Es ist alles angerichtet für die Jagd für die Sieben- und Acht-Stunden-Marke über die Langdistanz von 226 Kilometern: Die Sonne steht schon früh am blauen Himmel, der Wind ist nur leicht zu spüren und das Wasser liegt noch ruhig auf dem Senftenberger See, als Nicola Spirig am Morgen um 6:15 Uhr ihr Rad in der vielleicht kleinsten Wechselzone des Triathlonjahres vorbereitet. Währenddessen gibt sich ein entspannter und spaßender Kristian Blummenfelt am 3,8 Kilometer entfernten Start locker im Umgang mit den Zuschauern – und mit seinem heutigen Konkurrenten Joe Skipper. Dem einzigen Konkurrenten. Katrina Matthews überlässt die Detailarbeit ihrem Mann, der ihr Rad für sie in die Wechselzone schiebt. Dieser Triathlon ist anders – das sieht und spürt man.
Schwimmzeiten hinter den Erwartungen
Um Punkt sieben Uhr erfolgt der Start für die Frauen. Angela Maurer als Freiwasserspezialisten und die britische Triathletin Lucy Buckingham sind für den Wasserschatten und die direkte Linienwahl bei Nicola Spirig zuständig. Katrina Matthews setzt auf die beiden Triathletinnen Sarah Jane-Walker und India Lee, die als einzige Athletin für alle drei Disziplinen als Tempomacherin eingesetzt wird. Wie zu erwarten, gerade wegen der im Vorhinein identisch mitgeteilten Zeitplanung von 50 Minuten, entwickelt sich ein enges Rennen zwischen den beiden Kontrahentinnen. Über die 1.000-Meter-Marke hinweg kann Spirig an den Füßen von Maurer einen Vorsprung herausschwimmen, muss diesen jedoch Richtung Ende der Schwimmstrecken an Katrina Matthews abgeben. Schließlich erreicht die Vizeweltmeisterin von Utah vor vier Wochen mit einem Vorsprung von sieben Sekunden vor dem Team der Schweizerin auf den Strandausstieg in Großkoschen.
Die Jagd nach der Sieben-Stunden-Grenze für die beiden männlichen Protagonisten beginnt exakt eine Stunde später, um acht Uhr Ortszeit. Zu diesem Zeitpunkt fahren die beiden Frauenteams schon auf dem 20 Kilometer langen Zubringer zum Lausitzring. Im Team von Joe Skipper gibt es zum Start einen kurzfristigen Wechsel auf der Schwimmposition. Alistair Brownlee, der vor seiner Verletzung für dieses Rennen vorgesehen war, springt als Tempomacher beim Schwimmen ein und wird so doch noch Teil des Wettkampfs. Sowohl Kristian Blummenfelt als auch Joe Skipper bleiben über ihrer angepeilten Zeit, jedoch im Rahmen dessen, was an Rückstand auf die prognostizierte Zeit in Ordnung ist. Leichter Gegenwind, der über die Stunde Versatz zu den Frauen aufkommt, macht das Schwimmen gerade zum Ende hin etwas schwerer. Nach 48:21 Minuten erklimmt der Norweger die Stufen zur Wechselzone, während der Brite Skipper fünf Minuten danach aus dem Wasser kommt und hier genau den Abstand hat, der vor dem Rennen von ihm erwartet wurde.
Ab aufs Oval
Nach dem Punkt-zu-Punkt-Schwimmen geht es zum Dekra-Testoval auf dem Lausitzring. Hier heißt es 27 Runden zu drehen. Katrina Matthews baut ihren Vorsprung langsam aus, allerdings nicht so schnell, wie vermutet wurde. Mit unterschiedlichen Taktiken fahren beide Teams fast auf Augenhöhe: Während Matthews immer am hintersten Rad bleibt, fährt Nicola Spirig häufiger auch in der Mitte ihrer Helferinnen. Insgesamt setzen beide Triathletinnen sieben Tempomacherinnen ein, die sich im Wechsel mit Pausen ausruhen konnten. Die Schweizerin Spirig war in der Planung der Radzeit etwas defensiver unterwegs, bleibt nun 24:38 Minuten unter ihrer Zeit und absolviert die 180 Kilometer in einer Zeit von 3:53:16 Stunden nur knappe drei Minuten langsamer als das Team um Katrina Matthews, die 3:50:06 Stunden benötigt.
Die Mannschaft um Joe Skipper weiß von Beginn, um was es geht: die schnellste Radzeit. Im Laufe der vergangenen Tage sickerte durch, dass die angepeilte Zeit im Zeitfahrteam um Aerodynamikgenie Matt Bottrill, dem Helfer von Blummenfelt, deutlich schneller sein würde als mitgeteilt, weshalb der Druck groß ist. Es läuft nicht alles rund im Team des Norwegers. Mit einem Schreck kommt die Mannschaft davon, als einer der vorderen Helfer am Hinterrad des vor ihm fahrenden hängen bleibt und nur knapp einem Sturz entgeht. Nach 102 Kilometern ist es geschafft: Auf der Gerade zieht der britische Zeitfahrzug am Team um Blummenfelt vorbei und drückt weiterhin ordentlich auf die Pedale. Bis zum Ende des Radkurses fährt Team Joe einen Vorsprung von ungefähr drei Minuten heraus. Dabei sind beide Mannschaften schneller als erwartet: Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 54,9 Kilometern pro Stunde setz der acht Mann starke Zug von Skipper die Benchmark von 3:16:42 Stunden für den heutigen Tag.
Hitzeschlacht auf der Laufstrecke
Wer bei den Frauen einen Alleingang von Katrina Matthews an der Spitze erwartet hatte, der hat die Rechnung ohne Spirig gemacht. Drei Tempomacherinnen um sich, spult sie mit einer Leichtigkeit die ersten Kilometer ab, als hätte es vorher keine Anstrengung gegeben. Der Vorsprung von Matthews schmilzt von Runde zu Runde, und das Team um Spirig läuft konstant ein enorm hohes Tempo. Während der Aufholjagd ist Eis eines der Hilfsmittel, das nicht nur bei den Frauen Hochkonjunktur hat. Die Hitze nimmt mit dem Rennverlauf immer weiter zu und macht den Athletinnen und Athleten sichtlich zu schaffen.
Mit nur noch 14,2 Kilometern bis zum Ziel schließt die Schweizerin mit ihren beiden Helferinnen die Lücke zu Matthews und lässt sie gefühlt spielerisch hinter sich. Doch das Rennen ist noch nicht zu Ende: Gerade einmal fünf Sekunden Vorsprung kann Spirig herauslaufen. Matthews lässt sich nicht abschütteln – und bläst zum Gegenangriff. Ein Kraftakt der Britin sorgt dafür, dass das Comeback nicht lange auf sich warten lässt. Drei Kilometer, nachdem die Olympiasiegerin von 2012 an der Britin vorbeigelaufen ist, gibt es erneut einen Führungswechsel. Eine mentale Stärke, die nicht nur wegen der harten Bedingungen, sondern vor allem auch wegen des Eins-gegen-eins-Laufs beeindruckt. Mit nur noch drei von 14 Runden zu laufen ist Katrina Matthews sich ihres Sieges sicher und läuft ab diesem Zeitpunkt souverän einen Vorsprung von zwei Minuten heraus. Im Ziel frenetisch bejubelt, können die Britin und ihr Team eine Endzeit von 7:31:54 Stunden feiern – nur 54 Sekunden langsamer als von ihr selbst optimistisch prognostiziert. Auch Nicola Spirig kommt in 7:34:19 Stunden deutlich unter die Acht-Stunden-Marke.
Sub7/Sub8 | Frauen
5. Juni 2022 | Lausitzring, Dekra TestovalPlatz | Name | Land | Gesamt | 3,8 km Swim | 180 km Bike | 42,195 km Run |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | Katrina Matthews | GB | 7:31:54 | 54:43 | 3:50:06 | 2:46:09 |
2 | Nicola Spirig | SUI | 7:34:19 | 54:50 | 3:53:16 | 2:45:07 |
In der Rolle des Jägers
Die erhofften zehn Minuten Vorsprung auf Kristian Blummenfelt bringt Joe Skipper nicht mit in die zweite Wechselzone, dennoch wirkt er zum Wechsel selbstbewusst. Mit dem Wissen des Abstandes läuft der Brite deutlich schneller an als erwartet, so bleibt der Abstand die ersten Kilometer relativ auf einem ähnlichen Niveau. Blummenfelt, der anfangs von einem kenianischen Läufer auf dem Rad als Versorgungshelfer und einem als Pacemaker unterstützt wurde, muss nach einer guten halben Stunde erneut eine Schrecksekunde überstehen, als sein Helfer bei der Wasserübergabe mit dem Rad stürzt. Kurz bevor die Hälfte erreicht ist, überholte der amtierende Weltmeister seinen Kontrahenten und lässt anders als bei den Frauen auch kein Zweifel aufkommen, dass er Skipper schlagen wird. Doch der Brite wird vom Überholvorgang nicht aus dem Rhythmus gebracht und läuft unbeirrt das Tempo weiter, sodass am Ende gerade mal ein Rückstand von drei Minuten zum Norweger auf der Uhr stehen. Kristian Blummenfelt, der eine Pace um 3:25 Minuten pro Kilometer anlaufen wollte, merkt früh im Rennen, dass das Radfahren mehr Körner gekostet hat als im Vorweg erwartet.
Den Marathon läuft der Norweger in 2:30:50 Stunden, etwa fünf Minuten langsamer als prognostiziert, trotzdem hilft die starke Radzeit dabei, die Sieben-Stunden-Grenze deutlich zu unterbieten. Die dritte Langdistanz, nach der Weltbestzeit in Cozumel und dem Weltmeistertitel in Utah, endet für Kristian Blummenfelt nach 6:44:25 Stunden. Die magische Marke von sieben Stunden, für die das Projekt aufgestellt wurde, fällt um deutliche 15 Minuten. Aber auch sein britischer Kontrahent lässt es sich nicht nehmen und bestätigt seine Prognosezeiten, über die bei der Pressekonferenz noch einige gelacht haben. Nach dem Schwimmen und Radfahren reicht der schnellste Marathon, den Joe Skipper bei seinen nun 32 Rennen über die Langdistanz je gelaufen ist, für eine Zeit von 6:47:36 Stunden, was 36 Sekunden langsamer ist, als er angekündigt hatte.
Sub7/Sub8 | Männer
5. Juni 2022 | Lausitzring, Dekra TestovalPlatz | Name | Land | Gesamt | 3,8 km Swim | 180 km Bike | 42,195 km Run |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | Kristian Blummenfelt | NOR | 6:44:25 | 48:21 | 3:24:22 | 2:30:50 |
2 | Joe Skipper | GB | 6:47:36 | 53:24 | 3:16:42 | 2:36:43 |
Fazit: Großer Sport
Ein langweiliges Rennen wurde den Zuschauern ab dem ersten Kraulzug erspart. Von Anfang an zeigten alle Mannschaften eine Leistung, die verdeutlicht, welchen Stellenwert dieser Wettkampf für sie hatte. Bei heißen Bedingungen auf dem Dekra-Oval wurde größter Sport geboten, der zu keiner Zeit Langeweile aufkommen ließ. Die Rennverläufe beider Rennen sorgten dafür, dass man mit den Protagonisten mitfieberte, sogar ab dem Zeitpunkt, wo sich herausstellte, dass die Grenzen bei den Frauen und Männern sicher fallen würden. Trotzdem es ein Wettkampf auf Augenhöhe war, musste es am Ende eines Duells einen Sieger geben. Mit Kristian Blummenfelt und Katrina Matthews haben sich zwei Triathleten durchgesetzt, die an ihre Erfolgsgeschichte von vor vier Wochen anknüpfen konnten. Dennoch sollte die Leistung von Nicola Spirig und Joe Skipper nicht unterschätzt werden, denn mit Abständen von ungefähr zwei und drei Minuten liegen die beiden Duelle dichter zusammen als viele Profirennen außerhalb dieses Projektes, was die Leistungsdichte alle Teams verdeutlicht.
Und was ist das Labor Rennen wert außer Geld. Nicht kein Weltrekord. Nur Werbung und sonst nichts.
Klar war es eine Werbeveranstaltung. Dennoch beeindruckt was auf dem Rad möglich ist. Und die Laufzeiten sind sowohl bei den Männern, als auch bei den Frauen sehr stark. Das könnte durchaus ein neuer Maßstab für flache Ironman-Laufstrecken sein.
Wird immer mehr zum Kommerz das ganze.
Der Triathlon macht sich selber mehr und mehr kaputt.
Schade welche Entwicklung das nimmt, sowohl von den Preisen und Labor Rekordversuche.
Ich habe hier kein Labor gesehen. Niemand von den Sportlern hat seine Leistung im Schwimmbecken mit Gegenstrom (ohne Wind), auf der Rolle und dem Laufband gemacht, was für mich die Definition von „Labor“ wäre. Sie haben jeder einzeln ihre Leistung draussen erbracht. Die Veranstaltung ist von Anfang an darauf ausgelegt gewesen, Kindern und Jugendliche zu zeigen, wozu der Mensch fähig ist um diese mehr zum Sport zu bewegen und genau dafür hat sich dieses Event gelohnt. Nur so kann nämlich unser geliebter Triathlonsport weiter leben, in dem der Nachwuchs nachrückt und sportlich aktiv wird.
Was möglich ist? Wenn 4 Leute vor einem Radfahrer fahren und Windschatten spenden? So ein Unsinn. Ich kann das ganze sogar noch schneller fahren, wenn ich mich an einem fahrenden Auto festhalte. Da ist sogar noch mehr möglich.
Was wirkl möglich ist zeigt ein reiner Einzelkraftakt.
Ich muss auch als junger Interessierter Triathlet sagen, dass solche Leistungen nichts wert sind aber leider die Leistungen aus echten Wettkämpfen schmälern. Früher dachte man aus welcher Welt kommt die 7:36 von Frodeno. Ist heute immer noch absolut krass aber durch solche events leider nicht mehr so hoch angesehen.
Auch unter Nachhaltigkeits-Gesichtspunkten in meinen Augen eine komplett überflüssige Veranstaltung. Die Energie hätte man nutzen sollen, Triathlon grundsätzlich besser zu vermarkten. Die Renn-Videos von Pushing Limits zeigen z.B. im Kleinen, wie viel Leidenschaft mit soliden Bordmitteln rüber kommt. Ein Teil des Problems ist, dass die Ironman Organisation eher an Gewinnmaximierung interessiert ist, und sie als quasi Monopolist damit auch noch durchkommen.
Dies war ein interessantes Experiment und keineswegs verwerflich. Und das Ergebnis zeigt doch wohl ganz glasklar, wie eminent wichtig es ist, auf den Radstrecken für Ordnung zu sorgen und Betrüger konsequent zu eliminieren…
So ein Zirkus – mich interessieren solche Werbeveranstaltungen nicht mehr. Was kommt als nächstes – Radfahren mit 80er Schnitt hinter einem Auto? …. Der große Sport fand in Hamburg statt. Gratulation an Laura Phillip !