Freitag, 29. März 2024

Gute Reise!

Die Geschichte ist einfach zu schön, um sie nicht zu glauben: Nach einem Rennen in Bahrain habe man zusammengesessen und darüber diskutiert, ob man die aktuellen Weltbestzeiten würde schlagen können, heißt es in einer Mitteilung zum Projekt „Pho3nix Sub7 und Sub8“. Lucy Charles-Barclay und Nicola Spirig hätten bei guten Bedingungen eine Zeit von unter acht Stunden für möglich gehalten und Alistair Brownlee glaubte unter sieben Stunden bleiben zu können. Ein Mix aus Wagemut und Wettkämpferinstinkt sei plötzlich aufgekommen, und ehe man sich versah, hätten alle unterschrieben, nicht nur zu versuchen, schneller zu sein als irgendjemand zuvor, sondern die mythischen 7- und 8-Stunden-Mauern zu durchbrechen.

„Defy The Impossible“, trotze dem Unmöglichen – unter dieses Motto haben die Organisatoren das Vorhaben gestellt, Langdistanzzeiten hinzulegen, die schneller sein würden, als alles bisher dagewesene. Viel schneller. Es bedürfte eines Schwimmens, das für eine Medaille bei olympischen Freiwasserwettkämpfen reichen würde, man bräuchte eine durchschnittliche Radgeschwindigkeit von 51 Kilometern pro Stunde und müsste zum Abschluss eine Marathonzeit hinlegen, die unter 2:30 Stunden läge, rechnet der Veranstalter vor. 

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Ein dicker Brocken, an dem die beteiligten Athleten nun mehr als ein Jahr lang kauen werden. Gut für die Motivation? Möglicherweise. Eine psychische Belastung, die beständig da sein wird? Kommt darauf an. Man muss schon ein besonderer Typ Mensch sein, um ohne Risse des Geduldsfadens ertragen zu können, dass man nun für eine gefühlte Ewigkeit zur eigenen Ansage befragt werden wird. Und dass es bei jedem nicht perfekten Rennen (und das sind bekanntlich alle) in der öffentlichen Diskussion heißen wird: „Der (beziehungsweise die) will den Rekord knacken?“

Pikant ist diese Konstellation auch deshalb, weil alle beteiligten Athleten zwar ohne Zweifel große Sportler sind, doch auf der Langdistanz aktuell andere als die GOATS gehandelt werden. So steht für Alistair Brownlee eine Bestmarke von 7:45:21 Stunden in den Büchern, Lucy Charles-Barclay hat eine PB von 8:31:09 Stunden und Nicola Spirig gelangen bisher 9:14:07 Stunden. Die Langdistanzzeit von Kristian Blummenfelt? Bisher keine.

Größenwahn als Konzept

Ist es größenwahnsinnig, aus einer solchen Position herauszuposaunen, dass man sich zu wahren Fabelzeiten im Stande sieht? Ja, ein bisschen schon. Aber ist es das nicht immer, wenn man ambitionierte Ziele öffentlich macht? Und wie ambitioniert die Ziele wirklich sind, darüber lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren, da die Bedingungen des Versuchs noch nicht hinreichend genug bekannt sind. 

Ein Punkt, bei dem man der veranstaltenden Agentur von Beginn an den Wind aus den Segeln nehmen muss, ist jedoch der Vergleich mit den aktuellen Weltbestzeiten von Jan Frodeno und Chrissie Wellington. Sie wurden in echten Rennen unter realen Wettkampfbedingungen aufgestellt und diese werden beim Vorhaben unter der Flagge der Pho3nix Foundation nicht herrschen. Man sollte sich deshalb hüten, bei diesem Projekt von einem Angriff auf die Weltbestzeiten zu reden, wie es in der Pressemitteilung geschieht. Diese können nur in Rennen geknackt werden, und deshalb würde auch ein erfolgreicher Versuch der verwegenen Vier nichts am Stellenwert der Wettkampfleistungen von Frodeno und Wellington ändern. Er wäre ein herausragendes Ergebnis in einer eigenen Disziplin.

Aufbruch ins Ungewisse

Und deshalb besteht auch kein Grund, das Vorhaben zu fürchten. Klar, man könnte sich Gedanken darüber machen, ob der Triathlon das Streben nach Superlativen braucht. Ob Vorhaben, die öffentlich unmögliches anpeilen, nicht eine Kultur befeuern, in der Doping eine Rolle spielt. Man könnte aber auch argumentieren, dass bei solchen Aktionen letztlich nur der Ironman-Ursprungsgedanke weitergedacht wird: aufzubrechen um zu sehen, ob man ein Ziel erreichen kann. Auf eine Reise mit ungewissem Ausgang zu gehen. Nichts weiter.

Für die Athleten, die sich freiwillig für das Unternehmen gemeldet haben, ist es eine Gelegenheit, sich zu präsentieren. Das sei ihnen in vollem Umfang gegönnt, schließlich riskieren sie dabei, dass sie an ihren großen Worten gemessen werden. Der Triathlon wird durch ihre Aktion, auch wenn sich der Vergleich mit echten Rennen verbietet, jedenfalls zusätzliche Aufmerksamkeit bekommen. Und die sportlichen Wettkämpfe, die davor und danach stattfinden, werden durch sie keinen Schaden erleiden. Im Gegenteil.

Um sich die Köpfe heiß zu reden, wie die Chancen für einen erfolgreichen Ausgang wirklich stehen, bleibt noch genug Zeit. Für den Moment sollten sich Fans des Ausdauersports einfach darüber freuen, dass sich mutige Athleten gefunden haben, die sich auf die Reise machen.

Weitere Informationen

Alles über das Projekt „Sub7 & Sub8“ auf einer Sonderseite von tri-mag.de

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5 Kommentare

    • Ok..und was kommt danach…es verfälscht indirekt die Leistung der anderen Spitzenathleren..die ohne Laborbedinungen..sondern in der Gunst der Stunde der Tagesverfassung wirckliche Weltbestleistung abgerufen haben.. .meine Bewunderung halten sich in Grenzen…obwohl Sie Weltathleten sind…

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Nils Flieshardt
Nils Flieshardt
Nils Flieshardt ist Chefredakteur der Zeitschrift triathlon und seit über 15 Jahren als Radexperte im Einsatz. Wenn er nicht am Rechner sitzt, findet man ihn meist hinter der Kamera auf irgendeiner Rennstrecke oder in Laufschuhen an der Elbe. Als Triathlet ist er mehr finish- als leistungsorientiert, aber dafür auf allen Distanzen zu Hause.

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