Freitag, 19. April 2024

Der neue Saucony Endorphin Pro im Praxistest

Was vor drei Jahren noch ein neuer Trend war, hat sich im Laufe der Zeit mittlerweile sowohl im Laufsport als auch im Triathlon fest etabliert und ist kaum mehr wegzudenken. Die Rede ist von dem neuen, durch den Nike „Zoom Vaporfly 4%“ bekannt gewordenen, Laufschuh-Konzept mit Carbonfaserplatte in einer für Wettkampfschuhe bis zum damaligen Zeitpunkt ungewöhnlich hohen und oft sehr weichen Zwischensohle. Nachdem Nike am 7. Mai 2017 mit dem Breaking-2-Projekt in Monza den Anfang machte, haben mittlerweile – gut drei Jahre später – alle großen Hersteller ein Modell mit gleichartiger Carbontechnologie entweder auf dem Markt oder stehen kurz vor dem Release eines solchen Schuhs. Auch Saucony brachte mit dem neuen Wettkampfschuh „Endorphin Pro“ nun das erste Modell mit diesem Konzept auf den Markt. Die Besonderheit: Rund drei Jahre Entwicklung und mehr als zwei Dutzend Protoypen stecken in dem heute marktfertigen Schuh.

25 Protoypen bis zum marktfertigen Schuh

„Wir haben mit der Entwicklung von dem Modell, das jetzt als ‚Endorphin Pro‘ erschienen ist, bereits vor dem Breaking-2-Projekt in Monza begonnen und seitdem 25 Prototypen gehabt“, verrät Vincent Harder, Product Line Manager bei Saucony in London, auf Nachfrage. Der Laufschuhhersteller aus den USA testete über die Jahre insbesondere mit den amerikanischen und internationalen Topläufern Jared Ward, Parker Stinson, Molly Huddle und Molly Seidel in Labor, Training und bei Wettkämpfen. „Wir haben mit den Schuhen etliche Laufökonomie-Tests in unseren Laboren gemacht und dabei sowohl an den Messwerten als auch anhand des Laufgefühls der Athleten gesehen, dass die drei Faktoren Material der Zwischensohle und der Carbonplatte, die Form der Platte und ihre Position die entscheidenen Rollen bei der neuen Technologie spielen“, sagt Harder zu der Entwicklung des Endorphin Pro und den Gedanken hinter dem neuen Schuhkonzept.

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Wir haben den neuen Wettkämpfer von Saucony bei verschiedenen Geschwindigkeiten, Untergründen und Streckenprofilen getestet, geben einen Eindruck, wie sich der Endorphin Pro in der Praxis schlägt und vergleichen ihn mit anderen Laufschuhen mit Carbontechnologie.

Lars Schwalm Trotz der klassischen hohen Zwischensohle mit weicher Dämpfung besitzt der Endorphin Pro kein „schwammiges“ Laufgefühl.

Laufgefühl mit Vortrieb: angenehm weich, aber nicht schwammig

Direkt nach den ersten Schritten spürt man, dass auch der Endorphin Pro das – für diese Technologie typische – „Vortriebsgefühl“ beim Aufsetzen und Abrollen des Fußes besitzt. Saucony nennt dieses Aufsatzverhalten beim Endorphin Pro „Speedroll-Technologie“. Ausgelöst wird dieser Effekt durch die verbaute Carbonfaserplatte in der Zwischensohle, die – wie bei Nike und New Balance auch – s-förmig verläuft, also am hinteren Ende des Schuhs weit oben in der Sohle liegt und vorn sehr weit unten. Die Tatsache, dass sich dieser Verlauf der Carbonplatte als am effektivsten herausgestellt hat, ist auch der Grund für die hohen Zwischensohlen: Sie werden benötigt, damit die Platte überhaupt mit diesem Verlauf verbaut werden kann. Hoka One One greift beim Modell „Carbon X“ im Gegensatz zu den anderen Herstellern auf einen geraden Verlauf der Platte in der Zwischensohle zurück.

Lars Schwalm Die Dämpfung des Saucony Endorphin Pro ist zwar weich, wirkt aber nicht schwammig.

Im Vergleich zu anderen Modellen mit dem gleichen Konzept ist die hohe Zwischensohle des Endorphin Pro zwar weich und entlastet damit merklich den Impact auf die Wadenmuskulatur, läuft sich aber nicht „schwammig“. Das hat zur Folge, dass der Schuh – speziell in den Kurven – mehr Stabilität bietet als zum Beispiel die ­Vaporfly-Modelle von Nike. Auch auf nasser Straße bietet der Endorphin Pro im Vergleich etwas mehr Halt. Und das, obwohl sowohl der Endorphin Pro als auch die Vaporfly-Modelle und der neue Nike Alphafly Next% Zwischensohlen aus Pebax-Schaum besitzen. Diese Gemeinsamkeit lässt auch das Laufgefühl erahnen, denn dies ist im direkten Vergleich insgesamt sehr ähnlich – mit dem Unterschied, dass der Endorphin Pro sich beim Aufsatz stabiler verhält und nicht ganz so viel nachgibt wie die Vaporfly-Modelle.

Die Sohlenmischung und damit verbundene Dämpfung des Endorphin Pro nennt Saucony „PWRRUN PB Dämpfung“. Gegenüber den extrem weichen Modellen von Nike steht der Carbon X von Hoka One One, bei dem gummiertes EVA als Außensohlenmaterial verwendet wird, eine deutlich härtere Mischung. In Kombination mit der geraden Carbonplatte in der Sohle gibt der Carbon X deutlich weniger nach und vermittelt ein viel härteres Laufgefühl. Zwischen diesen beiden „extremen“ Varianten von weich und hart steht der Endorphin Pro, wenn auch etwas mehr auf der weicheren Seite. Durch die nicht ganz so weiche Zwischensohle des Endorphin Pro dürfte auch die Langlebigkeit etwas höher einzuschätzen sein als bei den Vaporfly-Modellen, die je nach Gewicht, Untergrund und Laufstil nur 250 bis 500 Kilometer halten. Ob sich diese Vermutung bestätigt, wird mit absoluter Sicherheit jedoch erst eine längerfristige Nutzung zeigen können.

Reaktionsfreudiges Aufsatzverhalten und angenehme Passform

Das extrem reaktionsfreudige Aufsatzverhalten des Schuhs zahlt sich im Verhältnis noch mehr für Mittelfußläufer und Athleten aus, die nicht auf extreme Weise über die Ferse und damit den gesamten Fuß abrollen oder eine enorm lange Bodenkontaktzeit haben. Denn bei diesen Athleten fängt der Endorphin Pro im Gegensatz zu Modellen mit extrem weicher Dämpfung beim Erstaufsatz im Fersenbereich nicht ganz so viel von der Stoßbelastung auf. Für diese Athleten könnte der „erzwungene“ Vortrieb zum Teil ein unangenehmes Gefühl oder eine Überforderung für das sonst natürliche Bewegungsmuster im Laufschritt darstellen – dies ist allerdings äußerst individuell und sollte nicht verallgemeinert werden. Das ist auch der Grund dafür, warum man insbesondere Carbonlaufschuhe mit dem stets sehr individuellen Laufgefühl vor dem Kauf im Idealfall ausprobieren sollte.

Trotz der weichen Dämpfung hat man mit dem Endorphin Pro während des Laufens auch bei hohen Geschwindigkeiten von 3:00 bis 3:30 Minuten pro Kilometer nicht das Gefühl, dass man unrund läuft und kann selbst aktiv Druck ausüben, da noch ein gefühlter Bodenkontakt besteht – besonders in der Abdruckphase. Ein Gefühl, das beispielsweise beim neuen Nike Alphafly Next% verloren geht. Daher eignet sich der Endorphin Pro nicht nur für lange Strecken, um bei hoher Ermüdung den Impact auf die Muskulatur zu verringern und die Laufökonomie zu unterstützen, sondern auch für kurze Distanzen wie fünf oder zehn Kilometer – sowohl bei reinen Laufevents als auch im Triathlon. Denn das dünne und weiche Obermaterial mit dehnbarer Zunge ermöglicht ein schnelles Anziehen in der zweiten Wechselzone und sorgt auch im Allgemeinen für eine angenehme Passform mit viel Komfort. Die Größe des Schuhs fällt normal aus und hat keine besonderen Abweichungen hinsichtlich der Schnittform.

Hersteller Um die Energierückgewinnung des Schuhs zu maximieren und einen gefühlten Vortriebseffekt zu kreieren, wird beim Endorphin Pro eine s-förmige Carbonfaserplatte in der weichen Zwischensohle aus Pebax-Material verbaut.

Gewicht- und Preisvergleich

Hersteller In Größe US 9 bringt der Endorphin Pro ein Gewicht von 219 Gramm auf die Waage.

Mit einem Gewicht von 219 Gramm ­(Männer US 9) ist der ­Saucony etwas leichter als andere ­Carbonschuhe, etwa der neue Nike Alphafly Next% (230 g), New ­Balance „FuelCell TC“ (271 g) und der Hoka One One ­„Carbon X“ (241 g), dafür einen Tick schwerer als der Nike „Vaporfly Next%“ (195 g) und Vaporfly 4% in der ersten Generation (214 g). Preislich liegt der Endorphin Pro mit 219,95 Euro über dem FuelCell TC (200 Euro) und dem Carbon X (180 Euro), dafür unter allen Nike-Modellen (Alphafly Next% 300 Euro, Vaporfly Next% 275 Euro, Vaporfly 4% 250 Euro).

Fazit

Drei Jahre Entwicklung und 25 Prototypen haben sich ausgezahlt! Der Endorphin Pro schafft es, die möglichen Vorteile eines Laufschuhs mit Carbontechnologie gekonnt aufeinander abgestimmt zu vereinen und ist durch seine Eigenschaften sowohl für kurze Wettkämpfe mit hohen Geschwindigkeiten als auch für Rennen mit langer Dauer wie dem Marathon oder der Triathlon-Langdistanz geeignet. Wer bereits Erfahrungen mit der Carbontechnologie bei Laufschuhen hat und zu der Gruppe gehört, für die „je weicher und federnder, desto besser“ ist, wird vielleicht mit anderen Modellen besser zurechtkommen. Wem diese Modelle aber – speziell auf kürzeren Strecken als dem Marathon – zu schwammig und unstabil sind, der dürfte mit dem Endorphin Pro genau die richtige Abstufung finden.

Details zum Schuh:

  • Preis: 219,95 Euro
  • Gewicht: 219 Gramm (Männer US 9 / EU 43)
  • Hersteller-Website: saucony.com
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3 Kommentare

  1. Apropos erhältlich.

    War es jemandem möglich den Adidas Adizero Pro zu testen? Es sollte eigentlich mehrere Online-Verkäufe an auserwählten Tagen geben, diese wurden jedoch ersatzlos gestrichen. Mittlerweile ist der Schuh sogar komplett aus der Suche auf adidas.de verschwunden.

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Simon Müller
Simon Müller
Simon Müller ist selbst als ambitionierter Athlet unterwegs. 2022 wurde er Deutscher Meister auf der Kurzdistanz, 2019 qualifizierte sich bei seinem ersten Ironman in Mexiko mit einem AK-Sieg in 8:45 Stunden für den Ironman Hawaii. In seiner Brust schlägt neben dem Triathleten- auch ganz besonders ein Läuferherz. Simons Bestzeite über 10 Kilometer liegt bei unglaublichen 30:29 Minuten.

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