Nis Sienknecht hat mich elf Jahre lang begleitet – als Kollege, Freund und Triathloninsider mit Herz. Am Sonntag verstarb er plötzlich und viel zu früh im Alter von nur 47 Jahren. Er hinterlässt eine trauernde Familie, unzählige Freunde und Kollegen sowie eine Welt des Triathlons, die ohne ihn ärmer ist. Erinnerungen.
Diese Erinnerungen beginnen für mich im Jahr 2003. Damals war der große Triathlon neu in Hamburg. Erstmals konnte ein riesiges Triathlonevent komplett im Herzen einer pulsierenden Großstadt inszeniert werden. Und wie planten wir, das Ereignis zu begleiten? Indem wir den besten Triathleten jener pulsierenden Großstadt an ihren wichtigsten Orten inszenierten (oder solchen, die wir als Neu-Hamburger für wichtig hielten).
Der beste Triathlet der Stadt war damals Nis Sienknecht. Ein Hamburger Jung. Hamburger Meister auf allen Distanzen im Triathlon und Duathlon. Ein Punkrocker mit Herz, den blond gefärbten Haaren von Campino und der kratzigen Stimme von Rod Stewart. Wir ließen ihn im Triathloneinteiler mit einem Hafenkapitän an den Landungsbrücken posieren, im Triathloneinteiler mit Löwenkönigin Nala auf der Bühne des Hafentheaters auftreten und im Triathloneinteiler im Dollhouse an der Stange tanzen.
Und wir lernten uns kennen und schätzen. Die Story war im Kasten, der Kontakt blieb. Nis half uns in unserem noch jungen Verlag hier und da und immer mal wieder aus. 2005 bekam er bei uns seine erste Vollzeitstelle: Als Eventmanager stellten wir den damaligen Sportstudenten ein (ohne dass wir Events hatten, die sein Gehalt refinanzieren würden). Die Event-Schiene legten wir schnell ad acta, die redaktionellen Anforderungen aber wuchsen und so wandelten wir seinen Vertrag in den eines Volontärs um, unseres ersten Volontärs. Wir vermittelten ihm unser selbst noch recht frisches redaktionelles Wissen, schickten ihn auf die Journalistenschule.
Aus dem Volontär wurde 2006 ein Redakteur, 2009 ein stellvertretender Chefredakteur, 2011 der geschäftsführende Redakteur (welche Aufgaben mit dieser für ihn geschaffenen und später mit ihm abgeschafften Rolle einhergingen, ist mir entfallen) und von 2012 bis 2015 der Chefredakteur der Zeitschrift triathlon. Eine Aufgabe, die er mit Herz erfüllte und in der er sich viele Herzen eroberte. Auch das unserer Praktikantin Lisa, die später seine Frau und die Mutter der gemeinsamen Söhne (heute 5 und 8 Jahre alt) werden sollte.
Elf Berufsjahre lang begleitete mich Nis auf vielen Wegen. Er prägte den Begriff des Triathloninsiders. „Insider. Coach. Experte.“ war sogar eine Ära lang unser Untertitel (und seine Headline „Die Traumfabrik“ wurde der Untertitel der Challenge Roth). Und Nis war alles davon: Insider, Coach, Experte, oft auch Träumer, aber immer mit Herz.
Was haben wir in diesen Jahren nicht alles gemeinsam erlebt … 2008 reisten wir zusammen zu den Olympischen Spielen nach Peking. Wir waren die ersten Vlogger der Triathlonwelt. Wir fuhren zusammen (und immer mit der Videokamera, damals noch mit Tape) im Starkregen Rikscha. Im Dorfrestaurant bestellten wir uns einen Tisch für zwei (ohne zu wissen, dass das mitteleuropäische Handzeichen für zwei in China die Zahl acht symbolisiert). Wir bekamen daher auch die achtfache Knoblauchdosis in der Fischsuppe, in der ganze Fische schwammen. Wir zwängten uns in royale Gewänder – die Ausstatter hatten je genau eines für die Kaiserin und eines für den Kaiser von China. Die Videos zeigten wir auf einer Vor-vor-vor-Version dieser Website (und nicht auf YouTube). Heute schlummern sie auf unseren Festplatten wie die Erinnerungen in unseren Herzen.
Wir schmuggelten uns am Frodeno-Abend ins Deutsche Haus, gratulierten dem Champion (und einem Gewichtheber namens Matthias Steiner). Wir sahen mit Sportdeutschland live auf der Leinwand das erste Olympiagold von Usain Bolt. Das Basketballspiel USA gegen Griechenland sahen wir sogar wirklich live: Die US-Fans riefen unentwegt „USA, USA!“, die Griechen „Barack Obama“. Es war Wahlkampf. Und für uns begann wenig später ein Überlebenskampf mit kurzzeitigem Herzklabaster: Offenbar waren wir Menschen aus dem Westen dem Taxifahrer auf dem dunklen Rückweg zum 60 Kilometer entfernten Triathlonort Changping zu unheimlich geworden, sodass er uns einfach irgendwo im Nirgendwo auf der Autobahn aussetzte.
2013 erblickten die Kona Boys das Licht der Welt. Nis und Frank, die Herzbuben des Triathlons, nur in sportlich-schlank. Das Konzept war einfach: Wir stellten eine Kamera auf, hefteten uns Mikrofone ans Shirt und plauderten einfach drauflos. Frei nach Schnauze, immer herzhaft. Mal am Strand, mal auf dem Coffee Boat. Mal im Kaffee, mal laufend mitten im legendären PATH-Run. Mal im Auto, mal auf dem Scooter. Aber immer mit den gleichen Regeln: Wenn die Kamera lief, lief sie. Kein zweiter Take, keine Cuts. Das war die Vorstufe von live. Leider ebenfalls nicht auf YouTube und daher nur noch in unserem Archiv zu finden, es sei denn …
Nis hatte wirklich ein großes Herz. Er mochte die Menschen und sie mochten ihn. Nis war einer von der Sorte, von denen man sagt, dass sie keiner Fliege etwas zuleide tun könnten. Das ist im Journalismus manchmal nicht ganz einfach, aber so konnte er der Triathloninsider werden – und auch bleiben, als er bei uns aus- und in die Industrie einstieg. Und das habe ich heute gemerkt, als das Telefon nicht aufhörte zu klingeln – und sich am anderen Ende der Leitung immer Trauer mit Hilfsbereitschaft mischte. Und mal ganz unter uns sonstigen Triathloninsidern: Diese Hilfsbereitschaft wird gebraucht. Du wirst gebraucht. Wir koordinieren gerade ein paar Aktionen, um die Familie in den schweren Tagen und in den schweren Monaten, die noch kommen, zu unterstützen.
Nis gehörte zu uns. Nis gehörte in den Sport. Und er gehörte nach Kona. Auf einem Weg mit uns nach Hawaii komponierte er auf dem iPad mit Garage Band unser Jingle, zunächst für triathlonTV, heute immer noch zum Start jedes Podcasts Carbon & Laktat. Dumdum – dum dum – dum dum. Und dann der Herzschlag, der uns bis heute begleitet.
Es ist immer noch nicht zu fassen, dass Nis’ Herz am Sonntag aufgehört hat zu schlagen.
Rest in Peace, Kona Boy!
Und Mahalo für alles!
Ich bin immer noch geschockt und traurig! Kannte ihn über 25Jahre und haben früher viel zusammen trainiert und gefeiert, jetzt geht eine Radtrainingsstrecke von mir an seinem Haus vorbei, so daß wir uns öfter dort zufällig getroffen und über alte Zeiten gesprochen hatten. Unendlich traurig 🙁
Ich bin immer noch fassungslos über dieses Unglück und den großen Verlust, den Nis Tod für den Sport, für alle Menschen, die ihn kennenlernen und mit ihm arbeiten konnten und natürlich vor allem für seine Familie und engen Freunde bedeutet. Danke für diese gefühlvollen Worte, lieber Frank, die sehr viel von dem enthalten, was auch ich mit unserem langjährigen Kollegen verbinde.
Danke und Friede mit dir, lieber Nis!