2022 sollen auf der Langdistanz die Marken von unter sieben Stunden bei den Männern und unter acht Stunden bei den Frauen fallen. Die vier Protagonisten, die für die Jagd auf die historischen Grenzen ausgewählt wurden, sind Doppel-Olympiasieger Alistair Brownlee, Ironman-70.3-Weltbestzeit-Inhaber Kristian Blummenfelt, Olympiasiegerin Nicola Spirig und die dreifache Hawaii-Zweite sowie Roth-Siegerin von 2019, Lucy Charles-Barclay.
Ähnlich wie zuletzt beim Breaking-2-Marathon-Projekt beziehungsweise der Ineos-1:59-Challenge soll dieses Vorhaben außerhalb eines echten Rennens und unter bestmöglichen „Laborbedingungen“ stattfinden. Das bedeutet: Die Organisatoren suchen derzeit nach dem bestmöglichen Kurs bei optimalen Klimabedingungen. Und vor allem: In allen drei Disziplinen werden hochrangige Pacemaker zum Einsatz kommen.
Ob Laborbedingungen oder nicht: Was im Falle des Marathons „nur“ ein paar Minuten waren, sind im Triathlon nun ein paar Minuten mehr. Denn im Vergleich zu den aktuellen Weltbestzeiten auf der Langdistanz, die von Jan Frodeno und Chrissie Wellington beide in Roth erzielt wurden, mussten die vier Athleten des Sub-7- und Sub-8-Projekts mindestens satte 35:40 Minuten und 18:14 Minuten schneller sein als die bisher offiziellen Bestzeiten.
Die schnellsten Zeiten auf der Langdistanz (Männer)
Rang | Name | Gesamtzeit | Wettkampf | Anmerkung |
---|---|---|---|---|
1 | Jan Frodeno (GER) | 7:35:39 h | Challenge Roth 2016 | |
* | Matt Hanson (USA) | 7:39:25 h | Ironman Texas 2018 | Verkürzte Radstrecke auf ca. 176-177 km |
* | Ivan Tutukin (RUS) | 7:39:57 h | Ironman Texas 2018 | Verkürzte Radstrecke auf ca. 176-177 km |
2 | Tim Don (GBR) | 7:40:23 h | Ironman Brasil 2017 | |
3 | Andreas Raelert (GER) | 7:41:33 h | Challenge Roth 2011 | |
4 | Tyler Butterfield | 7:44:01 h | Ironman Cozumel 2019 | |
5 | Lionel Sanders | 7:44:29 h | Ironman Arizona 2016 |
Hinzu kommt, dass es sich bei den beiden Weltbestzeiten von Frodeno und Wellington bereits um zwei Ausnahmeleistungen handelt, an die – insbesondere bei den Frauen – selbst bei schnellen Kursen und hochkarätig besetzten Rennen – nicht einmal ansatzweise herangekommen wird. Das wirft bei diesen unglaublich großen Zeitdifferenzen sofort die Frage auf, wie solche Zeiten in Anbetracht der aktuellen Leistungen auf der Langdistanz realisierbar sein sollen. Diese Frage lässt sich nur teilweise beantworten, denn zu den Details ist bisher noch nicht viel bekannt. Für das Sub-7-Projekt der Männer wurde allerdings eine klare Marschrichtung ausgegeben: 3,8 Kilometer Schwimmen auf dem Niveau von olympischen Freiwasserschwimmern, 180 Kilometer Radfahren mit einem Durchschnittstempo von 51 Kilometern pro Stunde und anschließend ein Marathon in 2:30 Stunden. Ansagen, deren erste Assoziation bei vielen nun im Normalfall (zurecht) das Wort „Größenwahn“ ist. Denn ein Blick auf die aktuellen Bestzeiten und die schnellsten Langdistanz-Splits in den Einzeldisziplinen zeigt, was diese Zielsetzungen unter halbwegs normalen Voraussetzungen bedeuten würden.
Die schnellsten Zeiten auf der Langdistanz (Frauen)
Rang | Name | Gesamtzeit | Wettkampf | Anmerkung |
---|---|---|---|---|
1 | Chrissie Wellington (GBR) | 8:18:13 h | Challenge Roth 2011 | |
2 | Chrissie Wellington (GBR) | 8:19:13 h | Challenge Roth 2010 | |
3 | Daniela Ryf (SUI) | 8:22:04 h | Challenge Roth 2016 | |
4 | Daniela Ryf (SUI) | 8:26:18 h | Ironman Hawaii 2018 | |
* | Melissa Hauschildt (AUS) | 8:31:05 h | Ironman Texas 2018 | Verkürzte Radstrecke auf ca. 176-177 km |
5 | Lucy Charles-Barclay (GBR) | 8:31:09 h | Challenge Roth 2019 |
Die bisherigen Schwimmrekorde: Auf dem Niveau der besten Freiwasser-Spezialisten?
Ein Weltklasse-Niveau beim Freiwasserschwimmen würde zeitlich rund ein Schnitt von 1:02 bis 1:06 Minuten pro 100 Meter bedeuten. 2019 wurde die WM über fünf Kilometer im Freiwasser mit 53:22 Minuten bei den Männern und 57:56 Minuten bei den Frauen gewonnen. Zum Vergleich: Die beiden EM-Bestzeiten liegen bei 52:38 Minuten (Männer) und 55:51 Minuten (Frauen). Herauskommen würde demnach bei den Männern – die wohl aufpassen müssen, dass Lucy Charles-Barclay nicht schneller schwimmt – eine Zeit von gut 40 bis 42 Minuten. Das ist schneller als der Schwimmrekord auf der Langdistanz – zumindest bei den Rennen, bei denen in Gewässern geschwommen wurde, wo keine starke Strömung involviert war. Hier liegt der Rekord aktuell bei 42:26 Minuten von Luke McKenzie.
Die schnellsten Schwimmzeiten auf der Langdistanz (Frauen, Strecken ohne Strömung)
Rang | Name | Zeit | Wettkampf |
---|---|---|---|
1 | Amanda Stevens (USA) | 45:04 min | Ironman Germany 2012 |
2 | Dede Griesbauer (USA) | 45:34 min | Ironman UK 2006 |
3 | Dede Griesbauer (USA) | 45:48 min | Ironman Brasil 2010 |
4 | Simone Braendli (SUI) | 45:51 min | Ironman Austria 2014 |
5 | Monica Byrn (USA) | 45:59 min | Ironman Brasil 2006 |
Bei den Frauen führt Amanda Stevens mit 45:04 Minuten diese Rangliste an. Hier wäre es durchaus denkbar, dass Lucy Charles-Barclay an diese Zeit herankommen kann. Insbesondere, weil man noch nie weiß, wie mit dem Parameter Wasserschatten und der Streckenwahl umgegangen wird.
Die schnellsten Schwimmzeiten auf der Langdistanz (Männer, Strecken ohne Strömung)
Rang | Name | Gesamtzeit | Wettkampf |
---|---|---|---|
1 | Luke McKenzie (AUS) | 42:26 min | Ironman Brasil 2010 |
2 | Bart Colpaert (BEL) | 42:54 min | Ironman Austria 2013 |
3 | Santi Pellejero Gacia (ESP) | 42:55 min | Ironman Austria 2013 |
4 | Dylan McNeice (NZL) | 43:30 min | Challenge Wanaka 2016 |
5 | Fraser Cartmell (GBR) | 43:35 min | Ironman UK 2010 |
Die schnellsten Radsplits: Bisher weit weg vom angestrebten 51-km/h-Durchschnitt
Nahezu verrückt wird es beim Radfahren, wo ein Schnitt von 51 km/h angepeilt wird – 3:31:45 Stunden für die 180 Kilometer! Die bisher schnellste Zeit bei den Männern stammt von Andrew Starycowicz. Dort stehen zum einen 3:54:59 Stunden, die allerdings beim Ironman Texas 2018 mit leicht verkürzter Radstrecke erzielt wurden und zum anderen 4:01:19 Stunden vom Ironman Texas ein Jahr zuvor auf dem kompletten Kurs, der nahezu komplett flach ist. Klar ist: Eine halbe Stunde schneller zu sein und im Anschluss noch einen Marathon in 2:30 Stunden zu laufen, scheint unter ansatzweise regelkonformen Bedingungen ausgeschlossen.
Die schnellsten Radsplits auf der Langdistanz (Männer)
Rang | Name | Zeit | Wettkampf | Anmerkung |
---|---|---|---|---|
* | Andrew Starykowicz (USA) | 3:54:59 h | Ironman Texas 2018 | Verkürzte Radstrecke auf ca. 176-177 km |
1 | Andrew Starykowicz (USA) | 4:01:14 h | Ironman Texas 2017 | |
2 | Andrew Starykowicz (USA) | 4:01:19 h | Ironman Florida 2019 | |
3 | Andrew Starykowicz (USA) | 4:02:17 h | Ironman Florida 2013 | |
4 | Andrew Starykowicz (USA) | 4:02:56 h | Ironman Texas 2019 | |
5 | Boris Stein (GER) | 4:03:08 h | Ironman Sweden 2019 |
Bei den Frauen hält Daniela Ryf die aktuell schnellste offizielle Radzeit mit 4:26:07 Stunden und ihrer Ausnahmeleistung beim Ironman Hawaii 2018, bei dem es nahezu windstill war. Windstill oder nicht: Dass dieser Split auf Hawaii aufgestellt wurde, zeigt, dass es bei den Frauen offensichtlich noch deutlich mehr Spielraum zu geben scheint, als bei den Männern. Die gleiche Leistung von Daniela Ryf auf einer schnelleren Strecke hätten sicherlich noch die eine oder andere Minute herausgeholt.
Die schnellsten Radsplits auf der Langdistanz (Frauen)
Rang | Name | Gesamtzeit | Wettkampf | Anmerkung |
---|---|---|---|---|
* | Jen Annett (CAN) | 4:25:10 h | Ironman Texas 2018 | Verkürzte Radstrecke auf ca. 176-177 km |
1 | Daniela Ryf (SUI) | 4:26:07 h | Ironman Hawaii 2018 | |
* | Jodie Robertson (USA) | 4:27:30 h | Ironman Texas 2018 | Verkürzte Radstrecke auf ca. 176-177 km |
* | Kimberly Morrison (GBR) | 4:27:45 h | Ironman Texas 2018 | Verkürzte Radstrecke auf ca. 176-177 km |
* | Melissa Hauschildt (AUS) | 4:29:55 h | Ironman Texas 2018 | Verkürzte Radstrecke auf ca. 176-177 km |
2 | Daniela Ryf (SUI) | 4:31:29 h | Challenge Roth 2016 | |
* | Sara Svensk (SWE) | 4:32:33 h | Ironman Texas 2018 | Verkürzte Radstrecke auf ca. 176-177 km |
3 | Teresa Adam (NZL) | 4:32:52 h | Ironman Western Australia 2019 | |
* | Michelle Vesterby (DNK) | 4:33:11 h | Ironman Texas 2018 | Verkürzte Radstrecke auf ca. 176-177 km |
* | Meredith Kessler (USA) | 4:34:32 h | Ironman Texas 2018 | Verkürzte Radstrecke auf ca. 176-177 km |
4 | Corinne Abraham (GBR) | 4:34:32 h | Ironman Sweden 2018 | |
* | Amanda Wendorff (USA) | 4:34:36 h | Ironman Texas 2018 | Verkürzte Radstrecke auf ca. 176-177 km |
* | Tine Deckers (BEL) | 4:35:01 h | Ironman Texas 2018 | Verkürzte Radstrecke auf ca. 176-177 km |
5 | Kimberley Morrison (GBR) | 4:34:53 h | Ironman Western Australia 2019 |
Marathon-Ziel von 2:30 Stunden bisher noch nie erreicht
Nach dieser schier unglaublichen Radleistung soll etwas versucht werden, woran sich bereits die besten Läufer im Triathlon seit der Geschichte des Sports die Zähne ausgebissen haben: ein Langdistanz-Marathon in 2:30 Stunden. Die schnellsten beiden Zeiten bei den Männern stammen bisher vom Ironman Texas 2018, wo es auf der leicht verkürzten Radstrecke ebenfalls zu enormen Windschattenproblemen kam und einige Athleten trotz der schnellen Zeiten auf diese Art und Weise eventuell ein paar Körner mehr für den Marathon sparen konnten. Matt Hanson und Ivan Tutukin liefen die gut 42 Kilometer an diesem Tag in 2:34:39 Stunden und 2:35:19 Stunden.
Die schnellsten Marathonzeiten auf der Langdistanz (Männer)
Rang | Name | Laufzeit | Wettkampf |
---|---|---|---|
1 | Matt Hanson (USA) | 2:34:39 h | Ironman Texas 2018 |
2 | Ivan Tutukin (RUS) | 2:35:19 h | Ironman Texas 2018 |
3 | Ben Hoffman (USA) | 2:36:09 h | Ironman Florida 2019 |
4 | Luc Van Lierde (BEL) | 2:36:49 h | Ironman Germany 1997 |
5 | Bart Aernouts (BEL) | 2:37:01 h | Ironman France 2013 |
Bei den Frauen stammt die schnellste Laufzeit von Kristin Möller (heute Liepold) aus dem Jahr 2011 mit 2:41:57 Stunden, gefolgt von Chrissie Wellington bei ihrer Weltbestzeit in Roth mit einem Marathon von 2:44:35 Stunden. Eine Zeit von rund 2:45 Stunden wird wohl auch für Spirig und Charles-Barclay nötig sein, um eine Chance auf die Sub 8 zu haben.
Die schnellsten Marathonzeiten auf der Langdistanz (Frauen)
Rang | Name | Laufzeit | Wettkampf |
---|---|---|---|
1 | Kristin Möller (GER) | 2:41:57 h | Ironman UK 2011 |
2 | Chrissie Wellington (GBR) | 2:44:35 h | Challenge Roth 2011 |
3 | Chrissie Wellington (GBR) | 2:48:54 h | Challenge Roth 2010 |
4 | Mirinda Carfrae (AUS) | 2:49:06 h | Ironman Austria 2016 |
5 | Mirinda Carfrae (AUS) | 2:50:26 h | Ironman Hawaii 2014 |
Eine Frage der Leistung oder der Geschwindigkeit?
Summiert man diese bisher offiziell schnellsten Einzelsplits der jeweiligen Disziplin ohne Wechselzeiten (!) auf, ergeben sich Zielzeiten von 7:18:24 Stunden für die Männer und 7:53:08 Stunden für die Frauen, die laut dieser Statistik offensichtlich etwas bessere Chancen haben dürften. Nichtsdestotrotz wird bei diesem Überblick der Zeiten deutlich, dass es wohl sehr ungewöhnlicher und besonderer Maßnahmen bedarf, um das Projekt realisierbar zu gestalten.
Da bisher noch keine genauen Details über die Strecken, Bedingungen, den Ablauf und die Taktik beim Sub-7- und Sub-8-Projekt bekannt sind, erübrigen sich zu diesem Zeitpunkt auch detailliertere Prognosen. Auch wenn Jan Frodeno bei seiner Weltbestzeit in Roth das gesamte Rennen direkt vom Startschuss an alleine bestritten hat und auch die Kurse in Roth im Vergleich zur „perfekten“ Strecke noch einige Optimierungen zulassen würden, sind 35:40 Minuten im direkten Vergleich ein gewaltiger Quantensprung der Leistungsfähigkeit.
Wobei: Genau genommen muss das gar nicht stimmen. Es ist die gute alte Diskussion über Rekorde und magische Grenzen im Triathlon, die in erster Linie mit den unterschiedlichen Rennstrecken, Tagesbedingungen und der Renndynamik zusammenhängen. Denn genau das sind die Gründe dafür, warum in schnelleren Zeiten nicht immer die besseren Leistungen stecken. Demnach wäre es sogar denkbar, dass das Projekt erfolgreich endet, Jan Frodenos Leistung bei der Challenge Roth 2016 trotzdem höher einzuschätzen ist – eben weil der Kurs schwieriger war und er das gesamte Rennen außer Konkurrenz oder Mitstreitern alleine gegen die Uhr bestreiten musste. Nur wenn beim Sub-7- und Sub-8-Projekt alle Leistungsdaten der Athleten offengelegt werden, könnte man schlussfolgern, ob sich tatsächlich die Performance der Athleten oder lediglich nur alles andere drumherum verbessert hat. Die Optimierung des Sportlers oder die Optimierung der Rahmenbedingungen – worauf davon dieses Projekt mehr abzielt, bleibt wohl zunächst eine offene Frage.
Vieles wird mit der praktischen Umsetzungen der angekündigten „Laborbedingungen“ stehen und fallen. Denn bei einem Kurs mit Punkt-zu-Punkt-Strecken, Nettogefälle, Motorpacing, Strömung beim Schwimmen und Rückenwind scheint das Projekt zwar nicht mehr unmöglich zu sein – verliert allerdings auch auf einen Schlag seinen kompletten Reiz. In welche Richtung die Entwicklung und Planung des Projekts ihren Lauf nimmt, bleibt demnach spannend zu beobachten.
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Wieder sehr guter Beitrag von Simon Müller mit m.E. sehr realistischer Einschätzung…
Was wäre, wenn man das mit olympischen Schwimmbecken, Indoorbike und Laufband probieren würde. Bestmögliche Verpflegung und kürzeste Wechselzeiten wären damit realisierbar. Nur mal so ein Gedankenspiel. Ob damit aber solche Zeiten möglich wären, kann ich nicht beurteilen.