Dienstag, 23. April 2024

Jonas Deichmann voll auf Kurs Wladiwostok: „Eine geile Woche“

Was für eine Trendwende. Die guten Nachrichten bei Jonas Deichmann reißen derzeit nicht ab. Erst legte der 34-Jährige in der vergangenen Woche an mehreren Tagen gleich mehr als 200 Kilometer zurück, passierte am gestrigen Freitagabend das erste Hinweisschild, auf dem Wladiwostok stand, und dann folgte auch noch ein positives Zeichen auf politischer Ebene: Der ganz große Zeitdruck ist dem Abenteurer auf seinem Triathlon rund um die Welt genommen worden. „Mein Visum wurde verlängert“, erklärt Deichmann. „Als ‚Präsidiale Anordnung 274‘, so heißt das, habe ich jetzt bis zum 15. Juni Zeit, um nach Wladiwostok zu kommen, ich werde aber trotzdem Gas geben.“ Schließlich muss er noch die Pazifiküberquerung und die Einreise nach Amerika für die dritte Disziplin organisieren? „Ich habe die Hoffnung, dass die Überfahrt mit einem Boot klappt. Die Einreise in die USA wird nicht funktionieren. Ich hoffe noch auf Kanada, ansonsten wird es eben Mexiko.“

Deichmann erhält kein Visum für die USA

Für die Einreise in die USA erhält er nach einem Iran-Abstecher bei seiner Rekordfahrt Cape to Cape 2019 derzeit nicht das dafür notwendige ESTA-Visum. „Die Grenzen Kanadas sind derzeit aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen, es gibt aber Ausnahmen für Sportler und wichtige Reisende. Ich arbeite derzeit an einer Lösung und freue mich über jeden Kontakt, der vielleicht weiterhelfen kann“, betont Deichmann, der von Vancouver nach Halifax laufen würde. Die Einreise nach Mexiko dürfte derweil kein Problem darstellen, um schließlich von Tijuana nach Cancun zu laufen. Es ist die vermeintlich schlechteste Option. „Ich würde in der Hurrikan-Saison in der Karibik ankommen, daher wären die Chancen auf ein Segelboot, um über den Atlantik zu fahren, nahezu null.“

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Unkonventionelle Lösungen sind gefragt

Nach so vielen positiven Erlebnissen in den vergangenen sieben Tagen wollte sich Deichmann von dieser offenen Frage nicht herunterziehen lassen. Schließlich findet er (fast) immer eine Lösung. „Es war eine geile Woche, meine Lieblingswoche in Russland bisher“, fasste der Abenteurer zusammen. Am vergangenen Freitag befand er sich kurz von Krasnoyarsk, als er sich in der Dämmerung seinen Schlafplatz in der Wildnis suchte – und am nächsten Morgen nicht wiedererkannte. „Mein Zelt war unter tiefem Schnee begraben. Ich habe es erstmal ausgebuddelt und wollte losrollen. Doch ich hatte Probleme beim Schalten, die Pedale und meine Kette waren eingefroren.“ So musste Deichmann zu ungewohnten Maßnahmen greifen, um sein Fahrrad, liebevoll Esposa – Spanisch für Ehefrau – genannt, wieder fahrbereit zu machen. „Ich musste meine geliebte Esposa leider anpinkeln, um sie aufzutauen. Das hat wunderbar funktioniert – und sie wird es mir verzeihen.“

privat Vereist: Um das Rad wieder fahrtüchtig zu machen, muss Jonas Deichmann auch auf unkonventionelle Methoden zurückgreifen.

Der Abenteurer trifft auf alten Bekannten

Anschließend ging es durch tiefe Wälder. „Ein Winterwunderland. Überall Schnee und gutes Wetter.“ Die Strecke kannte Deichmann von seiner Eurasia-Challenge 2017. Er erinnerte sich an ein Restaurant in der Nähe von Krasnoyarsk, dessen Besitzer ihn damals bei Regen und Kälte zur Übernachtung in einen Schuppen mit Holzofen eingeladen hatte. „Ich habe nicht mehr ganz genau gewusst, wo sich das Restaurant befindet, als ich daran vorbeigefahren bin, habe ich es aber sofort erkannt, mit seinen Bögen unter dem Vordach. Ich bin rein, habe etwas bestellt und den Besitzer sofort erkannt. Dann habe ich ihm ein Foto von damals gezeigt und er konnte sich noch an mich erinnern. Er hat sich gefreut und mir noch Proviant mitgegeben. Die Menschen hier sind unglaublich gastfreundlich.“

privat Zwischenstopp in einem der typischen Läden, die am Straßenrand zu finden sind.

Deichmann muss in nasser Kleidung weiterfahren

Hinter der mit knapp einer Million Einwohner drittgrößten Stadt Sibiriens wurde die Landschaft noch wilder. „Der Verkehr ist weniger geworden, es macht richtig Spaß. Nonstop geht es hoch und runter, mit knackigen Anstiegen, da kommen ordentlich Höhenmeter zusammen. Ich fahre durch tiefe Wälder, der Abstand zwischen den Dörfern wird größer, es gibt viele Holzhäuser und am Wegesrand finden sich Straßenverkäufer, die Pilze und Beeren anbieten.“

privat Nachtlager im Schneetreiben: Bei Minusgraden zeltet Jonas Deichmann unter freiem Himmel. Seine Ausrüstung ist dafür ausgelegt.

Das Wetter war derweil wechselhaft. „Teilweise war es sonnig, knapp über null Grad, aber es gab auch Tage mit minus zehn Grad und Schneefall, der dann in Schneeregen übergegangen ist.“ Am Montag war solch ein Tag. Nach heftigem Regen kam abends zwar die Sonne heraus, aber es blieb kalt. „Ich habe gedacht, ich schaffe es noch in ein Hotel, aber es war zu weit und es wurde dunkel. Daher habe ich mein Zelt im Wald aufgeschlagen, meine Sachen waren nass und sind auch nicht getrocknet. So bin ich dann am nächsten Morgen bei minus 13 Grad zitternd aufgewacht, weil mir kalt war im Zelt. Meine Ausrüstung hält zwar bis minus 20 Grad, das funktioniert allerdings nicht, wenn die Sachen nass sind. Aber es nützt ja nichts: Ich musste in meine steifgefrorenen Radschuhe steigen. Danach wurde es besser, die Sonne kam raus und ich bin aufgetaut.“

privat Überraschung am Morgen: Zelt und Fahrrad sind von einer Schneeschicht bedeckt.

Noch 3.700 Kilometer bis nach Wladiwostok

Entschädigt wird der Abenteurer bei seinem Projekt mit unbezahlbaren Begegnungen mit Menschen und mit der unbeschreiblichen Landschaft. Nachdem er am Donnerstag bis Angarsk gekommen war, passierte er am gestrigen Freitag Irkutsk und legte eine wahre Königsetappe zurück. „Das waren 2.600 Höhenmeter, so viele habe ich seit dem Ural nicht mehr gehabt. Es ging hoch auf 1.000 Meter, wo viel Schnee lag. Dann ging es auf die Abfahrt, sieben Kilometer hinunter zum Baikalsee. Das war spektakulär, es geht um eine scharfe Kurve, dann hat man den See und eine kleine Ortschaft vor sich. Wunderschön. Ein Highlight, auf das ich mich seit langem gefreut habe“, betont Deichmann, der am Freitag auf einem Hinweisschild weiß auf blau las: „Wladiwostok 3.764 Kilometer.“ Beeindruckend: „In die andere Richtung stand Moskau 5.000 Kilometer. Das sind brutale Distanzen, wenn man das mit Deutschland vergleicht. Das Schild mit dem Namen Wladiwostok motiviert natürlich. Ich bin auf Kurs.“

privat Ein Highlight: Jonas Deichmann hat den Baikalsee erreicht.

Jonas Deichmann berichtet auf tri-mag.de regelmäßig von seinem Triathlon rund um die Welt. Weitere Informationen zu seinen bisherigen Abenteuern sowie ein Livetracker zu seinem Triathlon rund um die Welt finden sich auf seiner Website jonasdeichmann.com.

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Bengt Lüdke
Bengt Lüdke
Bengt-Jendrik Lüdke ist Redakteur bei triathlon. Der Sportwissenschaftler volontierte nach seinem Studium bei einem der größten Verlage in Norddeutschland und arbeitete dort vor seinem Wechsel zu spomedis elf Jahre im Sportressort. In seiner Freizeit trifft man ihn in Laufschuhen an der Alster, auf dem Rad an der Elbe – oder sogar manchmal im Schwimmbecken.

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