfahrerinnen wie Ryf, Philipp oder Nordén wird sie wohl nicht mitfahren können. Wahrscheinlich ist jedoch, dass sie über lange Strecken der 180 Radkilometer mit Athletinnen wie Skye Moench, Ruth Astle, Sarah True, Jocelyn McCauley oder Anne Haug zusammen fährt. Mit ihrer Radzeit von 4:35:09 Stunden aus Hamburg stellte sie unter Beweis, dass sie auf dem Rad im Falle einer Gruppendynamik nur schwer zu distanzieren sein wird. Entscheidend für Sodaros Endplatzierung wird sein, wie sie durch den Marathon kommt. Während sie auf der Mitteldistanz zu den schnellsten Läuferinnen gehört, konnte sie das große Potenzial in Hamburg nicht auf Anhieb auf die Langdistanz übertragen. Zwar ist ihre Marathonzeit von 3:00:20 Stunden als gute Laufleistung einzuschätzen, in Anbetracht von Laura Philipps 2:45 Stunden im gleichen Rennen ist die Differenz allerdings deutlich zu groß. Hat Sodaro aus ihrem Ironman-Debüt die richtigen Schlüsse gezogen, wird sie im Laufen zukünftig noch einen großen Sprung machen. Kann sie ihre Lauffähigkeiten bereits in Kona auf die Strecke bringen, wäre es keine Überraschung, wenn Sodaro prompt der Sprung in die Top 5 gelingt.

Die „neue“ Sarah True

Etwas mehr als ein Jahr ist es her, da erlebte Sarah True (40, USA) einen der schönsten Momente ihres Lebens: Im Juli 2021 wurde sie Mutter. Ungefähr ein Jahr später, ebenso im Juli, hielt die zweimalige Olympiateilnehmerin (2012 in London und 2016 in Rio) freudestrahlend das Zielbanner beim Ironman Lake Placid in den Himmel. Sie hatte den Kursrekord um zehn Minuten unterboten und einen 16-minütigen Vorsprung auf die zweitplatzierte Heather Jackson. Dieser Zieleinlauf war jedoch keine Selbstverständlichkeit und bis dorthin auch ein beschwerlicher Weg für sie, der mit Selbstzweifeln und einer neuen Art der Herangehensweise an das Triathlontraining zu tun hatte. Die letzten Rennbilder von Sarah True, die wohl viele Zuschauer in Erinnerung haben, sind die, dass eine Athletin taumelnd, mit nicht mehr als einem Kilometer bis zum Ziel in Führung liegend beim Ironman Frankfurt 2019 vom Sanitäter von der Strecke geholt wird. Sie war nicht mehr Herrin ihrer selbst. Ein Hitzschlag machte ihr einen Strich durch die Rechnung, wie schon bei zwei anderen Rennen in der Saison zuvor. Eine ärztliche Analyse sollte Aufschluss über das Warum geben, doch mit der beginnenden Coronapandemie wurden die medizinischen Kräfte auf die Bekämpfung der Pandemie gerichtet und an Triathlonwettkämpfe war länger nicht zu denken. Das war der Zeitpunkt, an dem die 40-Jährige vorerst aus dem Triathlon-Hamsterrad heraustrat und ihre Zukunft mehr in die eigene Hand nahm. Doktorandenprogramm in klinischer Psychologie, Familiengründung und Training, wie es ihr gefiel. Kein Zwang in Bezug auf Trainingspläne. Kein Druck. Sie fand die Balance zwischen Sport und anderen Dingen in ihrem Leben, die ihr ein Triathlon-Comeback in diesem Jahr bescherte, an das sie selbst nicht richtig geglaubt hatte. Mit ihrem Coach Dan Lorang arbeitet die junge Mutter erfolgreich zusammen. Ihr Comeback-Rennen, den Ironman 70.3 Eagleman, gewann sie bei schwül-heißen Temperaturen, um sich einen Monat später bei sengender Sonne den Sieg und die Hawaii-Qualifikation in Lake Placid zu sichern. Die Vorzeichen stimmen: True hat offenbar die Hitzeprobleme in den Griff bekommen. Für das Rennen in Kona ist das ein entscheidender Faktor. Bei zwei Starts ist die US-Amerikanierin auf der Insel einmal Vierte geworden und beim letzten Mal auf der Radstrecke ausgestiegen. Wenn sie das Rennen auf Big Island mit der Freude und – wie ihr Trainer es gesagt hat – mit dem nötigen Genuss gestaltet, so kann es eine Platzierung unter den Top 10 werden. Mit Blick nach vorn. Die Nummer 14 der PTO-Rangliste wird mit ihrer Schwimmleistung innerhalb der ersten Gruppe aus dem Wasser kommen und dann auf dem Rad mithalten können. Der Marathon und die Kühlung währenddessen werden darüber entscheiden, wozu es am Ende reicht. Eine Top-10-Platzierung mit Kind, Doktorandenprogramm und Training wird ein Erfolg sein.

Die weiteren Deutschen: Illeditsch, Liepold, Schulz, Zimmermann

Nils Flieshardt / spomedis

Neben Laura Philipp, Anne Haug und Daniela Bleymehl gehen auf Hawaii auch Elena Illeditsch (31), Kristin Liepold (38), Jenny Schulz (38) und Laura Zimmermann (32) aus Deutschland an den Start.

Bei ihrer ersten Ironman-WM-Teilnahme im Mai in St. George belegte Laura Zimmermann den 16. Platz, für die Teilnahme auf Hawaii hatte sie sich im vergangenen November mit dem dritten Platz beim Ironman Florida qualifiziert. Für die 32-Jährige wird es darauf ankommen, in der ersten Disziplin den Anschluss nicht zu verlieren, um ihre Stärken im weiteren Rennverlauf ausspielen zu können.

In ihrem dritten Profijahr sicherte sich Elena Illeditsch ihren Startplatz für die WM beim Ironman South Africa, wo sie hinter Daniela Bleymehl den zweiten Platz belegte. Für die 31-Jährige ist das Rennen auf Hawaii der vierte Langdistanz-Start als Profi. Für sie wird es vor allem darum gehen, sich beim Schwimmen keinen zu großen Rückstand aufbrummen zu lassen, um im anschließenden Rennverlauf weitere Erfahrungen als Rookie auf der Insel zu sammeln.

Jenny Schulz und Kristin Liepold gelang die Qualifikation zur Ironman Weltmeisterschaft im Juli beim Ironman Switzerland, wo sie die Plätze fünf und sechs belegten. Beiden sind auf Hawaii keine echten Chancen für eine Spitzenplatzierung zuzurechnen.

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Redaktion triathlon
Redaktion triathlonhttps://tri-mag.de
Die Redaktion der Zeitschrift triathlon und von tri-mag.de sitzt in Deutschlands Triathlonhauptstadt Hamburg im Stadtteil Altona. Das rund zehnköpfige Journalistenteam liebt und lebt den Austausch, die täglichen Diskussionen und den Triathlonsport sowieso. So sind beispielsweise die mittäglichen Lauftreffs legendär. Kaum ein Strava-Segment zwischen Alster und Elbe, bei dem sich nicht der eine oder andere spomedis-Mitarbeiter in den Top Ten findet ...

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