Ziele machen das Trainingsleben leichter. Besonders schön ist es, wenn man sie schließlich erreicht. triathlon-Publisher Frank Wechsel zieht ein Fazit, wie die Saison 2023 gelaufen ist.
In der triathlon 207 haben einige Mitglieder der Redaktion ihre Ziele für die Saison 2023 festgehalten. Was ist daraus geworden? Was hat funktioniert, was nicht? Und was ist sonst noch passiert? Ich hatte für das Jahr 2023 drei Ziele. Zwei feste und ein eher schwammiges. Und zum Jahresausklang kann ich sagen: drei Haken dran. Es war ein tolles Triathlonjahr!
Die Radtour von Nord nach Süd
Einmal von Nord nach Süd durch Deutschland – diesen Traum möchte ich mir mit meinem 16-jährigen Sohn in den Maiferien erfüllen. Mit der Bahn geht es nach Westerland, von dort zum Sylter Ellenbogen und nach einer kurzen Dänemarkschleife nach Flensburg. Über die privat organisierten Nachtlager bei Familie und Freunden in Hamburg, Osnabrück, Köln, Frankfurt, Karlsruhe, Stuttgart und Immenstadt erreichen wir hoffentlich nach 1.350 Kilometern in neun Tagen Einödsbach, um umgehend mit der Bahn zurück nach Hamburg zu fahren. Denn unser Zielschluss ist der Schulgong am Montagmorgen …
So stand es in der triathlon 207 und ich bin im Nachhinein erstaunt, wie konkret diese Planungen damals schon waren. Mit wenig Gepäck und viel Abenteuergeist ging es am 13. Mai auf die Fahrt. Per Deutschlandticket nach Sylt. Per Rad zum Ellenbogen, dem nördlichsten Straßenstück Deutschlands, kurze Kampfansage in die Kamera – vor Touristen, die ihren Ohren kaum glauben wollten. Und dann los nach List, übersetzen nach Rømø – und bei Ostwind gen Osten nach Sønderhav (139,7 km). Am nächsten Tag von Dänemark nach Hause (185,9 km), ein kritischer Punkt: Würden wir am dritten Tag morgens tatsächlich wieder losfahren? Wir fuhren, und zwar nach Osnabrück (210,2 km), durch heimatliche Gefilde nach Bergisch-Gladbach bei Köln (188,5 km), in das Herz Frankfurts (200,8 km), nach Eggenstein-Leopoldshafen bei Karlsruhe (162,7 km), Leinfelden-Echterdingen (91,7 km), Sonthofen (209,0 km) und schließlich zum Gipfelsturm (57 km). Am Ende standen wir 7 Tage und 22 Stunden (oder 1.450 Kilometer) nach unserer Abfahrt nicht nur auf dem südlichsten Stück Asphalt der Republik, sondern vor dem Schrofenpass auch einem mit 1.460 Metern über NN höchstgelegenen. Eine grandiose Woche mit vielen Erlebnissen und wunderbaren Menschen, null Regen und nur zwei Platten, einem Sohn, der über sich hinausgewachsen ist, und ganz viel Papastolz – dieses Erlebnis nimmt uns niemand mehr! Und ja: Den Schulgong hat Jonas pünktlich auf dem Schulhof gehört.
Die emotionale Langdistanz
Mit meinem letzten Start bei der Challenge Roth 2019 habe ich mit dem Film „Papa kann keinen Endspurt mehr“ viele Menschen zum Triathlon motiviert. Am 25. Juni möchte ich das Rennen nun zum vierten Mal erleben – und diesmal alle Emotionen selbst aufsaugen. Und wenn ich schon mal da bin, könnte ich vielleicht einem Kollegen beim Schwimmen die Füße kitzeln?
Die Kampfansage an den Kollegen Lars Wichert aus der triathlon 207 blieb unerfüllt, das Rennen in Roth war ein zähes. Vielleicht steckte mir noch der Schock des Todesfalls eines Motorradfahrers auf der Radstrecke des Ironman Hamburg drei Wochen zuvor mit allen Nachwehen in den Knochen, aber irgendwie kam ich nicht so richtig rein in meinen vierten Roth-Start nach 1996, 1998 und 2019. Mit einem halben Jahr Abstand erinnere ich mich an ein passables Schwimmen über die 3,8 Kilometer ohne Trainingsaufwand zuvor und Energieaufwand unterwegs, an einen vernünftigen Radstart, der bald nach dem Rausch der ersten Passage des Solarer Bergs in ein zähes Ringen um jeden einzelnen der 178 Kilometer überging. Es lief einfach nicht und ich hatte große Angst vor dem Marathon, die sich schließlich als unbegründet herausstellen sollte. In der letzten Disziplin kam ich doch noch in einen Flow, erinnere mich an viele freundliche Gesichter und ein ganz besonderes Schild am Streckenrand, sodass die Kilometer nur so dahinpurzelten. Mit Anstand finishte ich meine zwölfte Langdistanz, die Zielzeit müsste ich jetzt nachschlagen, aber um die ging es mir nicht. Roth ist immer ein Erlebnis – spätestens im Ziel kamen dann auch die Emotionen, für die wir alle diesen Sport betreiben.
Die extreme Langdistanz
Und wenn ich schon für Roth trainiere, dann darf diese neue Langdistanzform nicht ungenutzt bleiben! Nachdem es in Franken sicher emotional wird, darf es beim zweiten Start ruhig extrem sein. Ich liebäugele gerade mit zwei Optionen, die so abenteuerlich klingen, dass mein Sportlerherz sie eigentlich beide machen will. Aber auch so verrückt, dass zunächst Körper, Familie und Kollegen zustimmen müssen, bevor ich sie verkünden kann. Stay tuned!
Am Ende wurde es Option 3 (wobei 1 und 2 nur aufgeschoben sind): Endlich wollte ich ein Finish auf dem Frankfurter Römerberg in meine Sammlung einfügen. Gemeldet war ich schon einmal, bei der Premiere 2002, aber damals traute ich es mir mit Trainingsrückstand nicht zu. Eine Woche nach der Challenge Roth wollte ich mir nun diesen Traum erfüllen, verkündete das erst in und um Roth (Moderator Hartwig Thöne: „Du bist ja völlig irre … Dafür hat der Kanzler den Begriff Doppelwumms erfunden“). Und so stand ich sechseinhalb Tage nach dem Finish im Frankenland am Ufer des Langener Waldsees. Hoppla, nicht so schnell: Am Montag ging es zunächst von Roth nach Hause. Am Dienstag war der Muskelkater beim Fahrradputzen unerträglich, nahm am Mittwoch ab, sodass ich am Donnerstag ohne Verrenkungen in das Auto nach Frankfurt steigen konnte. Am Freitag fühlte sich mein Körper so an, als wolle er mir sagen, welch ein Idiot ich doch bin. Am Samstag wurde eingecheckt und am Sonntag gestartet. Das Schwimmen war besser und schneller als in Roth, das Radfahren im Wind (vor dem sich allzu viele Mitstreiter hinter anderen Mitstreitern versteckten – schämt euch!) lief ebenfalls besser und beim Laufen merkte ich schnell, dass beides eine dumme Idee war. Kilometer 1 in Frankfurt fühlte sich an wie Kilometer 31 in Roth, den Marathon am Main werde ich wohl als die übelste Qual meiner Sportlaufbahn in Erinnerung behalten. In Erinnerung bleiben aber auch die vielen aufmunternden Worte vom Streckenrand. Der Zieleinlauf war einer der emotionalsten meiner bisherigen 13 nach einer echten Langdistanz. Auch hier erinnere ich mich nicht mehr an meine Zielzeit, aber daran, dass am Montag bei der Slotvergabe für die Ironman-WM in Nizza dreimal mein Name fiel. Aber zwei Langdistanzen in einem Jahr waren dann auch genug …