Es ist eine Triathlonsaison wie bisher keine zuvor – zumindest auf der Langdistanz. Wenn sonst die Langstrecken-Profis im Anschluss an die ersten Trainingslager des Jahres im März und April für gewöhnlich zum ersten Mal ihre Form testen, sind die wirklich großen Rennen der Saison meist noch viele Wochen entfernt. 2022 ist für die weltbesten Langdistanzler zum jetzigen Zeitpunkten allerdings bereits die entscheidende Phase im Training für die Ironman-Weltmeisterschaft in St. George am 7. Mai angebrochen. Chancen für Testrennen gibt es nur wenige – umso länger und namhafter sind die Startlisten bei den Wettkämpfen, die noch als großer Test infrage kommen. Eine der letzten Gelegenheiten für ein Aufeinandertreffen mit der direkten Konkurrenz vor dem großen Showdown in Utah bietet der Ironman 70.3 Oceanside am kommenden Wochenende. Die Mitteldistanz in Kalifornien ist traditionell stark besetzt und insbesondere in diesem Jahr können sich die Startlisten der Frauen und Männer nur fünf Wochen vor der ersten Ironman-WM des Jahres sehen lassen. Denn neben den WM-Startern mischen auch einige starke Mitteldistanz-Spezialisten und Kurzdistanzler die Starterfelder auf.
Der Startschuss für das Männerrennen fällt am kommenden Samstag, den 2. April, um 6:40 Uhr Ortszeit (15:40 Uhr deutscher Zeit). Die Frauen werden sechs Minuten später auf die Strecke geschickt, um 7:00 Uhr beginnt der Wettkampf für die Agegrouper. Die beiden Profirennen werden live und kostenfrei auf outsidetv.com übertragen.
Generalprobe für Brownlee und Sanders vor Showdown in St. George
Im stark besetzten Männerrennen richtet sich ein großer Fokus auf das Duell zwischen Lionel Sanders und dem zweifachen Olympiasieger Alistair Brownlee, die ebenfalls bei der Ironman-WM in St. George zu den Favoriten gehören werden. Sanders bestritt den Ironman-70.3-Oceanside bereits viermal und landete jedes Mal auf dem Podium. 2016 und 2017 gewann der Kanadier das Rennen bereits. Für den 34-Jährigen wird das Rennen gegen die starke Konkurrenz eine wichtige Standortbestimmung zu Beginn der Saison sein, nachdem die vergangenen Monate aufgrund seines neuen Trainers Mikal Iden in erster Linie durch große Veränderungen in der Trainingsweise geprägt waren. Ob diese Umstellungen nach den Wintermonaten des intensiven Trainings in einem Weltklassefeld bereits Früchte tragen, wird sich am Samstag zeigen. Wie das Rennen für Sanders verläuft, wird wohl stark von seinem Schwimmrückstand und der Dynamik der Spitzengruppe auf dem Rad abhängen.
Für Alistair Brownlee hingegen ist es das erste große Rennen seit fast einem Jahr. Der Brite, der sich von nun an ausschließlich auf die Langstrecke fokussiert, wurde im vergangenen Sommer am Fuß operiert und nutzte die Zeit zunächst für eine vollständige Heilung mit anschließendem Trainingsaufbau. Hinter der aktuellen Form des 33-Jährigen steht deshalb noch ein Fragezeichen. In einigen zwischenzeitlichen Updates auf seinen Social-Media-Kanälen äußerte Brownlee, dass er zufrieden mit dem Verlauf der vergangenen Trainingsmonate sei. Sollte der zweifache Olympia-Sieger in Top-Form an der Startlinie stehen, wird er für alle anderen vermutlich derjenige sein, den es zu schlagen gilt. Unabhängig von der Form ist jedoch davon auszugehen, dass Brownlee von Anfang an eine aggressive Taktik wählt und das Rennen schnell machen wird.
Long sagt kurzfristig ab, Kanute, von Berg, Appleton und Hanson als Mitfavoriten
Als weiterer Favorit galt im Vorfeld bereits seit längerer Zeit Sam Long. Nach seinen beiden dominanten Siegen beim Clash Miami und der Challenge Puerto Varas hielt sich der junge Amerikaner seinen Start aufgrund der enormen Wettkampfbelastung und Reisestrapazen bis zur Mitte der Rennwoche offen. Erst am Mittwochabend verkündete er, aufgrund seines noch angeschlagenen Zustands und einer leichten Erkältung in den vergangenen Tagen auf einen Start in Oceanside zu verzichten. Am Start hingegen sind die Topathleten Ben Kanute, Sam Appleton, Rudy von Berg, Matt Hanson, David McNamee, Jackson Laundry und Steven McKenna. Allen wäre mindestens eine Podiumsplatzierung zuzutrauen. Kanute gewann das Rennen bereits im Jahr 2019 und 2021, während Rudy von Berg, Dritter der Ironman-70.3-WM 2019, sich nach einem Trainingslager auf Maui ebenfalls in starker Form zu befinden scheint. Auch den drei US-Amerikanern Chris Leiferman, Jason West und Eric Lagerstrom sind Top-Platzierungen zuzutrauen. Als einziger deutscher Starter im männlichen Profifeld ist Andreas Dreitz gemeldet, der im Falle eines schnellen Schwimmens und mit einer starken Rad-Lauf-Kombination je nach Rennszenario durchaus den Sprung in die Top 5 schaffen könnte.
[yop_poll id=“26″]
Knibb, Findlay, Lawrence und Gentle fordern Daniela Ryf heraus
Im Frauenrennen treffen gleich vier Athletinnen aufeinander, die den Ironman 70.3 Oceanside in der Vergangenheit bereits gewonnen haben: Daniela Ryf, Paula Findlay, Holly Lawrence und Heather Jackson. Für Ryf und Jackson ist das Rennen am Samstag ebenfalls die Generalprobe für die WM in St. George, während sich Findlay und Lawrence aktuell noch auf die Mitteldistanz fokussieren. Nachdem Daniela Ryf bei ihrem Saisonauftakt im Rahmen des Ironman 70.3 Dubai aufgrund eines langsameren Halbmarathons am Ende in der Laufentscheidung Laura Philipp unterlegen war, wird es spannend, wie sich die Schweizerin bei der hohen Leistungsdichte in Oceanside schlagen wird. Denn auch am Wochenende gibt es mehrere Athletinnen, die möglicherweise in der Lage sind, schneller als Ryf zu laufen, wenn es am Ende auf eine Entscheidung in der dritten Disziplin ankommen sollte. Dazu gehören neben der in allen Disziplinen sehr starken und ausgeglichenen Vorjahressiegerin Paula Findlay vor allem die beiden Kurzdistanzlerinnen Taylor Knibb und Ashleigh Gentle.
Knibb zeigte im vergangenen Jahr noch mit einem Rennrad auf der Mitteldistanz, dass sie sich gegen niemanden verstecken muss und insbesondere in der zweiten Disziplin als absolute Weltspitze einzustufen ist. In Oceanside wird die US-Amerikanerin das erste Mal mit einem Zeitfahrrad im Wettkampf unterwegs sein. Grund genug, sie als Top-Favoritin einzustufen, nachdem sie 2021 Dritte bei der Ironman-70.3-WM wurde, das Grand Final auf der Kurzdistanz gewann und sich beeindruckend beim Collins Cup gegen ihre Konkurrenz durchsetzte. Ashleigh Gentle gewann erst vor drei Wochen ihren Saisonauftakt beim Clash Miami und könnte an diese starke Leistung mit einer Podiumsplatzierung in Oceanside anknüpfen. Entscheidend wird für die Australierin sein, nicht zu viel Zeit auf dem Rad auf die direkten Konkurrentinnen zu verlieren. Um einen Platz auf dem Podest werden auch Holly Lawrence, Heather Jackson, Skye Moench, Ruth Astle und Chelsea Sodaro kämpfen. Während es Lawrence, der Ironman-70.3-Weltmeisterin von 2016, nach einigen Laufproblemen möglicherweise an der Form in der dritten Disziplin fehlen könnte, werden Jackson und Moench wohl mit einem Schwimmrückstand zu kämpfen haben, der die Siegchancen bereits frühzeitig zunichtemachen könnte. Das Frauenrennen der Profis findet ohne deutsche Beteiligung statt.
[yop_poll id=“27″]