Freitag, 19. April 2024

Extremer Ehrgeiz. Extremer Wille. Extremer Kampf.

Michael Krüger ist tot. Der Triathlet, der mit 17 Hawaii-Finishes so oft über die Ziellinie des Ironman Hawaii lief wie kaum ein anderer Deutscher, starb im Alter von nur 56 Jahren im Kreis seiner Familie.

Michael Krüger war pensionierter Berufssoldat und Stabsfeldwebel a. D. In seiner über 30-jährigen Dienstzeit in der Logistiktruppe der Bundeswehr, mit mehr als zehn Auslandseinsätzen im Gesamtumfang von 1.500 Tagen in IFOR (Kroatien), SFOR (Bosnien-Herzegowina), KFOR (Kosovo) bis hin zu ISAF im fernen Afghanistan, hat Michael Krüger beruflich viel erlebt und für sein Land noch viel mehr geleistet.

- Anzeige -

Seine größte Leidenschaft, seine Passion, galt jedoch dem Triathlon.

Nach seinem ersten Marathon im Jahr 1987 in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel, in der er auch mit seiner Familie seinen Lebensmittelpunkt hatte, packte Michael der Ehrgeiz – und das Feuer für den Ausdauerwettkampf war gelegt.

Nach vielen Triathlonwettkämpfen vom Jedermann bis hin zur Mitteldistanz ging Michael im Jahr 1994 in Roth erstmals beim Ironman Europe an den Start. Auf Anhieb qualifizierte er sich für den Ironman Hawaii, den er in 10:22 Stunden finishte.

Was darauf folgte, liest sich für viele wie ein Märchen: Von 1994 bis ins Jahr 2012 ist „Micha“ fast durchgehend in Kailua-Kona am Start gewesen. Als Angehöriger der „Triathlon Heeresmannschaft Ironman“ hat er dort 17-mal gefinisht und das legendäre Finishershirt sowie die Medaille erkämpft. Hawaii wurde für den Soldaten zum Jährlichen Pflicht- und Hauptziel, mit seinen Kameraden der Bundeswehr führte er oft die deutschen Triathletinnen und Triathleten bei der Nationenparade am Dienstag vor dem Rennen über den Alii Drive. Daneben konnte er bei über 50 weiteren Ironman-Rennen weltweit finishen. Dreimal stand er in Kona auf der Bühne der Top-5-Finisher seiner Alterklasse. Dreimal siegte er auch beim Ironman Florida. Seine persönliche Bestzeit gelang ihm in 8:52 Stunden als Altersklassensieger des Ironman Klagenfurt. Auch beim Powerman in Zofingen und Deutschen Meisterschaften im Duathlon konnte er Altersklassentitel einfahren.

Auch seine Frau Danny lernte Michael Krüger beim Sport kennen, 2005 im Trainingslager auf Sardininen. Sie verliebten sich, trainierten zusammen und finishten gemeinsam zweimal auf Hawaii. Im Oktober 2015 kamen ihre Zwillinge Lara und Marie zur Welt, im August 2016 heirateten Michael und Danny – das Glück schien perfekt, doch das Schicksal meinte es anders.

Im Oktober 2015, dem Geburtsjahr der Zwillinge, konnte Michael Krüger sich abermals beim Ironman France in Vichy für Hawaii qualifizieren. 2016 sollte in Kona das 18. Ironman-WM-Finish folgen – getreu seinem Motto: „Stay strong – never give up! See you at the finish line!“ Doch dieses Ziel blieb ihm verwehrt.

Stay strong – never give up! See you at the finish line!

Lebensmotto von Michael Krüger

Im Februar 2016 spürte Michael, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Er klagte über Kraftlosigkeit, die Feinmotorik ließ nach. Michael machte vor allem zu schaffen, dass er nicht mehr schnell laufen konnte. Im September 2016 diagnostizierten die Ärzte die unheilbare und tödlich verlaufende Krankheit ALS. Die „amyotrophe Lateralsklerose“ ist eine chronisch-degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems. In Triathlonkreisen ist die Krankheit dadurch ins Bewusstsein gerückt, seit sich die Weltklasseathletin und vierfache Ironman-Weltmeisterin Chrissie Wellington bei vielen ihrer Siege über die Ziellinie rollte: Die sogenannte Blazeman-Rolle sollte an den ALS-Patienten Jon Blais und dessen Stiftung erinnern, die sich dem Kampf gegen die Krankheit verschrieben hat – ein Zeichen, das viele Triathleten weltweit als festes Finish-Ritual aufgenommen haben.

Vom Moment seiner Diagnose an änderte sich das Leben von Michael Krüger schlagartig. Bereits nach einem Jahr konnte Michael nicht mehr gehen, nicht mehr allein essen und war fortan auf fremde Hilfe angewiesen. Im November 2017 war die Krankheit bereits so weit fortgeschritten, dass er nicht mehr alleine atmen konnte, die Ärzte mussten aufgrund einer CO2-Narkose einen Luftröhrenschnitt vornehmen. Michael musste durch einen 24-Stunden-Intensivpflegedienst betreut werden.

Die Familie baute ihr Haus behindertengerecht um, damit Michael seine Kinder und Familie um sich haben und liebevoll betreut werden konnte.

Nach einem vierjährigen Leidensweg überquerte Michael Krüger am 6. August 2020 ein letztes Mal die Finishline.

Wir sind unheimlich traurig.

Unser tiefstes Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Angehörigen.

R.I.P. Micha

Dierk Schäfke, für deine ehemaligen Kameraden der Heeresauswahl Ironman

Fehler gefunden? Bitte teile uns hier mit, was wir verbessern können!

Für öffentliche Kommentare und Diskussionen nutze gern die Funktion weiter unten.

- Anzeige -

7 Kommentare

  1. Mir wurde die Nachricht von einem unserer gemeinsamen Kameraden übermittelt.
    Ich war zu tiefst getroffen über diese Nachricht, vorallem weil ich Micha als sehr lieben und positiv verrückten Kerl damals kennengelernt habe.
    Ich bin mit meinen Gedanken bei dir lieber Micha und wünsche deiner Familie sehr viel Kraft.

    RIP Micha

    Ehemaliger Kamerad der Brigade 18
    Tim Ulmer

  2. Viele seiner Wettkampfgefährten haben heute morgen in Bordesholm unter einer alten Rotbuche Michaels Urne mit in ein anonymes Grab gesetzt. Für eine Beerdigung in Corona-Zeiten waren ungewöhnlich viele Trauergäste anwesend.
    Trotz des vorhersehbaren Ausgangs seiner schweren Krankheit war der Schmerz der Familie und die Trauer unter seinen Freunden sehr zu spüren.
    Michi hatte eine starke Frau. Sie hat seine Urne selbst auf seinem Triathlon-Fahrrad bis an das Grab gefahren. Anstelle eines Kranzes hatte sie ein Ironman-Zeichen aus Rosen binden lassen. Ein Finisher-Bild von Hawaii stand neben seinem Grab und aus einem Tablet wurde u.a. hawaiianische Musik eingespielt. Und sie hat seine Urne selbst in das Grab gesenkt. Das kann nicht jeder.
    Ein sehr guter Trauerredner stellte Michi nach einmal dar wie er war. Ehrgeizig, fokussiert wenn es darauf ankam, aber niemals verbissen und ein fröhlicher Mensch außerhalb seiner Vorbereitungszeit auf ein Rennen.
    Seine Frau hat ihm noch eine seiner Medaillen in das Grab gelegt. Wir haben eine Finisher-Kette aus Hawaii und eine anständige griechische Münze für den Fährmann Charon der griechischen Mythologie dazu gegeben, damit er mit Michi auf dem Weg in den Hades noch kurz auf der Westseite von Big Island vorbeifährt und er sich dort richtig verabschieden kann. Einen schon erkämpften 18. Slot für Hawaii konnte er ja nicht mehr nutzen.
    Wenn ich meinen Rücktrittsnagel noch in Hawaii in einen Baum vor der Finish-Line einschlagen darf, wird einer Deiner Schuhe als erster daran gehängt, Michi. So feine Menschen wie Dich kann man nicht vergessen.
    Und wenn wir in Deutschland ein Arlington hätten, würdest Du jetzt dort unter einem Stein mit Deinem Namen liegen, weil Du so viel für Dein Land gegeben hast.
    Wo auch immer Deine Seele jetzt ist, Ruhe in Frieden.

  3. Ehre, wem Ehre gebührt und Frieden einem Helden und seiner Familie. Die mir damals erste mit dem brandneuen Startpass ausgehändigte Zeitschrift „Triathlon das Magazin“ Nr. 26 von Juni 2004 hat nun einen festen Platz in der Vitrine gefunden. Vgl. Artikel „Staub, so weit das Auge reicht. Bundeswehrsoldaten trainieren im Kosovo“ (S. 32 f.)…

  4. Habe mit Micha 1996 bei IFOR in Kroatien 3 Monate im Container gelebt, natürlich mit seiner Fahrradrolle…Micha war liebenswert, authentisch, verrückt, ne ehrliche Socke. Kann mich an so manches Rennen von Micha auf Rolle im Container erinnern. Seine Rennkommentare waren saulustig und die Baileys ließen Micha zur Höchstform auflaufen. Selten so viel Spaß gehabt in einem Einsatz. Micha wird fehlen, ein echter Typ weniger. R.I.P MICHA

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Redaktion triathlon
Redaktion triathlonhttps://tri-mag.de
Die Redaktion der Zeitschrift triathlon und von tri-mag.de sitzt in Deutschlands Triathlonhauptstadt Hamburg im Stadtteil Altona. Das rund zehnköpfige Journalistenteam liebt und lebt den Austausch, die täglichen Diskussionen und den Triathlonsport sowieso. So sind beispielsweise die mittäglichen Lauftreffs legendär. Kaum ein Strava-Segment zwischen Alster und Elbe, bei dem sich nicht der eine oder andere spomedis-Mitarbeiter in den Top Ten findet ...

Verwandte Artikel

ePaper | Kiosk findenAbo

Aktuelle Beiträge

Mehr lesen und erleben mit triathlon+

Triathlon ist mehr als Schwimmen, Radfahren und Laufen. Mit der Mitgliedschaft bei triathlon+ erlebst du den schönsten Sport der Welt so umfangreich wie nie zuvor. Wir haben drei attraktive Modelle für dich: Mit dem Monatsabo hast du die volle Flexibilität. Mit dem Halbjahresabo kannst du unseren Service umfangreich testen und mit dem Jahresabo sparst du bares Geld.

Monatsabo

9,95 -
Jetzt mitmachen bei triathlon+
  • volle Flexibilität
  • € 9,95 pro Monat
  • monatlich kündbar
Empfehlung!

Jahresabo

89,95 -
Größte Ersparnis bei triathlon+
  • Mindestlaufzeit 12 Monate
  • danach monatlich € 9,95
  • nach 1 Jahr monatlich kündbar

Halbjahresabo

39,95 -
Ein halbes Jahr zum Vorteilspreis
  • Mindestlaufzeit 6 Monate
  • danach monatlich € 9,95
  • nach 6 Mo. monatlich kündbar