Ob Radprofi oder Triathlet, beide haben den gleichen Widersacher auf dem Weg an die Spitze: den Wind von vorn. Um diesem ein Schnippchen zu schlagen, setzen beide seit über dreißig Jahren auf die gleichen Verbündeten, nämlich Aero-Lenker & Co. Legendär und eine Art Initialzündung im Hinblick auf den Techniktransfer von einer Sportart zur anderen war 1989 der Sieg von Greg Lemond bei der Tour de France. Er siegte nach drei Wochen Renndauer mit einem Vorsprung von nur Sekunden vor Laurent Fignon, weil er im Abschlusszeitfahren einen Lenker benutzte, der bis zu diesem Zeitpunkt nur von Triathleten verwendet wurde. Und das waren für die Radsportler früher die Exoten, die in pinkfarbenen Badehosen auf dem Rad saßen.
In der Zwischenzeit hat sich eine ganz neue Fahrradgattung etabliert, bei der es in erster Linie um die bessere Aerodynamik geht. Je nachdem, wer darauf sitzt und wo dieses Rad eingesetzt wird, nennt sich das dann Zeitfahr- oder eben Triathlonrad. Im Folgenden ist hier immer die Rede von der TT- (das rote Modell) bzw. Triathlon-Variante (das schwarze Modell). Wesentlich für eine ganze Reihe von Unterschieden: Während die TT-Variante den Bestimmungen des Radsportweltverbands UCI unterliegt – zu erkennen am Sticker am Sitzrohr – hat die Triathlon-Variante viel mehr Möglichkeiten, aber auch Anforderungen.
Wer darf und braucht was?
Grob geht es bei der UCI um die Dimensionierungen von Rahmen- und Rohrformen, Richtlinien wie Sattel- und Lenkerposition sowie deren Neigungswinkel und das Verbot solcher Triathlon-relevanten Anbauteile wie Trinksystem, Oberrohrbox und diverser Flaschenhalter. Ein gutes Beispiel und oft diskutiert ob des Sinns und der Auslegung: Die Sattelspitze muss laut UCI mindestens fünf Zentimeter hintern dem Tretlagerlot sein. Der am weitesten entfernte Punkt der Extensions, also meist die Schalthebel, dürfen je nach Körpergröße nur 75, 80 oder 85 Zentimeter vor diesem liegen. Das Ziel dieser Regel war es in den Neunzigern mal, extreme Auswüchse wie Superman-Positionen und zu exotische Rahmendesigns zu unterbinden und Fahrräder weiter wie Fahrräder aussehen zu lassen.
Für den Einsatz im Triathlon ist es hingegen wichtig, dass man sich auf dem Rad verpflegen muss, um danach noch das Laufen zu überstehen. Der Zeitfahrer trinkt unterwegs höchstens einen Schluck und wenn er alles richtig gemacht hat, dann geht nach dem Zeitfahren erst mal gar nichts mehr. Zudem muss der Triathlet auch für Pannen unterwegs gewappnet sein, der Profizeitfahrer mit Teamsupport nicht. Deshalb kommt den Bereichen „Storage“ und „Hydration“ beim Triathlon so viel mehr Bedeutung zu.
Im Detail betrachtet
Die Basis ist immer das Rahmenset. Hierzu zählt man neben dem Rahmen die Gabel, die Sattelstütze, den Lenker und solche Spezialteile wie Steuersatz, Bremsen und modellspezifische Kleinteile wie Abdeckungen und Spacer. Je hochpreisiger das Rad, desto mehr Spezialteile gibt es oft. Und beim Speedmax geht es genau hier los mit den Unterschieden. Während sich wegen der UCI der Basislenker einem maximal erreichbarem Verhältnis von Länge zu Breite (hier: Tiefe zu Höhe) von 3:1 unterwerfen muss, ist das beim Triathlon-Modell nicht der Fall. Hier ist der Lenker flächiger und dadurch mutmaßlich auch aerodynamischer. Zudem ist das Cockpit für die Aufnahme einer integrierten Trinkflasche und einer Box ausgelegt. Die Folge: ein stimmiges und funktionales Gesamtbild, aber auch der Grund für den fehlenden UCI-Sticker bei der Triathlon-Variante.
Die Lenkervarianten im Vergleich
Ein weiterer Unterschied und primär der durch die Regeln begrenzten Sitzposition geschuldet: die unterschiedlichen Sattelstützen. Ist das Modell für den Triathlon deutlich nach vorn gebogen, hat die TT-Variante Versatz nach hinten. Tendenziell wird der Triathlet weiter vorn sitzen, mit dem Becken deutlich weiter um den Fixpunkt Tretlager rotiert und damit mit den Armen auch tiefer und länger nach vorn im Cockpit ruhend. Der Zeitfahrer ist in dieser Hinsicht limitiert auf einen Bereich zwischen 75 und 85 Zentimetern vor dem Tretlager. Interessant: Das gezeigte TT-Modell stammt vom letztjährigen Katusha-Alpecin-Profi Reto Hollentstein, der 197 Zentimeter groß ist. Obwohl er damit bei 85 Zentimetern sitzen dürfte, hat er nur die 80 ausgereizt, zu erkennen an den weißen Markierungen an den Extensions. Zudem sitzt er extrem weit hinten. Laut Andreas Walzer, bei Canyon für die Betreuung der Profiteams zuständig, ist Hollentstein aber wegen seiner Größe und seines extrem langen Oberkörpers auch ein extremes Beispiel.
Der Sattelversatz im Vergleich
Ebenfalls interessant: Bei recht vielen Radprofis sind immer noch eher klassische Sattelmodelle verbreitet, wie hier das Modell von Selle Italia. Anders als im Triathlon, wo sich Sättel mit geteilter Nase und Entlastungskanal in der Mitte durchgesetzt haben. Am TT-Modell findet sich bei unserem Beispiel solch ein Sattel, der in ähnlicher Form an Triathlonrädern vor Jahren zuletzt spezifiziert wurde. Hierbei muss man allerdings auch im Blick behalten, wie viele Kilometer im Jahr ein Radprofi auf dem Rennrad mit normalem Sattel und dem Zeitfahrrad mit Spezialsattel trainiert und Rennen fährt.
Die Flüssigkeitsversorgung
Der augenscheinlichste Unterschied zwischen den beiden Rädern: Bei der Speedmax-Variante für den Einsatz im Triathlon findet sich nicht nur ein komplett integriertes Trinksystem samt Trinkschlauch im Cockpit, sondern auch eine Aufnahme für Flaschenhalter hinter dem Sattel, wo maximal zwei große Trinkflaschen transportiert werden können. Beides ist am UCI-konformen Zeitfahrrad nicht erlaubt. Hier wird sich deshalb (wenn überhaupt) einer Aero-Flasche im Rahmendreieck bedient, wie es sich aus aerodynamischen Gründen auch im Triathlon etabliert hat. Runde Flaschen, die man als Triathlet weltweit angereicht bekommt, sind an dieser Stelle hinsichtlich der Aerodynamik äußerst schlecht und sollten nicht im Rahmendreieck platziert werden.
Ein weiterer Unterschied fällt bei der Bereifung auf. Während sich im Triathlon aus Gründen des Rollwiderstands sowie der besseren Handhabung im Pannenfall Tubetype- oder Tubeless-Reifen durchgesetzt haben, setzen viele Radprofis immer noch auf Reifen mit eingenähten Schläuchen, sogenannte Schlauchreifen oder „Tubulars“. Ihre Montage auf Spezialfelgen ist recht aufwendig, aber sie bieten eine gewisse Notlaufeigenschaft bei Luftverlust, da sie fest mit der Felge verklebt sind. Man kann damit nämlich auch auf dem platten Reifen weiterfahren, bis Ersatz vom Teamfahrzeug kommt. Und das gibt es im Triathlon ja nicht.
Ein weiterer Grund für Schlauchreifen im Profiradsport ist die Tradition. Was man schon seit Generationen von Fahrern – und oft noch wichtiger – Mechanikern so gemacht hat, das wird ungern von einem Tag auf den nächsten geändert. Interessant: Wenn es um Fortschritte im Materialbereich geht, werfen die Radprofis und spezielle Performance-Manager seit Jahren aber ein Auge auf das, was sich im Triathlon durchgesetzt hat. So setzen sukzessive immer mehr Teams auch auf Faltreifen mit oder ohne Tubeless-Technologie, zumindest im Zeitfahren und auch flächendeckender als vor ein paar Jahren, wo solche Neuerungen einigen Top-Fahrern, etwa Tony Martin, vorbehalten waren.
Walzer hierzu: „Der Straßenradsport tat sich lange schwer mit Neuerungen. Auch durch die Erfahrungen aus dem Triathlon und einem ersten Transfer auf die Zeitfahrspezialisten erfolgt hier aber in den letzten Jahren ein Umdenken.“
Kostenfaktor Komponenten
Der Unterschied zwischen einem ganzen Team und dem Einzelathleten macht sich dann auch bei der Wahl der Laufräder und der meisten anderen Komponenten bemerkbar. Hier geht es nämlich neben den Sponsorenverpflichtungen auch immer um recht hohe Stückzahlen. Ob nun ein einziger Profitriathlet oder 80 bis 100 Zeitfahrräder eines einzigen Teams mit neuen Laufrädern ausgestattet werden müssen, macht einen gewaltigen Unterschied und stellt die Logistik der Teams sowie Materialsponsoren vor Herausforderungen.
Dass es beim Zeitfahren um Sekunden und selbst marginale Einsparungen geht – im ambitionierten Triathlon über die Langstrecke dann hochgerechnet um Minuten – sieht man an der Wahl des Antriebs mit nur einem Kettenblatt sowie einer Scheibe als hinteres Laufrad beim TT-Modell. Beides bringt zwar minimal etwas an aerodynamischem Vorteil, schränkt aber auch in den Möglichkeiten ein. Wer gesponsert wird, der hat im Zweifelsfall je nach Kurs auch Alternativen. Wer nur ein Rad, eine Kurbel oder einen Laufradsatz besitzt, der sollte hier auf die minimal bessere Aerodynamik zugunsten eines universellen Einsatzbereiches verzichten. Und das wir die meisten Triathleten betreffen. Beim unserem Triathlonmodell ist das dann der 80-mm-Laufradsatz sowie eine Schaltung mit Umwerfer und zwei Kettenblättern.
Fazit
Bis auf ein paar Details liegen Zeitfahrer und Triathleten gar nicht so weit auseinander, mal abgesehen von den deutlich über 50 km/h liegenden Stundenmitteln, mit denen die Radprofis über die Strecke fahren. Die meisten Radhersteller, die ihre Modelle an gesponserte Profiteams geben und das Geld mit zahlenden Triathleten verdienen, begegnen dieser Tatsache mittels Modifikationen, die schnell vorgenommen sind. Das spart Entwicklungskosten und hält flexibel. Für den Triathleten, der sich sein Material selbst kaufen muss, kann das aber auch Vorteile haben: Schließlich kann er auf den neuesten Stand der Technik setzten – vorausgesetzt das Haushaltsbudget macht es mit.