Donnerstag, 12. Dezember 2024

Gustav Iden gewinnt Ironman Hawaii in Rekordzeit vor Sam Laidlow und Kristian Blummenfelt

Als erster Triathlet aus Norwegen hat Gustav Iden den legendären Ironman auf Hawaii gewonnen. Der 26-Jährige setzte sich im schnellsten WM-Rennen der Geschichte in Kailua-Kona mit neuem Streckenrekord vor Sam Laidlow und Kristian Blummenfelt durch. Sebastian Kienle wurde als Sechster bester Deutscher.

Frank Wechsel / spomedis Der neue Ironman-Weltmeister: Gustav Iden aus Norwegen.

Die norwegischen Triathleten haben dem Ironman Hawaii 2022 wie erwartet ihren Stempel aufgedrückt und die seit 2014 andauernde Siegesserie deutscher Athleten beendet. Bei der ersten Austragung des legendären Rennens nach zwei Jahren Coronapause setzte sich Gustav Iden mit neuem Streckenrekord vor dem Franzosen Sam Laidlow und seinem Landsmann Kristian Blummenfelt durch. Iden benötigte 7:40:24 Stunden für die 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen. Damit war er fast elf Minuten schneller als der bisherige Streckenrekordhalter Jan Frodeno (7:51:13 Stunden im Jahr 2019). „Das war so hart“, sagte Iden im Zielinterview. „Auf den letzten zehn Kilometern hätte mich diese legendäre Insel fast gekillt. Kristian hätte eigentlich Zweiter werden sollen, deshalb glaube ich, dass wir noch einmal wiederkommen müssen.“ Während die deutschen Mitfavoriten Patrick Lange und Florian Angert auch aufgrund von Zeitstrafen keine Chance auf den Sieg hatten, zeigte Sebastian Kienle bei seinem letzten Hawaiirennen eine ganz starke Leistung. Der Ironman-Champion von 2014 wurde hinter Max Neumann und Joe Skipper als Sechster bester Deutscher.

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Angert schwimmt am schnellsten

Beim Schwimmen in der Bucht von Kailua-Kona war es noch Angert, der den anderen Topathleten die Pace diktierte. Nach dem traditionellen Kanonenschuss am frühen Morgen um 6:25 Uhr dauerte es nicht lange, bis sich der 30-Jährige an die vorderste Position geschwommen hatte. Als Erster einer großen Spitzengruppe erreichte er nach rund 23 Minuten das Schiff, welches traditionell den Wendepunkt der Schwimmstrecke markiert. Immer an Angerts Füßen: Sam Laidlow sowie fast 20 andere Profis darunter Iden und Blummenfelt. Auch auf dem Rückweg blieb die große Gruppe angeführt von Angert zusammen, nur einem Athleten gelang es irgendwann nicht mehr, das Tempo mitzugehen: Patrick Lange, Hawaiisieger von 2017 und 2018, kämpfte zunächst noch um den Anschluss und ließ sich dann, als er merkte, dass dies ein hoffnungsloses Unterfangen war, in die zweite Gruppe zurückfallen.

Frank Wechsel / spomedis Florian Angert ist „First out of the water“.

Schon wenige Hundert Meter vor dem Schwimmausstieg war klar, dass der Schwimmrekord von Jan Sibbersen (46:29 Minuten) weiter Bestand haben würde. Dennoch gelang Angert bei seinem Hawaii-Debüt in 48:15 Minuten ein starker Auftakt. Noch vor Laidlow führte er das Feld aus dem Wasser und hinein in die Wechselzone. Dort kam es aufgrund der Masse an Athleten, die fast zeitgleich aufs Rad wechseln wollte, zu kleineren Rangeleien. Rund 1:30 Minute später erreichte auch die zweite Gruppe T1. Darin die deutschen Profis Patrick Lange und Maurice Clavel sowie der dänische Roth-Sieger und Mitfavorit auf die Hawaii-Krone Magnus Ditlev. Andreas Dreitz und Sebastian Kienle stiegen 3:23 Minuten beziehungsweise 4:42 Minuten nach Angert aus dem Pazifik, dabei hatte vor allem Kienle mit Cameron Wurf und Lionel Sanders prominente Begleiter.

„5 Minuten für nichts!“

Kaum auf dem Rad war es erneut Laidlow, der das Heft des Handelns in die Hand nahm. Zusammen mit dem Australier Max Neumann fuhr der Franzose auf den ersten 15 Kilometern fast eine Minute Vorsprung heraus. Dahinter machte Ditlev seinen Schwimmrückstand schnell wett und fuhr bald zusammen mit Angert, Blummenfelt und Iden in der ersten Verfolgergruppe. Und die Radrakete aus Dänemark drückte weiter aufs Tempo. Im Alleingang fuhr er bis Kilometer 80 an die beiden Spitzenreiter heran. Beim Wendepunkt in Hawi waren allerdings auch Iden und Blummenfelt schon wieder dran. Ganz bitter: Florian Angert büßte seinen aussichtsreichen Platz in der ersten Gruppe durch eine umstrittene Fünf-Minuten-Zeitstrafe ein. Der Erdinger-Athlet war bei einem Überholmanöver an Clement Mignon vorbeigezogen und hatte sich zwischen Jesper Svensson und Mignon gesetzt. Auf den TV-Bildern sah die Lücke groß genug für dieses Manöver aus, doch die Schiedsrichter entschieden anders. In der Penalty Box sagte Angert in die Fernsehkamera: „Ich verstehe das nicht. Man darf in die Lücke fahren, wenn genug Platz ist. Das ist so bitter.“

Wenig später erreichte die deutschen Triathlon-Fans die nächste Hiobsbotschaft, denn auch Patrick Lange bekam fünf Minuten für angebliches Drafting aufgebrummt. Verstehen konnte er das nicht, „Fünf Minuten für nichts“, rief er wütend seinem Trainer Björn Geesmann am Straßenrand zu. TV-Bilder von der Szene gibt es nicht. Erst am Donnerstag hatte es im Frauenrennen zahlreiche Zeitstrafen gegeben. Diesmal traf es von den vorn fahrenden Profis neben Angert und Lange auch Clement Mignon, Kristian Hogenhaug und später Magnus Ditlev.

Laidlow zündet den Turbo auf dem Rückweg nach Kailua-Kona

Zurück zum Rennen, in dem Sam Laidlow auf dem Rückweg nach Kailua-Kona wie entfesselt in die Pedale trat. Minute um Minute brachte der 23-Jährige zwischen sich und eine Vierergruppe mit Blummenfelt, Iden, Neumann und Ditlev. Wenige Minuten dahinter fuhren Wurf und Kienle erst in die Top Ten und sammelten dann immer mehr Athleten darunter Kyle Smith, Tim O’Donnell und Jesper Svensson ein. Auch Andreas Dreitz und Maurice Clavel hielten sich lange in dieser Gruppe, mussten dann aber abreißen lassen. Angert arbeitete sich nach seiner Zwangspause von Platz 30 wieder unter die besten 20 vor, während Lange durch seine Strafe noch hinter Lionel Sanders zurückfiel. Der kanadische WM-Zweite von St. George erwischte diesmal keinen guten Tag.

Den hatte dagegen Laidlow, der schon nach unglaublichen 4:04:36 Stunden im Sattel die zweite Wechselzone erreichte. Mit dieser Fabelzeit unterbot er den bisherigen Radrekord für die 180,2 Kilometer von Cameron Wurf um sage und schreibe fünf Minuten. Exakt 6:15 Minuten später sprangen auch Iden, Blummenfelt und Neumann von ihren Rennboliden und machten sich auf die Verfolgung des Spitzenreiters. Die kleine Wurf-Gruppe mit Sebastian Kienle überholte kurz vor Kailua-Kona noch den im Penalty-Zelt wartenden Magnus Ditlev und fuhr rund neun Minuten nach Laidlow die Palani Road hinunter in die Wechselzone.

Mit Marathonrekord zum Streckenrekord

Wer nun dachte, die beiden Norweger würden kurzen Prozess machen und den Rückstand auf Laidlow schon auf den ersten Kilometern pulverisieren, sah sich bald eines Besseren belehrt. Denn Laidlow dachte gar nicht daran, sich so einfach einholen zu lassen. Zwar schmolz sein Vorsprung bei nahezu jeder Zwischenzeit, jedoch immer nur um einige Sekunden. Bis zum Halbmarathon machten Iden und Blummenfelt, die Neumann nach rund acht Kilometern abgeschüttelt hatten, lediglich die Hälfte ihrer Sechs-Minuten-Hypothek wett. Im gefürchteten Energy-Lab lagen sie immer noch rund zwei Minuten zurück und blickten genau auf ihre Uhren, als ihnen Laidlow an dieser Stelle entgegenkam.

Frank Wechsel / spomedis Nach dem Wechsel in die Laufschuhe machen sich Gustav Iden, Kristian Blummenfelt und Max Neumann (v. l.) auf die Verfolgung von Sam Laidlow.

Schließlich schien es Iden nicht mehr auszuhalten. Mit einer Tempoverschärfung schüttelte er seinen Trainingskollegen ab und lief bei Kilometer 35 zu Laidlow auf. Ein Klapps auf dessen Rücken, dann ein Handshake und die Sache war klar. Iden würde an diesem Tag keiner mehr einholen. Und nicht nur das: Der Bergener verbesserte in 2:36:15 Stunden auch noch Patrick Langes sechs Jahre alten Marathonrekord um dreieinhalb Minuten. Kurz vor dem Finish schnappte sich der amtierende Ironman-70.3-Weltmeister die norwegische Fahne und lief jubelnd und mit den Fans abklatschend durch den Zielbogen. Dahinter rettet Laidlow Platz zwei vor Blummenfelt und Neumann, der den Marathon in 2:40:14 Stunden lief und als Vierter ein überraschend starkes Hawaii-Debüt hinlegte.

Frank Wechsel / spomedis Sebastian Kienle wird bester Deutscher.

Und Kienle? Der unterbot bei seinem neunten und letzten Auftritt auf Big Island erstmals die Acht-Stunden-Marke. Nach einem starken Marathon, in dem er mehrere Rivalen überholte und lediglich Joe Skipper passieren lassen musste, lief der 38-Jährige nach 7:55:40 Stunden noch einmal als Sechster durchs Ziel. Patrick Lange machte beim Laufen ebenfalls Plätze gut und schaffte es als Zehnter noch in die Top Ten, Florian Angert wurde Zwölfter. Für Maurice Clavel reichten 8:15:25 Stunden noch zu Rang 23. Andreas Dreitz, der nach seinem Crash in St. George mit einer Wildcard startete, wurde 30.

Ironman-Weltmeisterschaft Hawaii 2022 | Profi-Männer

8. Oktober 2022 | Kailua-Kona (Hawaii/USA)
PlatzNameNationGesamtzeit3,8 km Swim180 km Bike42,195 km Run
1Gustav IdenNOR7:40:2448:234:11:062:36:15
2Sam LaidlowFRA7:42:2448:164:04:362:44:40
3Kristian BlummenfeltNOR7:43:2348:204:11:162:39:21
4Max NeumannAUS7:44:4448:254:11:302:40:14
5Joe SkipperGBR7:54:0552:554:11:112:45:26
6Sebastian KienleGER7:55:4052:584:09:112:48:45
7Léon ChevalierFRA7:55:5252:544:09:052:49:28
8Magnus DitlevDEN7:56:3849:494:13:382:48:11
9Clement MignonFRA7:56:5849:504:15:142:46:00
10Patrick LangeGER7:58:2049:424:21:522:41:59
12Florian AngertGER8:01:5348:154:17:582:50:29
23Maurice ClavelGER8:15:2549:444:19:503:00:49
30Andreas DreitzGER8:27:1551:384:15:293:13:32

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13 Kommentare

  1. Wahnsinn!
    Da läuft Sebi eine PB, die unter den 8h liegt und wird 6.
    Die neue Generation überrollt die „Alten“ geradezu.

    Allgemein: Im Anbetracht des HED Hinterrads stellt sich die Frage, ob man Scheiben nicht freigeben sollte.
    Sonst braucht jeder Athlet nur für Kona ein extra Hinterrad.

    Was passiert, wenn festgestellt wird, dass die Lücke bei Flo groß genug war?
    Ich denke sie war groß genug…

    Und:
    Gratulation an Gustav! Nach der 70.3 jetzt auch die Weltmeisterschaft in Kona. Einfach mega stark!

    Danke ans Team von TriMag für die klasse Berichterstattung!

  2. Wie will man denn nachträglich feststellen, wie groß die Lücke war. Gibt ja keine kalibrierten Aufnahmen davon oder so.
    Und selbst wenn, natürlich passiert da nix.

    Aber um auch mal dem Ironman-Bashing etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen, die suchen sich (glücklicherweise) die Kampfrichter nicht selber aus. Soweit geht es dann doch nicht..

    • Das stimmt nicht ganz. Man kann das schon abschätzen, weil man davon ausgehen kann, dass die Profis in der Reihe dahinter ziemlich exakt die 10m vom Hinterrad einhalten. Das ist natürlich nicht gerichtsverwertbar, aber ich finde es reicht, um zu sagen, ob die Lücke 2m größer ist als die anderen. Und wenn sie es ist, dann darf er prinzipiell einscheren.

      Unabhängig davon sind die Regeln nicht mehr zeitgemäß. Wenn ich bei der heutigen Dichte des Feldes zum Überholen an 15 Profis vorbei muss und der erste zufällig das Tempo verschärft, dann kann es passieren, dass ich zurückfalle und eine Strafe kassiere. Persönlich würde ich mir gerade bei so vielen starken Athleten mehr Dynamik wünschen und keine unendlichen langen Züge, die ich dann vier Stunden lang im TV sehe.

      Und beim Schwimmen stellt sich die Frage, ob das Drafting bei den Profis weiterhin erlaubt seien sollte. Das passt nicht zusammen mit drakonischen Strafen beim Radfahren für bestenfalls minimale Vergehen. Flo ist ja das beste Beispiel. Er zieht die anderen Schwimmer, fährt oft an der Spitze von Radgruppen und bekommt dann eine hohe, fragwürdige Zeitstrafe. Das verzerrt den Wettkampf.

    • Das kann im Video genauso wie Live vor Ort ziemlich einfach festgestellt werden, wobei die Live vor Ort Methode natürlich der größeren Schätzung unterliegt:
      Motorrad vom Kampfrichter fährt annährend gleiche Geschwindigkeit wie Radfahrer_1. Wenn dieser (bestmöglich mit Schatten) einen gut fixierbaren Punkt am Boden (bestmöglich eine abgesetzte Markierung) überquert, zählst du die Zeit bis Radfahrer_2 diese überquert. Dann musst du nur noch wissen, wie viel die aktuellen km/h des Motorrads in m/s sind.
      Andersherum: Die fahren parallel, gucken km/h ihres Motorrads, und wissen dann: die Diff Radfahrer_1 zu _2 muss über x,y Sekunden liegen.

      Ich fand es vom ZDF ziemlich unprofessionel, das nicht einmal selber zu checken, sondern anhand von perspektivisch-unaussagekräftigen Fernsehbildern einfach in Aussicht zu stellen, die Abstände seien in Ordnung, und somit einfach nur die emotional hochgekochten Einschätzungen der Trainer/ Athleten zu übernehmen.
      Das sieht man doch beim Laufen super, da sieht der Abstand von der seite-hinten Perspektive vom Motorrad, aus der Vogel-Perspesktive vom Heli plötzlich ganz anders aus.

      Such dir mal ein paar Szenen raus und probier es zunächst selbst im Kopf, und dann mach es mal mit time-stamps im Video. Du wirst sehen, dass man sowas erstaunlich präzise selbst im Kopf kann.

      Die Autobahnpolizei macht am Rechner in der Auswertung auch nichts anderes.

  3. War ein unfassbar spannendes Rennen. Zuletzt habe ich 2017 so mitgefiebert, als Lange Sanders auf den letzten 5 Kilometern noch abgefangen hatte.

    Die Strafen waren sicherlich gerechtfertigt und hätten generell wahrscheinlich noch mehr treffen müssen. Vielleicht animiert das die Sportler in Zukunft sich nicht mehr in 20er Gruppen heimisch zu machen sondern mal mehr auf eigene Faust zu fahren, um auch der Gefahr aus dem Weg zu gehen. So wie es eben Laidlow gestern gezeigt hat. Nur so hat man auch die Chance das Rennen zu gewinnen anstatt einen „sicheren“ 10 Platz mitzunehmen, nachdem man einige „Überläufer“ in die zweite Wechselzone mitgebracht hat.

    Lars Wichert hat auch ein bärenstarkes Rennen abgeliefert und einen tollen 18. Platz ins Ziel gerettet. Kann wie Simon Müller ganz stolz auf seine Leistung sein. Generell waren ihre Leistungen mit knapp über 9 Stunden auf Hawaii herausragend.

  4. Unabhängig davon ob hier Regelverstöße vorlagen oder nicht: Drastische Strafen, die sich derart auf das Ergebnis auswirken, müssen im Bereich des professionellen Leistungssports objektivierbar, überprüfbar und transparent sein, ansonsten sind sie inakzeptabel und erwecken den Eindruck der Willkür. An anderer Stelle wurde hierfür zu Recht der Begriff „kafkaesk“ ins Spiel gebracht. Man stelle sich etwa vor, man erhält ein Fahrverbot, mit der Begründung, ein Polizist habe gesehen, man sei zu schnell gefahren, ohne dass jedoch mitgeteilt wird, wo die angebliche Geschwindigkeitsübertretung erfolgt ist und wie hoch die Geschwindigkeit gewesen sein soll und wie deren Feststellung erfolgt ist. Wer von uns würde ein solches Vorgehen für akzeptabel halten.

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Peter Jacob
Peter Jacob
Abitur, Studium der Sportwissenschaft und Volontariat bei dpa änderten nichts daran, dass Peter eines blieb: Ausdauersportler mit Leidenschaft. Auch wenn der Hamburger heute öfter die Laufschuhe schnürt, sind die Stärken des ehemaligen Leistungsschwimmers klar verteilt. Man munkelt, die Sportart Swimrun sei nur für ihn erfunden worden.

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