Donnerstag, 28. März 2024

Frodeno gewinnt Ironman-Krimi von Frankfurt

Ein heißer Kampf um den Europameistertitel war zu erwarten beim Staraufgebot, das für die 18. Auflage des Rennens in Frankfurt gemeldet hatte. Doch dass der Kampf um die Krone zwischen den Hawaii-Siegern Sebastian Kienle (2014), Jan Frodeno (2015 und 2016) und Patrick Lange (2017 und 2018) eine solche Dramatik beinhalten würde, das konnte im Vorfeld tatsächlich niemand erwarten. Der Sieg in Frankfurt 2019 wäre mehr als ein weiterer Triumph in den eindrucksvollen Palmares der Protagonisten. Er wäre mehr als ein Europameisteritel. Er wäre die Bestätigung, wer aus dem Trio sich derzeit der beste aller Triathleten nennen dürfte – nicht nur in Deutschland, sondern weit darüber hinaus. Im aufgeheizten deutschen Männerzirkus dreieinhalb Monate vor dem Ironman Hawaii eine Auszeichnung von ungemeinem Prestige.

Frodeno-Show beim Schwimmen

Schon beim Schwimmen stellte Jan Frodeno seine klaren Siegambitionen unter Beweis: Vom ersten Meter an sorgte der Titelverteidiger für die Pace, der nur der Neuseeländer Dylan McNeice folgen konnte. Als die Zuschauer das Führungsduo am Ende der Auftaktrunde nach 1,6 Kilometern zum ersten Mal bejubeln konnten, hatten die beiden schon einen Vorsprung von 50 Sekunden herausgeschwommen – ein Leistungsunterschied von immerhin drei Sekunden pro 100 Meter auf Spitzenschwimmer wie Christian Kramer und den im vergangenen Jahr von der Kurzdistanz auf die längeren Strecken gewechselten Franz Löschke, die eine Gruppe um die Weltmeister Patrick Lange und Sebastian Kienle anführten.

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Auf der zweiten Schwimmrunde packten Frodeno und McNeice eine weitere Minute drauf. Frodeno stieg nach (da bei 25,5 Grad Wassertemperatur ohne Neopren geschwommenen) starken 47:12 Minuten als Erster knapp vor McNeice aus dem Langener Waldsee, auf den Plätzen folgten mit 1:51 Minuten Rückstand der Ungar David Hankó, dann in kurzen Abständen die Deutschen Patrick Lange, Franz Löschke, Paul Schuster, Christian Kramer, Patrick Dirksmeier und Tobias Drachler.

Dramatische Entwicklung auf dem Rad

Der Radpart des Rennens war an Dramatik kaum zu überbieten. Den Auftakt machte der früh allein in Führung liegende Jan Frodeno mit einem Ausflug in die hessische Botanik: Nach einer Engstelle, bei der ihm ein Motorrad zu nahe gekommen war, hüpfte der Titelverteidiger geschickt über eine Verkehrsinsel, schoss in die gegenüberliegende Böschung und fand mit enormer Radbeherrschung nach einigen Metern auf die Straße zurück – ohne die Radflaschen mit seiner Spezialverpflegung allerdings.

Schnell überwand Frodeno den Schock, fand kontrolliert ins Rennen zurück, hielt einen konstanten Vorsprung von etwas mehr als zwei Minuten auf Kienle, der seinerseits alle Verfolger hatte abschütteln können. Am Ende der ersten Radrunde dann der nächste Zwischenfall: Patrick Lange musste mit sowieso schon neun Minuten Rückstand auch noch wegen eines defekten Vorderreifens einen Boxenstopp einlegen, tauschte den Schlauch vor den dicht gedrängten Zuschauern am Mainkai selbst aus, verlor dadurch aber noch deutlicher an Boden. 

Kienle trotzt den Cuts

Auch Sebastian Kienle blieb von der Pechsträhne der Weltmeister nicht verschont: Zunächst verletzte er sich beim Landgang nach dem Schwimmen durch einen Steinsplitter im Fuß, dann verlor auf der zweiten Radrunde auch noch sein Hinterrad schleichend an Luft. Doch Kienle behielt die Konzentration und pirschte sich unbeeindruckt Stück für Stück an Frodeno heran: Nach 130 Kilometern waren es erstmals weniger als 60 Sekunden, die den Weltmeister 2014 noch vom in Führung liegenden Weltmeister der Jahre 2015 und 2016 trennten. Der Schweizer Philipp Koutny und der britische Mitfavorit Joe Skipper, der sich von Frodeno beim Schwimmen einen Rückstand von sieben Minuten hatte aufbrummen lassen, sorgten bei den zunehmend zersplitternden Verfolgern für die Pace – acht Minuten nach der Spitze.

Nach 185 Kilometern auf dem Rad erreichten Frodeno und Kienle zeitgleich die zweite Wechselzone, wo sich Kienle einer kleinen Operation unterziehen musste: Sanitäter entfernten mit einer Pinzette das noch immer tief in seiner Ferse steckende Steinchen. Frodeno zeigte sich sportlich, lief im Wechselzelt zu Kienle zurück und erkundigte sich nach dessen Wohlergehen. Mit einer halben Minute Vorsprung nahm Frodeno den Marathon in Angriff, Kienle folgte notversorgt.

Der Rest des Feldes war in diesem Moment schon so gut wie geschlagen: Philipp Koutny folgte auf Platz drei mit einem Rückstand von zehn Minuten, Joe Skipper bedankte sich noch wenige Meter gehend bei den Triathlonfans auf dem Mainkai, stieg dann aber mit Rückenschmerzen aus. Patrick Lange, der das Radziel eine halbe Stunde nach Kienle und Frodeno erreichte, verschwand in der Wechselzone länger im Toilettenhäuschen und erklärte, dass er den Marathon zu laufen versuche – neben den Material- hatten ihn vor allem Magenprobleme aus dem Rennen um den Titel geworfen.

Kienles Aufholjagd und Frodenos Konter

Wer glaubte, dass das Duell zwischen Frodeno und Kienle nach dem Sanitätereingriff schon entschieden sei, der sollte irren. Denn Kienle fiel keinesfalls, wie er selbst es in den Interviews vor dem Rennen vorhergesehen hatte, zurück, sondern holte Sekunde für Sekunde auf Titelverteidiger Frodeno auf. Bei Kilometer 17 war Kienle dann dran, schien Frodeno sogar weglaufen zu können – doch der konterte und setzte sich seinerseits einen Kilometer später wieder von Kienle ab.

Auch hinter dem Führungsduo ging es zur Sache: Franz Löschke, der den Kona-Slot im Oktober in Barcelona im Endspurt knapp verloren hatte, stieg als Siebter vom Rad und wenige Sekunden später als Neunter von seiner Faszienrolle. Mit so entspannter Rückenmuskulatur machte er beim Laufen Platz für Platz gut und hatte zur Halbmarathonmarke das Podium im Blick. Der Schweizer Koutny war das letzte Opfer des 30-Jährigen, der vor einem Jahr zwar in Hamburg Deutscher Meister geworden war, seine Karriere danach aber fast beendet hätte. 

Auf den letzten beiden Laufrunden änderte sich an der Spitze nichts mehr: Frodenos Vorsprung auf Kienle wuchs wieder deutlich an, der hielt seinerseits Löschke auf Distanz. Nach 7:56:02 Stunden ließ sich Jan Frodeno als alter und neuer Europameister auf dem Frankfurter Römerberg feiern. Sebastian Kienle untermauerte seine hervorragende Saisonverfassung mit dem zweiten Platz in 8:00:01 Stunden. Beiden hätte ein Finish für die Hawaii-Qualifikation erreicht – ebenso wie dem längst überrundeten Patrick Lange, der sich in der vierten Runde mit zehn Kilometern Rückstand an die Fersen von Kienle heftete und sich von diesem eine Weile ziehen ließ. Franz Löschke gelang in seinem dritten Ironman-Rennen der dritte Platz und die Qualifikation für die Ironman-WM im Oktober auf Hawaii.

Ironman European Championships Frankfurt 2019 | Profis Männer

30. Juni 2019 | Frankfurt am Main

PLATZNAMELANDGESAMT3,8 KM SWIM185 KM BIKE42,2 KM RUN
1Jan FrodenoGER7:56:0247:124:20:142:43:57
2Sebastian KienleGER8:00:0149:224:17:362:47:27
3Franz LöschkeGER8:17:2449:064:35:192:48:15
4Tobias DrachlerGER8:23:5749:104:35:132:54:53
5Philipp KoutnySUI8:24:5649:124:28:203:02:41
6Matt RussellUSA8:26:3254:284:30:072:56:45
7Patrick DirksmeierGER8:29:2149:084:39:052:56:22
8Bas DiederenNED8:34:5949:114:34:573:05:39
9Roman DeisenhoferGER8:43:2253:174:34:213:10:26
10Marc DülsenGER8:44:4354:214:33:183:11:41
11Patrick LangeGER8:47:4949:064:48:143:02:59
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Frank Wechsel
Frank Wechsel
Frank Wechsel ist Herausgeber der Zeitschriften SWIM und triathlon. Schon während seines Medizinstudiums gründete er im Oktober 2000 zusammen mit Silke Insel den spomedis-Verlag. Frank Wechsel ist zehnfacher Langdistanz-Finisher im Triathlon – 1996 absolvierte er erfolgreich den Ironman auf Hawaii.

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