Donnerstag, 25. April 2024

„Ich bin hier ein totaler Underdog“

Nils Flieshardt / spomedis Sebastian Kienle in Frankfurt 2019.

Am Sonntag fällt um 20:30 Uhr deutscher Zeit der Startschuss für das Rennen der Profi-Männer bei den PTO Canadian Open in Edmonton. Vor dem Rennen spricht Sebastian Kienle im Interview mit tri-mag.de über seine aktuelle Form und seine Aussichten auf den Renntag.

Sebastian Kienle, du hast auf Instagram durchblicken lassen, dass du über den geplanten Rest deiner Karriere arg ins Grübeln gekommen bist. Was hat dich bewogen, erst in Heidelberg und dann gegen ein sehr starkes Feld in Kanada anzutreten?

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Für mich war es erst das zweite und dritte Rennen in dieser Saison in Heidelberg und jetzt hier in Edmonton. Ich hatte einfach das Gefühl, dass mir vor St. George die Rennhärte und die Rennpraxis einfach gefehlt haben und nach fast zwei Jahren, in denen sowieso nur sehr wenig Rennen waren, macht sich das einfach ein bisschen mehr bemerkbar. Gleichzeitig will man logischerweise auch nichts riskieren. Ich habe ja auch aus dem Grund ein paar Rennen abgesagt. Im letzten Jahr bin ich damit ein bisschen auf die Schnauze geflogen, dass ich Rennen gemacht habe, obwohl ich nicht 100 Prozent gesund oder fit war. Jetzt ist es so, dass ich 100 Prozent gesund bin. Ich bin zwar noch nicht fit, aber ich glaube, dass mir ein bisschen Rennfitness guttut. Das Rennen in Heidelberg war einfach dafür da, um nochmal für hier zu testen. Und das hat sich okay angefühlt. Es war jetzt nicht super stark, aber es war okay und deswegen habe ich gesagt, dass es vertretbar ist, hier zu starten.

Ganz ehrlich: Welche Rolle spielt bei solch einer Entscheidung die Summe und Staffelung des enormen Preisgelds?

Das spielt natürlich schon eine sehr große Rolle, das muss man ganz klar sagen. Sogar für jemanden wie mich, einfach weil das Downside Risk relativ gering ist. Man muss sich überlegen, wenn man jetzt ein Rennen wie Kona als Profi macht und dann da vielleicht zwei Wochen vorher anreist, kann man summa summarum in diesem Jahr zwischen 8.000 und 15.000 Euro einplanen. Wenn man noch jemanden mitnimmt, wird es sogar noch teurer und dann kann sich jeder ausrechnen, was man da in dem Feld leisten muss, um dann die Kosten wieder drin zu haben. Also das Risiko, dann da am Schluss mit einem Minus dazustehen, ist schon groß. Für mich spielt das jetzt keine ganz so große Rolle, aber es gibt viele Athleten, bei denen das vor allem nach den zwei Jahren ein großer Aspekt ist. Und hier ist relativ klar, wenn man in den Top 20 ist, hat man auf jeden Fall kein Minus gemacht mit dem Rennen. Man muss sich eben auch überlegen, dass Sponsoren oft für die ersten drei Plätze bei einer Mitteldistanz bei einem 70.3 oder Challenge zahlen und wenn man da nicht unter den ersten drei ist, gibt es halt keine Prämien. Und hier deckt eben das Preisgeld noch einen großen Teil ab. Wenn man hier als Fünfter rausgeht, ist es immer noch gut. Für mich ist der Effekt eher der, dass das Feld brutal stark ist, dass da um jeden Platz gefightet wird, weil eben jeder Platz auch Geld bedeutet.

Welchen Stellenwert hat das Rennen zu diesem Zeitpunkt der Saison (auch hinsichtlich Hawaii) sportlich für dich?

Das ist für mich ein ziemlich guter Test und Reiz in der Vorbereitung auf Kona. Dass ich in so ein Feld als totaler Underdog reingehe, nimmt, glaube ich, für mich persönlich ein kleines bisschen den Druck. Wenn ich jetzt ein verhältnismäßig schlechter besetztes Rennen gemacht hätte, hätte ich auch den Anspruch gehabt, da zu gewinnen. Den Anspruch kann ich mir hier nicht erlauben.

Wie ordnest du dich mit deiner aktuellen Form in Hinblick auf die Konkurrenz und das 100-km-Format ein?

Logischerweise bin ich hier ein totaler Underdog. Das Feld ist wahnsinnig stark, was natürlich auch richtig geil ist. Das ist ja genau das, wofür ich geworben habe. Jetzt ist es natürlich etwas schade, dass genau zu dem Zeitpunkt, wo ich vielleicht nicht mehr die Kraft habe, um in so einem Feld ganz vorn zu sein, es dann eben so kommt, dass es mehr solcher Rennen gibt. Es wäre natürlich geil gewesen, wenn es für mich einfach schon fünf Jahre früher gekommen wäre. Aber ich freue mich einfach, dass es jetzt so ist und es auch für die nächste Generation von Athleten solche Chancen gibt. Und was meine eigenen Chancen angeht: Ich glaube, wenn ich hier Top 20 mache, bin ich auf jeden Fall schon mal nicht unzufrieden. Das ist für mich auch ein bisschen eine Wundertüte, weil es für mich sehr schwer ist, in so einem Format so ein Rennen wirklich zu lesen und vorherzusagen, was die einzelnen Leute letztendlich so können. Das ist klar, dass es einen wahnsinnig schnellen Lauf hinten rausgeben wird. Ich denke, es ist jetzt schon klar, dass so Leute wie Blummenfelt und Iden da Richtung 3:10 Minuten im Schnitt laufen können und das wird einfach bedeuten, dass es da für mich keine Chancen gibt, ganz vorn zu sein. Aber wie gesagt, das macht es einfach für mich schön, weil es ein bisschen den Druck nimmt und ich kann da einfach frei reingehen und schauen, was geht und dann um jeden Platz kämpfen.

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Nils Flieshardt
Nils Flieshardt
Nils Flieshardt ist Chefredakteur der Zeitschrift triathlon und seit über 15 Jahren als Radexperte im Einsatz. Wenn er nicht am Rechner sitzt, findet man ihn meist hinter der Kamera auf irgendeiner Rennstrecke oder in Laufschuhen an der Elbe. Als Triathlet ist er mehr finish- als leistungsorientiert, aber dafür auf allen Distanzen zu Hause.

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