Freitag, 29. März 2024

Jonas Deichmann fährt in den Frühling hinein

Zu Beginn der vergangenen Woche hieß es noch einmal Augen zu und durch für Jonas Deichmann. Zwischen Tschita und Chabarowsk wartete der Einsamte Rad-Part auf seinem Triathlon rund um die Welt. „Dort gab es Abschnitte, auf denen es wirklich lange nichts gibt“, erklärt der Abenteurer, der teilweise bei Minusgraden und Dauerregen mehr als 100 Kilometer zurücklegen musste, um von einem leicht besiedelten Gebiet in ein anderes zu fahren und eine Möglichkeit zu finden, sich aufzuwärmen. „Die kleinen Cafés sind dann allerdings auch nicht direkt an der Straße, sondern abseits auf Schotterstraßen, da will man eigentlich gar nicht hin. Als ich aus dem Stanowoigebirge herausgekommen bin, bin ich in tiefer gelegene Gebiete gefahren, es hat zwar noch viel geregnet, aber es war nicht mehr ganz so kalt und es hat nicht mehr geschneit.“ Nicht mehr ganz so kalt, bedeutet: Temperaturen zwischen zwei und zehn Grad Celsius. Jonas Deichmann fährt direkt in den Frühling hinein.

Deichmann nähert sich anderer Klimazone

„Die Strecke war eine Mischung aus hügeligen Passagen, mit vielen Anstiegen, und flachen Abschnitten durch die Amur Oblast. Ich konnte wieder etwas mehr Speed aufnehmen und bin gut vorangekommen. Am Mittwoch habe ich zum ersten Mal richtig den Frühling erkannt. Vorher waren die Landschaft und das Wetter trist und grau, dann kamen über Nacht praktisch die Blüten heraus. Es wird grüner, innerhalb von zwei Tagen hat sich vieles verändert, das liegt aber natürlich auch daran, dass ich in Richtung Pazifik fahre und in ein anderes Klima komme.“

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Dauerregen und Gegenwind: „Üble Bedingungen“

Mittlerweile ist auch Dokumentarfilme Markus Weinberg wieder als Begleitung dabei, der bis Wladiwostok nicht von Deichmanns Seite weichen wird. Sein erster Tag nach Ankunft in Russland: Sonne und 13 Grad. „Da habe ich ihm gleich gesagt, dass er schön den Winter ausgelassen hat, nachdem er mich zuletzt begleitet hat, und am ersten Frühlingstag wieder vorbeischaut.“ Sibirien wollte dem Dokumentarfilmes aber doch noch zeigen, womit sich Deichmann in Teilen die vergangenen Wochen herumschlagen musste. „Einen Tag darauf hatten wir also wieder Dauerregen und Gegenwind, richtig üble Bedingungen“, so Deichmann.

Markus Weinberg Durchnässt: Der feuchte Boden sorgt häufig für Probleme beim Aufschlagen des Nachtlagers.

Stück für Stück zurück in die Zivilisation

„Wir sind dann durch die Jüdische Autonome Oblast gekommen. Das ist hochinteressant, dass es so etwas in der Sowjetunion gab, auch wenn das mehr als Schutzschild gegen die Chinesen gedacht war, als dass ihnen Stalin wirklich etwas Gutes wollte“, erklärt der Abenteurer. Von da an kehrte er Stück für Stück in die Zivilisation zurück. „Es gab wieder eine Internetverbindung, alle 50 Kilometer eine kleine Ortschaft und etwas mehr Verkehr. Die Landschaft ist leicht hügelig. In der Nähe der Hauptstadt Birobidzhan haben wir bei einem Funkmasten etwas erhöht gezeltet, nachdem es so stark geregnet hatte, dass alles überschwemmt war.“

privat Jonas Deichmann (li.) wird bis Wladiwostok von Dokumentarfilmen Markus Weinberg begleitet.

Am Donnerstag erreichte Deichmann Chabarowsk. Eine Stadt mit 500.000 Einwohnern am Amur, einem 2.800 Kilometer langen Fluss, der durch Russland und China fließt und in den Pazifik mündet. „Ich musste über den Amur fahren und konnte von der Brücke nach China sehen. Ich war in etwa 15 Kilometer von der chinesischen Grenze entfernt“, berichtet Deichmann.

Ausrollen bis zum Pazifik

In Chabarowsk erwarteten ihn bereits einheimische Radfahrer, die von seine Ankunft via Social Media erfahren hatten. „Ich musste aber erst noch in einen Fahrradladen gehen und habe dort einen letzten Pit Stop vor Wladiwostok eingelegt. Ich war seit 1.500 Kilometern mit kaputten Lagern und lockerer Kassette unterwegs. Auch die Kette war überfällig. Daher habe ich alles nochmal gewechselt.“ Einige ortsansässige Radfahrer begleiteten Deichmann auch aus der Stadt hinaus. „Ich habe 210 Kilometer an dem Tag gemacht und jetzt noch etwas weniger als 700 Kilometer bis Wladiwostok. Ich kann also ausrollen lassen bis zum Pazifik.“ Nach Schnee und Eis auf der Strecke gab es Letzteres am gestrigen Freitag in anderer Form: also Kugel in einer Waffel. Die Temperaturen steigen, es wird erträglicher. „Ich freue mich auf Wladiwostok, es ist eine tolle Stadt und ich werde noch ein bisschen dort sein, weil ich immer noch ein Segelboot suche, das mich über den Pazifik bringt“, betont Deichmann.

Deichmann sucht weiter nach Einreisemöglichkeit in die USA oder Kanada

Bisher läuft alles darauf hinaus, dass er den amerikanischen Kontinent in Mexiko durchqueren muss. In die USA oder Kanada kann er derzeit nicht einreisen, sucht aber weiter nach Optionen in Form von hilfreichen Kontakten, die ihm die Einreise in eines der beiden Länder ermöglichen können oder dabei behilflich sind. Mexiko ist Plan C von drei Plänen. „Meine jetzige Route wird also von Tijuana nach Cancun gehen, über Baja California. Mit kleinen Umwegen, damit ich auch auf 5.000 Kilometer komme. Es wird brutal schön und brutal hart. Erst die Wüste, dann viele Höhenmeter in den Bergen und tropische Hitze. Das wird aber auch super.“

Wie kommt Deichmann über den Pazifik

Dringender als die Einreisefrage nach Kanada oder in die USA ist die Frage, wie der Abenteurer überhaupt über den Pazifik kommt. Auch in dieser Hinsicht ist Deichmann dankbar für jede Hilfestellung, die er bekommt. „Frachtschiffe dürfen niemanden mitnehmen. Ich habe da bereits viel probiert. Auch Reedereien wollten helfen, aber es hat sich immer einer, der für die Crewsicherheit zuständig ist, quergestellt“, erzählt der 34-Jährige. „Das große Problem ist, dass ich nirgendwo umsteigen kann: Nach Japan, China und Südkorea komme ich nicht rein. Ich brauche aktuell eine Direktverbindung von Wladiwostok nach Mexiko, das ist aber keine gängige Route“, sagt Deichmann. „In Bezug auf Frachtschiffe sieht es also gar nicht gut aus, auch ein Segelboot wird äußerst schwierig. Ich werde in Wladiwostok noch einmal mit jedem reden, der mir irgendwie helfen könnte, vielleicht bringt mich doch noch irgendjemand rüber.“

Jonas Deichmann berichtet auf tri-mag.de regelmäßig von seinem Triathlon rund um die Welt. Weitere Informationen zu seinen bisherigen Abenteuern sowie ein Livetracker zu seinem Triathlon rund um die Welt finden sich auf seiner Website jonasdeichmann.com. Der Abenteurer erzählt auch in unserem Podcast Carbon & Laktat von seinem Projekt.

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Bengt Lüdke
Bengt Lüdke
Bengt-Jendrik Lüdke ist Redakteur bei triathlon. Der Sportwissenschaftler volontierte nach seinem Studium bei einem der größten Verlage in Norddeutschland und arbeitete dort vor seinem Wechsel zu spomedis elf Jahre im Sportressort. In seiner Freizeit trifft man ihn in Laufschuhen an der Alster, auf dem Rad an der Elbe – oder sogar manchmal im Schwimmbecken.

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