Mittwoch, 17. April 2024

Jonas Deichmann bewegt sich am Limit

Die 32. Woche beim Triathlon rund um die Welt war geprägt von wiederkehrenden Erinnerungen. Die Route über den Transsibirischen Highway kennt Jonas Deichmann noch von seinem Eurasienrekord vor vier Jahren. Die Distanzen zwischen besiedelten Gebieten werden größer, da kommt es auf die richtige Planung an. „Ich erinnere mich noch an die erst lange Distanz, da habe ich einen Fehler gemacht, weil ich dachte, es gäbe auf dem Weg sicherlich noch irgendwo die Möglichkeit sich zu verpflegen und hatte zu wenig zu Essen dabei. Das waren 120 Kilometer durch die Berge bei Gegenwind. Ich habe ewig gebraucht und war total ausgehungert, bis ich Essen gefunden habe. So ging es immer weiter, mit extrem lange Distanzen“, erklärt Deichmann.

Klettern im Stanowoigebirge

Seit er Tschita, die Hauptstadt Transbaikaliens, Ende der vergangenen Woche verlassen hat, sind die Anzeichen der modernen Zivilisation weniger geworden. Dazu gehört auch, dass die Funklöcher, in denen er kein mobiles Internet empfängt, größer werden. „Es war der abgelegenste Teil des Transsibirischen Highways, teilweise 100 Kilometer ohne Tankstelle oder Restaurant. Meine größte Herausforderung aber war neben dem Wetter das Profil im Stanowoigebirge. Dort ist richtig Klettern angesagt, am ersten Tag hatte ich 2.500 Höhenmeter, nie wirklich steil, aber auch nie flach, immer rauf und runter“, so Deichmann, der auf seinem Weg durch die Gebirgskette Wälder passierte und spektakuläre Flussabschnitte, auf denen durch die Schmelze Eisschollen trieben. „Es ist eine Gegend, in der man die Wildnis fühlen und genießen kann.“

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Dauerregen und Schnee erschweren das Vorankommen

Nachdem er die ersten beiden Tage nach Tschita noch angenehmes trockenes Wetter mit sieben Grad hatte, wurde es wechselhafter. „Das musste ich teilweise ganz schön kämpfen.“ Während es in Tschita trocken ist und selten regnet, herrscht im Gebirge ein feuchtes Klima. „Dort regnet wes quasi immer“, berichtet der Abenteurer. „Ich hatte eine Mischung aus Dauerregen und Schneeregen. In den Tälern Regen bei null Grad, oben auf den Anstiegen Schneeregen. Der nächste warme Kaffee war 130 oder 140 Kilometer entfernt. Da kommt die Ausrüstung ans Limit. Gegen trockene Kälte kann man sich richtig anziehen, wenn es nasskalt wird, wird es schwierig. Obwohl meine Ryzon-Jacke da einen super Job gemacht hat. Aber die Hände und Füße sind irgendwann bitterkalt. Ich war durch die Bedingungen etwas langsamer unterwegs, weil das Limit von dem, was man ohne krank zu werden oder Finger oder Zehen zu verlieren fahren kann, sinkt.“

Badehaus als willkommene Abwechslung

In diesen Situationen ist Deichmann froh, am Wegesrand unerwartete Überraschungen zu erleben. Zum Beispiel eine russische Banja. „Diese Badehäuser sind eine lustige Sache. Das sind zwei Räume, in dem einen gibt es nur kaltes, in dem anderen nur heißes Wasser mit einem Holzofen. Das muss man sich zusammenmischen und dann über den Kopf kippen. Das ist toll, es ist heiß, ein bisschen wie in einem Dampfbad.“

privat Herausforderung: Nasskaltes Wetter erschwert die Tour durch das Stanowoigebirge.

Die Motivation steigert auch Bekanntes aus seiner erfolgreichen Tour zum Eurasienrekord. „Ich erinnere mich nahezu an jedes Café hier, wie ich damals in kurzer Hose und durchgefroren angekommen bin, weil ich vor vier Jahren an der gleichen stelle Dauerregen und fünf Grad hatte – ohne Winterausrüstung. Das war absolut am Limit. jetzt ist es zwar kälter, aber ich habe eine gute Ausrüstung dabei.“

Aufeinandertreffen mit einer alten Bekannten

In Erinnerung geblieben ist ihm auch Mogotscha, eine Kleinstadt in Transbaikalien mit ungefähr 13.000 Einwohnern, über die es ein russisches Sprichwort gibt: Gott hat Sotschi erschaffen, der Teufel Mogotscha. „Das kommt durch die Abgelegenheit und das Klima. Es war der Tiefpunkt“, so Deichmann. „Ich bin sechs Stunden unterwegs gewesen, hatte den ganzen Tag eine Mischung aus Schneeregen und Regen. Den letzten Pass musste ich auf 900 Meter hochfahren, da hat es oben noch geschneit, alles war nass. Ich bin durchgefroren in einem Restaurant angekommen, das ich kannte. Die Dame dort war gleich extrem besorgt um mich, hat meine Sachen aufgehängt und mir Borschtsch gebracht. Ich habe sie sofort wiedererkannt, sie mich aber nicht: Es war dieselbe Dame, die mich vor vier jähren dort empfangen hat, als ich in kurzer Hose bei Schnee ankam. Sie wollte damals gleich den Krankenwagen rufen, so mitgenommen sah ich aus. Dieses Mal war es nicht ganz so schlimm.“

Noch 1.700 Kilometer bis Wladiwostok

Der 34-Jährige erinnerte die Dame an ihr Aufeinandertreffen vor vier Jahren und durfte erneut in einem kleinen Zimmer hinter dem Restaurant übernachten. „Ich habe mich dort aufgewärmt, ehe es am nächsten Tag bei drei Grad und Schneeregen weiter ging. 100 Kilometer bis ins nächste Restaurant. Da braucht es viel Motivation, loszufahren, wenn man weiß, witterungstechnisch geht es ins nächste Desaster. Ich war jetzt zweimal in Mogotscha, einmal im Mai, einmal im August, beide Male hatte ich Schneeregen. Also ein wirklich toller Ort.“

privat Auf seiner Strecke kann Jonas Deichmann eine beeindruckende Landschaft genießen.

Bis Deichmann zurück in der Zivilisation ist, muss er sich noch ein wenig gedulden. Immerhin: „Hier gibt es zwar nichts, kein Restaurant, in dem man sich aufwärmen kann, aber es wird mittlerweile schon etwas besser“, sagte er am heutigen Samstag. „Ich bin nur noch auf 400 statt auf 800 Metern Höhe, das merkt man an den jetzt etwas angenehmeren Temperaturen. Es sind noch 1.000 Kilometer bis Chabarowsk, die nächste Großstadt – und dann nur noch 1.700 Kilometer bis Wladiwostok. Also: Endspurt.“

Jonas Deichmann berichtet auf tri-mag.de regelmäßig von seinem Triathlon rund um die Welt. Weitere Informationen zu seinen bisherigen Abenteuern sowie ein Livetracker zu seinem Triathlon rund um die Welt finden sich auf seiner Website jonasdeichmann.com.

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Bengt Lüdke
Bengt Lüdke
Bengt-Jendrik Lüdke ist Redakteur bei triathlon. Der Sportwissenschaftler volontierte nach seinem Studium bei einem der größten Verlage in Norddeutschland und arbeitete dort vor seinem Wechsel zu spomedis elf Jahre im Sportressort. In seiner Freizeit trifft man ihn in Laufschuhen an der Alster, auf dem Rad an der Elbe – oder sogar manchmal im Schwimmbecken.

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