Die deutsche Triathlon- und Radsportcommunity hatte einen Außenposten im Pazifik: Franz Weber war Radclub-Präsident, Charity-Manager und viele Jahre der „Volunteer and Information Director“ des Ironman Hawaii. Nun ist der gebürtige Münchner nach einem Radunfall auf dem „Queen K“ gestorben.

Franz Weber ist tot. Der „deutsche Hawaiianer“, wie wir ihn in einem unserer Hawaii-Specials vor ein paar Jahren betitelten, starb am Freitag an den Folgen eines Radunfalls auf dem Queen Kaahumanu Highway. Nach Berichten aus seinem Umfeld war Franz vor ein paar Tagen bei einer Radausfahrt in einen stehenden Bus gefahren und hatte sich schwerwiegende Verletzungen zugezogen. Nach der ersten Notfallbehandlung in Kona habe man ihn in das Queens Hospital von Honolulu geflogen und in ein künstliches Koma versetzt. Gestern hätten sich die Ärzte in enger Abstimmung mit Franz‘ Angehörigen entschieden, die lebenserhaltenden Maßnahmen zu beenden.
München, Hamburg, Bonn – und dann Kailua
Geboren wurde Franz in München, aufgewachsen ist er in Hamburg und Bonn. In einem USA-Urlaub lernte Franz Weber vor 35 Jahren seine Frau Joanna kennen, nach weiteren Reisen ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten stand für das Paar fest: Wir bleiben hier! Seinen Job als Bürovorsteher einer Anwaltskanzlei hängte Franz an den Nagel, packte seine Kisten und wanderte aus – nach Hawaii. In Kailua-Kona wurden die Webers sesshaft, Franz bekleidete eine verantwortungsvolle Position bei einem Ökolebensmittellieferanten, wohnte in den höheren Lagen von Kailua. Doch auch unten am Wasser, wenn der Ironman einmal im Jahr im Herbst in die Stadt kam, gehörte Franz mit dazu. Der deutsche Hawaiianer ist ein echter Local geworden.
Viele Engagements
Das auch wegen seines großen ehrenamtlichen Engagements. Er war Präsident des Hawaii Cycling Club, dem auch ich seit ein paar Jahren angehöre, um Franz und den Radsportlern auf Hawaii etwas zurückzugeben. Denn Franz‘ Anliegen war es stets, das Radfahren auf Hawaii sicherer zu machen und die Interessen der Ausdauersportler mitten im Pazifik zu vertreten. Gut zehn Radsport-Events organisiert der Club in jedem Jahr, von Time Trials auf dem Queen K über den berühmt-berüchtigten „Dragon“ bis hin zum schweißtreibenden „Pedal till ya puke“ auf den Hualalai-Vulkan, den schlafenden Riesen im Hintergrund zahlreicher Aufnahmen des Starts des Ironman Hawaii.
5.000 Volunteers beim Ironman
Verantwortung trug Weber auch bei ebendiesem Ironman – als langjähriger „Director“ für die Bereiche „Volunteers and Information“. Er leitet die Organisation der etwa 5.000 freiwilligen Helfer, die den Ironman Hawaii Jahr für Jahr erst möglich machen. Und er war verantwortlich für die Kommunikation mit der Bevölkerung. Als diese mit der Durchsetzung der zwei Renntage umfassenden Ironman-WM 2022 schwieriger wurde, zog Franz die Konsequenzen und trat zurück. Im Umfeld des Ironman war er weiterhin zu sehen. Franz packte an, wenn es etwas anzupacken galt.
Da der Ironman aber (meistens) nur einmal im Jahr stattfand, war der tüchtige Deutsche vielschichtig engagiert. Zahlreichen Sozialprogrammen vor Ort drückt er auch jenseits des 70. Geburtstags seinen Stempel auf, war vernetzt in der gesamten Community – und die ist stark in Kailua-Kona. „Hier kannst du dir nichts erlauben, am nächsten Tag weiß es die ganze Stadt“, sagte mir der passionierte Radfahrer einmal.
Auch mit 70 noch 10.000 Kilometer im Jahr
Wohl kaum jemand hat auf Big Island mehr Radkilometer zurückgelegt als Franz Weber. Zwar nicht mehr wie einst 10.000 Meilen, aber immer noch mehr als 10.000 Kilometer kamen Jahr für Jahr zusammen. Manchmal 60, 70 Kilometer zwischen Kailua-Kona und dem Airport. Moment, liegt der nicht nur zehn Kilometer vor der Stadt? „Ja, aber wenn man jede Querstraße hoch in die Berge und die nächste wieder herunterfährt, dann kommt da einiges zusammen“, erläuterte der rüstige Pensionär. „Und außerdem kann man sich immer überlegen, ob man nicht doch schnell nach Hause fahren möchte.“
„Eines Tages kann alles ganz schnell vorbei sein. Und dann ist es nicht mehr wichtig, wie viel Stress man sich im Leben gemacht hat.“
Während der vielen Touren entlang der Kona-Küste inhalierte Franz Weber das Aloha-Flair. „Meine Lebenseinstellung hat sich auf Hawaii komplett verändert“, sagte er. „Hier auf Big Island merkst du, dass du nicht wirklich etwas bedeutest. Die Erde, die Natur ist immer viel stärker als du.“ Tsunamis, Erdbeben, Vulkane – man weiß nie, wann die nächste Naturkatastrophe hereinbricht. „Tsunamiwellen haben eine Geschwindigkeit von 1.000 Kilometern pro Stunde, und wir haben hier viele kleine Tsunamis“, erzählte er mir einmal. „Eines Tages kann alles ganz schnell vorbei sein. Und dann ist es nicht mehr wichtig, wie viel Stress man sich im Leben gemacht hat.“ Vor ein paar Jahren beeindruckte er mich mit einem Fallschirmsprung, ausgehend vom kleinen Airport in Hawi, zu dem ein Wegweiser von der Radstrecke des Ironman führt. Gemacht hat er ihn, weil er Angst hatte, dass es irgendwann so schnell geht. Darüber denke ich heute nach.
Aloha mit deutscher Gründlichkeit
Trotz seiner entspannten Lebensphilosophie war Franz immer ein gefragter Mann, wenn in Kailua-Kona Dinge zu erledigen waren. So wie beim Ironman. „Ich wusste zunächst gar nicht, was der Ironman ist. Da gingen ganz viele Leute hin, und ich dachte, das gucke ich mir mal an.“ Und in dem Moment war er gefangen, verliebte sich in den Sport – ohne ihn aber je selbst zu betreiben. „Das Wasser ist mir zu nass“, bekannte sich der geborene Deutsche zu seinen sportlichen Schwächen. Der Mann, der diese ganz undeutsche Gelassenheit ausstrahlte, half doch lieber hinter den Kulissen. Ob es der Ruf der teutonischen Geschäftigkeit und Gründlichkeit war, wegen dem er immer wieder zu verantwortungsvollen Aufgaben gebeten wurde? „Da ist ganz bestimmt etwas dran“, sagt Franz Weber.
Franz Weber wird fehlen. Als Mensch und als Macher. Beim Ironman, im Hawaii Cycling Club, bei seinen vielen Charity-Projekten wie „Paying it forward“, zu dem auch wir schon einige Male beitragen durften. Sein Vermächtnis bleibt, es lebt weiter in den Tablets und Computern, die er Schülerinnen und Schülern vermittelte, die sich diese für den Unterricht nicht leisten konnten, in den Kuscheltieren, denen er ein neues Zuhause vermittelte, und in den Betten und Tischen, die er dort hinstellte, wo sie dringend benötigt wurden. Überall dort, wo auf Big Island Rad gefahren wird. Und beim Ironman Hawaii, wo Franz mit hawaiianischer Gelassenheit und teutonischer Gründlichkeit viel bewegt hat.
Rest in Peace, Franz.
A Hui Hou. Man sieht sich. Irgendwann, irgendwo.
Und: Mahalo!