Mittwoch, 24. April 2024

Aquajogging sinnvoll ins Training integrieren

Fotovampir | Dreamstime.com

Fröhliche Seniorinnen, die mit geblümten Badekappen lachend und plaudernd durchs Wasser laufen, der Kopf dabei immer über Wasser. Das ist das Bild, das in vielen Köpfen auftaucht, wenn der Begriff Aquajogging fällt. Dabei ist Aquajogging ein hocheffektives Training, das ursprünglich entwickelt wurde, um Spitzensportlern einen schnellen Genesungsprozess nach Verletzungen zu ermöglichen. US-Marine und Leichtathletiktrainer Glenn McWaters kam 1970 mit einer Fußgelenksverletzung aus dem Vietnamkrieg zurück und begann ein Rehabilitationstraining im Wasser. Als ihm die Genesung zu lange dauerte, entwickelte er die sogenannte WetVest, eine Neoprenweste, die es ihm ermöglichte, sein Lauftraining im Wasser zu absolvieren, ohne den Boden zu berühren und so seine verletzten Gelenke zu schonen. Mit der Zeit wurden die Methoden von ­McWaters weiterentwickelt und der heute bekannte Aquajogging-Gürtel setzte sich gegen die VetWest durch. Das Prinzip ist aber immer noch das gleiche.

Schonung für Bänder, Sehnen und Gelenke

Die Dichte von Wasser ist 800-mal höher als die von Luft. Alle Bewegungen müssen deswegen gegen einen viel höheren Widerstand ausgeführt werden. Spätestens beim Versuch, im Wasser zu laufen, merkt man, wie viel anstrengender sich jede Bewegung anfühlt als an Land. Und Wasser bietet einen weiteren Vorteil: Durch seine physikalischen Eigenschaften kann jeder Mensch in seinen individuellen Belastungszonen trainieren. „Auftrieb, Widerstand, Temperatur und Druck sind hier die entscheidenden Hinweise. Jeder Mensch ist in der Lage, diese individuell für sich zu nutzen und somit einen idealen Trainingseffekt zu erzielen“, sagt Gabi Kluczka, Aquasport-Referentin vom Schwimmverband Nordrhein-Westfalen. Mit einem ausgereiften Trainingsplan kann Aquajogging dabei helfen, sowohl die Körperhaltung als auch die Leistung deutlich zu verbessern.

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Da man beim Aquajogging, anders als beim klassischen Laufen, keinen Bodenkontakt hat, werden Gelenke, Bänder und Sehnen geschont. Deswegen ist Aquajogging für viele Athletinnen und Athleten schon längst zu ­einer Alternative im Verletzungsfall geworden. Durch den Auftrieb des Wassers wirkt der Körper nahezu schwerelos, Bewegungen, die an Land noch mit Schmerzen verbunden sind, fühlen sich plötzlich schmerzfrei an und werden problemlos möglich.

Aquajogging hat aber noch einen weiteren Vorteil: Durch den Wasserdruck, der von außen auf den Körper wirkt, verengen sich die venösen Gefäße. Das Herz muss nun kräftiger schlagen, um die gleiche Menge Blut durch die verengten Venen zu leiten. Man trainiert also das Herz-Kreislauf-System direkt mit. Das Wasser hat durch seinen Druck den gleichen Effekt wie Kompressionsstrümpfe: Einen Meter unter der Wasseroberfläche beträgt der Druck des ­Wassers auf den Körper etwa 80 mm Quecksilbersäule/106,7 bar. Das ist mehr als bei Kompressionsstrümpfen der höchsten Kom­pressionsklasse. Im Gegensatz zu den Strümpfen ist der Wasserdruck aber nicht spürbar und fühlt sich deswegen nicht unangenehm an.

Arbeit nach unten statt nach oben

Anders als beim klischeebehafteten Seniorensport schnallt man sich beim Aquajogging den Gürtel nicht um, um mit weniger Anstrengung durchs Wasser zu kommen. Zwar bietet der Gürtel Auftrieb und eignet sich damit besonders für Anfänger oder ängstliche Personen, er sorgt aber auch für die richtige Position im Wasser. Wichtig ist, dass der Gürtel nicht zu dick ist. Er darf einen nicht daran hindern, die Arme eng an den Körper anzulegen. Achte beim Kauf darauf, den richtigen Gürtel für deine Gewichtsklasse zu wählen. Bietet der Gürtel zu viel Auftrieb, hindert dich das an effektivem Training, bei zu wenig Auftrieb musst du mehr arbeiten, was gerade für Anfänger ein Hindernis darstellen kann. Genauso wie beim Laufen ist die Grundposition beim Aquajogging aufrecht. „An dieser Stelle ist es wichtig, dass erfahrene Übungsleiter parat stehen, um nicht nur den Gürtel korrekt anzulegen, sondern auch um die korrekte Haltung und Ausführung der Fortbewegung zu erklären. Denn das Laufen im Wasser ist tatsächlich komplizierter als gedacht“, erklärt Kluczka. Je weiter man sich nach vorn lehnt, desto mehr fällt man aus der Aquajoggingposition in eine Schwimmposition. Liegt man komplett auf dem Bauch, gleicht das Aquajogging eher Schwimmen mit einer Schwimmhilfe – und wird schnell zu dem, was man in dieser Trainingssituation nicht machen will. Klappt die Grundhaltung problemlos, gibt es viele weitere Trainingsgeräte, mit denen man die Aquajogging-­Einheiten abwechslungsreich und intensiver gestalten kann. Nicht alle Geräte unterstützen mit Auftriebskraft, auch Hanteln können und dürfen im Wasser eingesetzt werden.

Fortgeschrittene Aquajogger können auch ganz auf die Unterstützung des Gürtels verzichten. Dann ist neben der korrekten Bewegungsausführung vor allem Körperspannung gefragt, schließlich muss jetzt deutlich mehr gearbeitet werden, um den Körper oben zu halten. Wichtig ist jedoch immer, dass die Bewegungen beim Aquajogging, anders als beim Laufen an Land, nach unten gerichtet sind. An Land zieht die Schwerkraft den Körper bei jeder Bewegung nach unten, durch das Abdrücken vom Boden arbeitet man dagegen. Im Wasser ist es genau umgekehrt. Der Auftrieb des Wassers, möglicherweise verbunden mit schwimmenden Hilfsmitteln, drückt einen nach oben. Die Aufgabe ist es also, nach unten gegen den Auftrieb zu arbeiten. Im Prinzip lassen sich fast alle Trainingskonzepte vom Land ins Wasser übertragen. Da der Gürtel für den nötigen Auftrieb sorgt, funktionieren Übungen im Stehen wie Gleichgewichtsübungen oder Krafttraining genauso gut wie Ausdauer- und Intervallläufe. Allerdings sollte man beachten, dass man im Wasser deutlich lang­samer unterwegs ist. Deswegen sollten Intervalle lieber auf Zeiten statt auf Meter ausgelegt werden.

Mehr als Seniorensport

Auch wenn Aquajogging sich nicht so anstrengend wie das Laufen an Land anfühlt, ist es äußerst effektiv. Durch den Wasserdruck auf den Körper ist der Puls bei gleicher Belastung zehn bis zwölf Schläge langsamer als an Land, im Wasser macht sich die Erschöpfung oft gar nicht bemerkbar. Erst später merkt man, was man geleistet hat. Trainiert wird beim Aquajogging außerdem der ganze Körper. Vortrieb im Wasser erzeugt man nicht nur durch die Beinbewegung, sondern auch mit den Armen. Zudem ist durch den Wasser­widerstand auch Körperspannung gefragt. Je nachdem, was trainiert werden soll, bietet Aquajogging viele Möglichkeiten. Auf Basis des klassischen Laufens mit Gürtel kann man das Training mit Schwimmnudel, Aqua-Boxhandschuhen, Scheiben mit Auftrieb und vielen weiteren Hilfsmitteln anreichern und so zusätzlich auch noch die Kraft in den Armen trainieren. Und auch der klassische Gürtel selbst bietet viele verschiedene Einsatzmöglichkeiten: Dreht man ihn um, sodass der Verschluss am Rücken anstatt am Bauch ist, trainiert man die Rumpfmuskulatur schon anders. Zudem kann man den Gürtel nutzen, um sich daraufzustellen und Gleichgewichtsübungen zu machen.

Wer einmal beim Aquajogging reinschnuppern möchte, kann das meistens in einem angeleiteten Kurs tun, die in vielen Schwimmbädern angeboten werden. Allerdings sollte man sich dabei immer wieder vor Augen führen, dass diese Kurse für den allgemeinen Schwimmbadbesucher ausgelegt sind und meist nicht den besonderen Ansprüchen von ambitionierten Athleten genügen. Um überhaupt ein Gefühl für die neue Sportart zu bekommen, reicht das aber allemal aus. Später lässt sich dann mit allerhand Hilfsmitteln ein eigenes Trainingsprogramm gestalten. Man sieht also: Was von außen vielleicht so aussieht wie eine gemächliche Bewegung für Senioren, die bloß keine nassen Haare bekommen wollen, ist in Wahrheit eine unterschätzte Trainingsmethode. Sie kann und sollte nicht nur im Verletzungsfall in den Trainingsplan aufgenommen werden, sondern stellt auch eine mögliche Alternative dar. Unser Tipp: Probiere es aus!

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Jule Radeck
Jule Radeck
Jule Radeck studierte Sportwissenschaften, bevor sie als Volontärin bei spomedis nach Hamburg zog. In ihrer Freizeit findet man sie oft im Schwimmbecken, manchmal auf dem Fahrrad und immer öfter beim Laufen, denn inzwischen startet sie in einem Liga-Team im Triathlon.

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