Als vor 75 Jahren, am 24. August 1950 Gordon Wayne Haller in Oregon (USA), das Licht der Welt erblickte, konnte niemand ahnen, dass er unzertrennlich mit dem Mythos Hawaii und dem Begriff Ironman verbunden sein wird.
Am 18. Februar 1978 standen 15 Männer in Badehosen und Trainingsanzügen am Strand von Waikiki zusammen. Niemand wusste genau, was gleich passieren würde. Vor ihnen lag ein Experiment: Sie sollten jeder für sich in einem Wettkampf 3,86 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer Rad fahren und einen Marathon bewältigen – am Stück. „Wer zuerst ankommt, ist ein Ironman“, hatte John Collins gesagt.
Unter ihnen war ein unscheinbarer Mann mit Brille und Vollbart, Taxifahrer auf der hawaiianischen Insel Oahu, mit einem Physikabschluss in der Tasche und einer Leidenschaft für lange Läufe. Gordon Haller, so sein Name, sollte an diesem Tag Geschichte schreiben.
Ein Leben zwischen Navy, Taxi und Training
Haller war schon immer ein Mann der Bewegung. In der Navy lernte er Disziplin, auf Hawaii suchte er seinen Lebensstil. Er fuhr Taxi, programmierte nebenbei Computer und nutzte jede freie Stunde für Sport. Seine Trainingseinheiten klangen nach Wahnsinn, hatten aber Methode: montags ein Lauf über 16 Kilometer, 160 Kilometer Radfahren und 3.000 Meter Schwimmen – und mittwochs wiederholte er das Ganze. Weshalb sollte er dann nicht am ersten Ironman teilnehmen? „Das war einfach mein Spaß“, erinnerte er sich später. Kein GPS, kein Herzfrequenzmesser – nur Landkarten und Körpergefühl.
Das verrückteste Rennen der Welt
Als der Startschuss am Sans Souci Beach von Honolulu fiel, lag der Favorit John Dunbar bald 20 Minuten vor Haller. Dunbar, austrainierter Navy-Offizier, schwamm wie eine Maschine. Haller dagegen kämpfte sich eher gemächlich durch die Bucht, begleitet von einem elfjährigen Nachbarsjungen auf dem Surfbrett.
Nach einer Dusche und einem gemütlichen Umziehen stieg Haller aufs Rad. Auch das war typisch für die Anfänge: keine Wechselzone, keine Hektik. 6:56 Stunden saß er im Sattel, wechselte sogar das Rad, weil die Gänge seines Rennrads für die Steigungen ungeeignet waren. „Mit meinem Tourenrad habe ich in der Abfahrt ordentlich Zeit gutgemacht“, erinnert er sich. Beim zweiten Wechsel ging es zur Abkühlung in einen öffentlichen Springbrunnen. Danach wurde er massiert, gab einer Zeitung ein Interview und verpflegte sich.
Das Duell entschied sich schließlich dort, wo Gordon Haller sich am wohlsten fühlte – auf der Laufstrecke. Seine Marathonbestzeit von 2:27 Stunden stellte er drei Monate zuvor auf. Zweimal holte er Dunbar ein, nach dem ersten Mal musste er auf die Toilette, beim zweiten Mal stoppten ihn Krämpfe. Doch bei Kilometer 34 war es vorbei: Dunbar taumelte, dehydriert, von seinen Betreuern mit Bier versorgt. „Er sah aus wie der Tod in Latschen“, beschrieb Haller die Szene später. „Da wusste ich, dass ich das Rennen gewinnen werde.“
Zwei Meilen vor dem Ziel sah er die Lichter von Honolulu. „Das war magisch“, sagte er, „ich hatte Schmerzen, aber es fühlte sich gut an.“ Nach 11:46:58 Stunden erreichte Gordon Haller als erster Mensch das Ziel eines Ironman. Kein Zielband, keine Kameras, nur ein paar Männer auf Klappstühlen. „War’s das?“, fragte er erstaunt. „Yup, das war’s. Du bist fertig und kannst gehen“, bekam er zur Antwort.
Zwischen Legende und Alltag
Es war eine Sternstunde des Triathlons, fand aber zunächst kaum ein Echo. Zwei Lokalzeitungen berichteten, die Sports Illustrated erwähnte das Rennen in einer Randnotiz. Erst ein Jahr später, als ein Redakteur zufällig vor Ort war, begann der Mythos zu wachsen. Heute kennt die ganze Welt den Begriff Ironman – und Gordon Haller ist untrennbar mit ihm verbunden.
Haller blieb stets der Mann von nebenan. Er zog zurück aufs Festland, gründete eine Familie, arbeitete als Programmierer, lief weiter Marathons – mehr als 40 insgesamt. Ferner kann er auf 24 Langdistanzen zurückschauen. Selbst nach einer Hüftoperation ließ er es sich nicht nehmen. „Keep on moving“, so lautet sein Motto bis heute.
75 Jahre Gordon Haller
Der erste Ironman lebt in Arkansas, weit weg vom hawaiianischen Ozeanrauschen. Aber sein Name bleibt in den Wellen von Kailua-Kona und in den Straßen von Nizza lebendig. Wer den Begriff Ironman hört, denkt an den Moment, als ein Taxifahrer mit Vollbart die Ziellinie überquerte und damit eine Bewegung auslöste, die Millionen inspiriert hat.
Zum 75. Geburtstag ehren wir Gordon Haller nicht nur als den ersten Sieger. Wir feiern ihn als Pionier, als Abenteurer, als Mann, der bewies: Eine verrückte Idee kann die Welt verändern.