Dienstag, 19. März 2024
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Meine Erfahrungen zum „Blood Flow Restriction Training“ im Triathlon

Gipfelkreuz, frischer Wind, der mir um die Nase bläst und weiter unten sehe ich einen kleinen See und grüne Wiesen. Ich versuche mich auf kleine Details zu konzentrieren und mir diese genau vorzustellen. Denn die Realität könnte anders nicht aussehen: ich liege in einem Kraftraum im Keller – genauer gesagt in Zürich bei „Training & Diagnostics“ – auf dem Boden, die Augen geschlossen und mit blauen Manschetten an den Oberschenkeln, welche die Blutzufuhr einschränken. Neben mir stehen Lorenz Leuthold und Reto Brändli, die meine Sauerstoffsättigung und die Zeit fest im Blick haben und mir immer wieder gut zureden. 

Aufmerksame Triathleten wissen durch Social Media vermutlich, von welchem Training ich berichte, denn Athleten wie Laura Philipp oder Jan van Berkel haben in der Vergangenheit auch immer wieder Eindrücke ins „Blood Flow Restriction Training“ gegeben. Ich befinde ich mich im Moment in einem solchen zweiwöchigem Block und möchte meine Erfahrungen mit euch teilen. 

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Warum tut man so etwas?

Ganz grob – was versteht man unter Blood Flow Restriction Training? Beim BFR-Training wird die Durchblutung bestimmter Körperteile eingeschränkt, was dazu führt, dass die betroffene Muskulatur kurzzeitig nicht mit genügend Sauerstoff versorgt wird. Der Körper reagiert auf diesen Zustand mit mehreren Prozessen, in Kombination mit einem Sprintintervall-Training unter anderem mit Mechanismen, die die Sauerstoffkapazität des Athleten verbessern. Wie bereits gesagt, absolviere ich einen zweiwöchigen BFR-Trainingsblock mit jeweils drei Einheiten pro Woche. Da die Einheiten wirklich fordernd sind, trainiere ich in den zusätzlichen, „normalen“ Trainingseinheiten vorwiegend locker. Ich habe das BFR-Training als Grenzerfahrung wahrgenommen und bin extrem dankbar, dass ich von Experten, die mehr als zehn Jahre Erfahrung mit dieser Methode haben, beaufsichtigt werde. Es sollte auf keinen Fall einfach ausprobiert und nachgemacht werden. 

Die Trainingsprotokolle können je nach Sportart, Athlet und Trainingsintention variieren. Mein Protokoll besteht aus einem Sprintintervall-Training mit insgesamt sechs Sprints auf dem Radergometer gegen einen hohen Widerstand. Nach 90 Sekunden Pause folgt der nächste und so weiter. Diese Sprints werden mit normalem Blutfluss und ohne Manschetten absolviert. An meinem Oberschenkel klebt ein kleines Gerät, das die Sauerstoffsättigung misst und an ein Endgerät sendet. So kann man live sehen, wie tief die Sauerstoffsättigung im Oberschenkel durch die Sprints absinkt. Mit dieser Information können Lorenz und Reto das Protokoll individuell anpassen und Dauer sowie Wiederholungsanzahl der Sprints verändern. Die Sprints sind hart, die Beine brennen, aber es ist ein „Schmerz“, der mir und vermutlich auch vielen von euch gut bekannt ist. Nach den Sprints geht es direkt in den Kraftraum und da man ohne Ausfahren vom Rad steigt, fühlen sich die ersten Meter an als ob man auf rohen Eiern laufen würde. 

Schmerzen in neuer Dimension

Im Kraftraum werden dann Manschetten um die Oberschenkel gelegt und aufgepumpt. Das Gefühl ist bereits ohne Bewegung etwas unangenehm und durch die nun bevorstehenden Kniebeugen wird es nicht besser: Zwar ist das Gewicht nicht sonderlich hoch, aber nach ungefähr 30 Sekunden wird es richtig hart, die Beine tun weh, man spürt, wie die Muskulatur übersäuert und neben mir steht Lorenz und ruft immer wieder „biiiiisse“ (schweizerdeutsch für beißen), so dass ich mehrere Male denke: „Nur noch einen“. Wir Triathleten sind zum Glück ja gut darin, uns selbst auszutricksen. Irgendwann geht dann aber wirklich keine weitere Kniebeuge mehr und ich lege mich direkt neben das Gerät auf den Boden. Jetzt heißt es drei Minuten lang ausharren, bis die Manschetten gelöst werden und das Blut ungehindert in und aus den Beinen fließen kann. Diesen Schmerz habe ich zuvor nicht gekannt und er ist auch anders als alles, was ich bislang erlebt habe. Bei den ersten Malen habe ich verkrampft und versucht gegen den Schmerz zu kämpfen und als Folge sind mir Finger und Teile des Gesichts eingeschlafen. Nun versuche ich, wie oben beschrieben, mir schöne Sachen vorzustellen, „locker“ zu bleiben und mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Das Gefühl, wenn nach drei Minuten das Blut wieder in die Beine fließt gleicht einer Erlösung. Nach einer kurzen Pause beginne ich mit dem zweiten von insgesamt drei Durchgängen aus Kniebeugen und Liegen.  

Nach dem Training auf dem Rückweg im leeren Zugabteil: Ich nehme bewusst die langsame Verbindung, denn da muss ich nicht umsteigen und esse mein wohlverdientes Stück Kuchen. Ich bin richtig zufrieden – ich habe es geschafft und meine Grenzen ein kleines Stück verschoben. Nicht nur physiologisch, sondern auch mental ist das Training eine Herausforderung, geben mir aber gleichzeitig Selbstvertrauen, dass ich auf die Zähne beißen und mich quälen kann. Das ist ein Gefühl mit Suchtpotenzial und deshalb freut sich ein Teil von mir schon fast wieder ein bisschen auf die nächste Einheit. Die lässt auch nicht lange auf sich warten und steht schon morgen wieder an.

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12 Kommentare

  1. Ich als Triathlet und Arzt bekomme jedesmal Gänsehaut wenn ich von der Methode lese. Auch bei kompetenter Betreuung halte ich es für hochgefährlich. Insbesondere würde ich mir um die Venen und Venenklappen !!! Sorgen machen welche für diesen Druck nicht gemacht sind. Das Risiko diese zu schädigen, mit den entsprechenden nicht zu behebenden Folgeerkrankungen, kann man aus meiner Sicht nicht guten Gewissens eingehen.
    Privateinschätzung von mir
    LG Andreas Blattner

  2. Sorry, noch ein Nachtrag, weil mich das Thema sehr umtreibt.
    Die extrem hohen Hormonkonzentrationen die erreicht werden sind sicherlich das Ergebnis von einer massiven zellschädigung und folglicher Freisetzung
    – gibt es Langzeituntersuchungen?
    Bitte Vorsicht

  3. Anscheinend muss man immer „coolere“ und „abgefahrenere“ Trainingsmethoden in unserer Facebook/Instagram Welt haben um anzukommen. Die Trainer setzen auch alles daran den Kunden das „tollste“ zu geben, für gefühlte 1 Watt mehr Leistung. Dazu sage ich nur, jedem das Seine, kein Problem. Wahrscheinlich wird ein super Hirni Trainer in nächster Zeit auf die Idee kommen, daß wir Intervalle so laufen sollen, daß wir uns die Finger in die Nase stecken, dann bekommen wir weniger Luft und die Lunge macht was ganz tolles. Ich freue mich schon auf die neuen Erkenntnisse… ;-))) LG, Norbert

  4. Selektiver wäre es, einfach die Arterien per Ultraschall aufzusuchen und dann gezielt mittels aufblasbarem Ball über ein Band zu komprimieren, dürfte auch die Venenklappen nicht so beanspruchen, da eben kaum Zufluss erfolgt und der Abfluss halbwegs gewährleistet ist. Über die Sinnhaftigkeit lässt sich aber in Anbetracht einer Nutzen-Risiko-Abwägung vortrefflich streiten. Ich denke auch, dass die Risiken den Nutzen übersteigen.

  5. Ich gehe mal davon aus, dass Personen mit Vehnen ode Vehnenklappenproblemen eine solche Intervention nicht absolvieren können / dürfen, dafür gibt es sicher entsprechende Anamnese etc. Auch sind solche Interventionen kaum für den 0815 Sportler gedacht, wir sprechen da von Profisport und ich finden einen entsprechenden Einblick dazu sehr spannend. Mit nur etwas wenig Research im Internet habe ich diverse wissenschaftliche Papers dazu gefunden, sehr spannend! Also, lieber mal etwas Zeit aufwenden und studieren als schnell in die Tasten greifen und «kluge Sprüche» klopfen.

    • Sorry, aber meiner Meinung nach fällst eher du in diese Kategorie der Sprücheklopfer. Das ist ja schön, dass du davon ausgehst, dass Personen mit besagten Vorerkrankungen so etwas nicht machen „dürfen“ (herrliche Annahme). Schon mal die Triathlon-Realität da draußen erlebt und z. B. gesehen, wie viele zuletzt dieses ach so tolle Athletic Greens kaufen? Mit Sicherheit haben alle davor erst unter ärztlicher Anleitung ein Blutbild gemacht, ob sie wirklich einen Nährstoffmangel haben…
      Genau das ist nämlich das Problem: Da kommt dann ambitionierter Athlet X, liest von mehreren Spitzensportlern was cooles Neues mit wissenschaftlich erwiesenem Verbesserungspotential und probiert es einfach mal selber aus – und zwar garantiert ohne Anamnese.

    • ok
      – das Problem mit den Venenklappen: dies wird nicht sofort auffallen, es entstehen Mikrotraumen -insuffizienzen (auch bei Gesunden) welche sich erst nach Monaten/Jahren als venöses Problem bemerkbar machen werden.
      Meine Schätzung, der Druck in den Venen wird unter Belastung im Stehen bei über 200mmHg (Verschlussdruck + orthostatischer Druck) liegen
      – der entstehende Hormoncocktail:
      noch besser wäre ein kompletter Herz-Kreislaufstillstand dann könnten noch viel höhere Konzentration des Hormoncocktails mit Wachstumshormonen…etc erreicht werden, kann ich von reanimierten und kritisch kranken Intensivpatienten berichten.
      Im Ernst: Die Zellen der unterversorgten Muskulatur „kämpfen ums Überleben“ und schütten alles aus was das Organ, die Extremität irgendwie am leben halten kann. Das sind „Überlebensreflexe“ von Zellen
      Mich würden die gemessenen CK und LDH-Werte im Blut dieser Methode interessieren. Diese sind Marker der Rhabdomyolyse und der Zellschädigung. Wenn vorhanden gerne an mich weiterleiten.
      Als Sprücheklopfer klopfe ich aber noch einen Spruch heraus
      – Bin mir sicher, in mehreren Jahren wird von der Methode abgeraten.

      Sinnvolle Studie für die Zukunft: Vergleich Wettkampfergebnisse Triathleten mit dieser Methode (nicht Hypertrophie oder Hormonkonzentraktiuonen oder…)

      Ich mahne aus ärztlicher Sicht nur zur Vorsicht, ich habe schon all zu viele medizinische Studien und Hyps erlebt welche sich später als kontraproduktiv herausgestellt haben.

  6. Bei der beschriebenen Methodik sind die Schmerzen in der Tat enorm, denn bei diesem Modell werden zweckentfremdete Blutdruckmannschetten verwendet. Die Sicherheitsgrenzen dieser harten Manschettenfelder sind nur für den Ruhezustand konzipiert und nicht für die Verwendung mit muskulärer Aktivität.

    Durch die Muskelkontraktion entsteht ein zusätzlicher intramuskulärer Okklusionsdruck, der in Kombination mit diesen riesigen und inflexiblen Manschetten leicht zu Nervenschädigungen führen kann. Dazu bedarf es gar keiner hohen Manschettendrücke. Die akuten Vorboten zeigen sich durch ein anfängliches Taubheitsgefühl in den innervierten Körperteilen: „als Folge sind mir Finger und Teile des Gesichts eingeschlafen“.

    Die Möglichkeit von Venenklappenschäden sind aus mechanischer bei den hier verwendeten Methoden und Materialen auf jeden Fall gegeben. Es wäre einmal interessant zu erfahren, was denn das Abbruchkriterium bei dieser Methodik ist. Schmerzen oder Taubheitsgefühle scheinbar nicht.

    Ob „Schmerzen in einer neuen Dimension“ als Wirksamkeitsnachweis einer Trainingsmethode angesehen werden können, bezweifele ich. Biologisch sind Schmerzen ein Schutzmechanismus unseres Nervensystems, der uns vor potentiellen Schädigungen schützen soll. Diese Signale werden hier gekonnt ignoriert.

    Es bleibt die Frage nach der Moral einer Berufsethik, die potentiell gesundheitsgefährdende Vorgehensweisen als Dienstleistung verkauft, obwohl es längst professionelle und sichere Alternativen gibt.

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Anne Reischmann
Anne Reischmannhttp://annereischmann.de/
Anne Reischmann wurde am 4. April 1992 geboren und lebt in Winterthur in der Schweiz und in Ravensburg. An der Universität Konstanz studierte sie Lehramt. Seit 2019 ist sie Triathlon-Profi im hep Sports Team, ihr Coach ist der Schweizer Reto Brändli. Die größten Erfolge der ehemaligen Leichtathletin (Deutsche Vizemeisterin U23 über 5.000 Meter 2013) sind der Sieg beim Allgäu-Triathlon 2018 und der 2. Platz beim Ironman 70.3 Les Sables d’Olonne 2019.

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