Mittwoch, 24. April 2024

Jonas Deichmann schwimmt im „Jan-Frodeno-Tempo“ durch die Adria

Zwei Wochen sind vergangen, seit Jonas Deichmann seinen „Triathlon 360 Degrees“, den Triathlon rund um die Welt, in Angriff genommen hat. Neun Tage davon hat er im Wasser verbracht, und er nähert sich in der ersten Disziplin der 100-Kilometer-Marke. Zeit, ein erstes Resümee zu ziehen. „Schwimmen ist echt etwas anderes als Radfahren“, bilanziert der 33-Jährige wenig überraschend, um zu begründen: „Es passiert einfach nichts. Man hat nichts zum Angucken. Die Küste ist zwar schön, wenn man mal kurz anhält, aber ansonsten ist man einfach fokussiert, guckt sich das Wasser an und schwimmt den ganzen Tag. Mental ist das viel härter als Radfahren und Laufen.“

Mental ist Schwimmen viel härter als Radfahren und Laufen.

Jonas Deichmann

Die Herausforderungen, denen sich Deichmann bislang stellen musste, waren gewaltig. Nach dem Unwetter, das ihn nach zwei Tagen gestoppt hatte, traten weitere Probleme auf. „Das Schwimmen ist noch der einfache Teil. Das Schwierige ist die Logistik drumherum“, betont der Abenteurer. „Ich habe nicht die nötige Reichweite. Beim Laufen ist das schon eine kleine Herausforderung, beim Radfahren habe ich eine gewaltige Reichweite, da kann ich am Abend noch zehn Kilometer fahren, um einen schönen Schlafplatz und etwas zu essen zu finden. Beim Schwimmen ist das eine Tagesdistanz.“ Für Deichmann bedeutet das derzeit regelmäßig: unbequeme Schlafplätze, nichts zu essen, nichts zu trinken. „Es sind auch alle Sachen zumindest ein bisschen feucht, obwohl ich ein wasserdichtes Floß habe. Man ist den Naturgewalten natürlich noch viel mehr ausgesetzt als auf dem Rad. Das zehrt ganz schön.“

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Sturm mit Sechs-Meter-Wellen

Immerhin ging es nach den zwei Tagen Zwangspause besser voran. „Das war wohl der Jugo, ein typischer Sturm in dieser Gegend mit Sechs-Meter-Wellen, der vorbeigezogen ist. Seitdem war ich jeden Tag im Wasser“, berichtet Deichmann, der sich gegen Wind und Strömung durch den Velebit-Kanal in der Kvarner-Bucht kämpfte. „Ich bin wirklich schwer vorangekommen, aber das Wasser war toll, ganz tief und glasklar. Es ist in Richtung der vorgelagerten Inseln etwas kälter als an der Küste.“ Trotz der wechselnden Bedingungen schaffte Deichmann sieben bis zwölf Kilometer pro Tag.

Man ist den Naturgewalten beim Schwimmen natürlich noch viel mehr ausgesetzt als auf dem Rad. Das zehrt ganz schön.

Jonas Deichmann

Auf den vorgelagerten Inseln ergab sich für Jonas Deichmann ein gravierendes Bild. „Da gibt es einfach nichts. Die Tourismus-Saison ist im Oktober vorbei, selbst Supermärkte und Restaurants sind dicht. Das hat zu Riesenproblemen geführt: Wo finde ich Essen, Trinken, Übernachtungsplätze? Dreimal hat es nachts angefangen zu regnen. Ich habe draußen ohne Zelt übernachtet und einmal unter einer Brücke einen Unterschlupf in einem Boot gefunden. Zwei Nächte habe ich einfach im Nassen draußen gelegen – das sorgt nicht unbedingt für Erholung.“

Jonas Deichmann
privat Trockener Unterschlupf: Unter einer Brücke suchte Jonas Deichmann in einem Boot Zuflucht vor dem Regen.

Am Dienstag kreuzte Deichmann schließlich den Kanal und legte fünf Kilometer im offenen Meer zurück, ehe er auf der Insel Pag ankam. „Da wächst kein Baum, weil da die Bora, der Starkwind mit mehr als 200 km/h, ungebremst darüber weht. Auch dort habe ich keinen Unterschlupf gefunden, aber irgendwie geht es immer weiter“, so Deichmann.

„Schnell wie Jan Frodeno“

Nachdem er weitere Inseln hinter sich gelassen hatte, bremste ihn am Mittwoch erneut ein Unwetter aus, ehe er für einen kurzen Moment durchstarten konnte. „Ich hatte nur drei Stunden am Nachmittag zum Schwimmen, da hatte ich aber so einen Rückenwind, dass ich tatsächlich ein Jan-Frodeno-Tempo geschwommen bin“, so Deichmann, der zugibt: „Genau genommen war es mehr Treiben als Schwimmen. Nach 3,5 Kilometern war der Spaß auch wieder vorbei. Es war zu gefährlich, und ich habe mich nicht mehr rausgetraut, weil die Wellen einfach zu hoch waren.“

privat Auf seiner Schwimmstrecke durch die Adria beeindruckt Jonas Deichmann das glasklare Wasser.

Am Donnerstag folgte eine persönliche Rekordtour. „Da habe ich richtig Gas gegeben und bin 16 Kilometer geschwommen. Es war warm und sonnig und ich hatte leichten bis mittleren Seitenwind den gesamten Tag.“ Neun Stunden war Jonas Deichmann im Wasser, ehe er die Etappe mit einem guten Gefühl beschloss. „Als ich den Kanal hinter mir gelassen hatte und wieder an die Küste des Festlandes gekommen bin, ist alles etwas einfacher geworden für die nächsten Tage. In dieser Gegend gibt es nicht nur Touristen, hier wohnen auch Leute, es gibt Supermärkte und ein paar Restaurants, die geöffnet haben. Das macht mein Leben deutlich einfacher.“

Am Freitag ging es für den Abenteurer bei gutem Wetter knapp 13 Kilometer bis in die Stadt Zadar an der dalmatinischen Küste. Dort gönnte sich Deichmann ein Hotel in der Altstadt und die erste Dusche seit einer Woche, um das Salzwasser abzuwaschen und seine Blessuren zu pflegen. Die sind nicht unerheblich. „Ich habe mehrere offene Stellen, ein paar weitere Blessuren und einen tiefen Schnitt an der Fußsohle vom Kraxeln über die Steine. Das heilt im Salzwasser natürlich nicht und ist daher ein Riesenproblem.“

Jonas Deichmann
privat Schwierige Bedingungen: Die Nachtlager an der Küste muss Jonas Deichmann häufig auf steinigem Untergrund aufschlagen.

Ungewisse Tage stehen bevor

Am Samstag nutzte Deichmann die vorerst möglicherweise letzte Gelegenheit, noch ein paar Kilometer weiter zu schwimmen. Dabei hatte er zunächst vor allem mit dem Schiffsverkehr im Hafen zu kämpfen, der das Queren für den Abenteurer schwierig und gefährlich gemacht hat. „Jetzt ist erstmal ein paar Tage Unwetter angesagt. Die Bora kommt wohl vom Festland rüber, dann wird es kalt und ungemütlich und vor allem windig, mit starken Wellen.“ Die unwägbaren Bedingungen wirken sich auch auf die Planung aus. „Es ist schwer zu sagen, wie es weitergeht, weil ich in eine Jahreszeit reinkomme, in der ich aufgrund von Unwettern auch mal längere Zeit an Land bleiben muss“, so Deichmann. „Aber irgendwann im November bin ich in Dubrovnik.“

Trotz aller Hindernisse ist Jonas Deichmann bei seinem Triathlon rund um die Welt schon früh auf dem Weg zu einem neuen Rekord: „Ich schwimme ohne Begleitboot und habe jetzt erfahren, dass ich erste der Zweite bin, der eine größere Strecke unsupported absolviert. Sean Conway hält mit 200 Kilometern den aktuellen Rekord. Den werde ich bald brechen – ich kann allerdings auch verstehen, warum das keiner macht.“

Jonas Deichmann berichtet auf tri-mag.de regelmäßig in Tagebuchform von seinem Triathlon rund um die Welt. Weitere Informationen zu seinen bisherigen Abenteuern sowie ein Livetracker zu seinem Triathlon rund um die Welt finden sich auf seiner Website jonasdeichmann.com.

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4 Kommentare

  1. Das ist ja echt der Wahnsinn , Gratulation. Respekt vor dieser Leistung und deinem Mut. Schwimmen im offenen Meer zu dieser Jahreszeit erfordert Ausdauer und Können und natürlich extrem großen Durchhaltewillen. Versuche beim Schwimmen zu meditieren, denke dir, du wärst ein Delphin. Ganz viel Glück noch auf deiner fantastischen „Reise“.

  2. Unglaublich sich da noch jeden Tag zu motivieren! Als Ausdauersportler weiß ich wie es ist sich schon zu normalen Training immer wieder zu motivieren.
    Was du tust ist aber ein ganz anderes Level, was einen nur staunen lässt!
    Ich wünsche viel Kraft, günstiges Wetter und … alles Gute!

  3. Ich habe Respekt vor diesem Non-Supported-Challenge, allein wegen der nicht planbaren Risiken.
    Dennoch hat es für mich eher den Charakter einer Survival-Tour anstatt sportlichen Wert – falls es darum überhaupt gehen soll.
    Ist man ein besserer Triathlet, wenn man den „endlosen“ Atem hat, nie rastlos ist und immer es immer noch mehr Kilometer sein müssen oder wenn man sich mit den offiziellen Distanzen zufrieden gibt und stattdessen dort die PB verbessert?

    • Jonas sagte ja schon im Podcast-Interview, dass er damit kein Höher, Schneller, Weiter in Gang bringen will und er eben durch und durch Abenteurer ist. Und wenn er schon meint, dass es ihm um die Erfahrung geht und egal ist, ob er jetzt in 12 oder 14 Monaten durch ist, spricht das meiner Meinung nach Bände.

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Bengt Lüdke
Bengt Lüdke
Bengt-Jendrik Lüdke ist Redakteur bei triathlon. Der Sportwissenschaftler volontierte nach seinem Studium bei einem der größten Verlage in Norddeutschland und arbeitete dort vor seinem Wechsel zu spomedis elf Jahre im Sportressort. In seiner Freizeit trifft man ihn in Laufschuhen an der Alster, auf dem Rad an der Elbe – oder sogar manchmal im Schwimmbecken.

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