Nils Reckemeier hat Deutschland verlassen und befindet sich mit seinem selbst gebauten Schlafwagen nun in alpinem Gelände. In wenigen Tagen wird er voraussichtlich Nizza erreichen, doch davor hatte er mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Hier könnt ihr alles über sein Projekt und den Beginn seiner Reise nachlesen.
Nils Reckemeier hat eine 40-Stunden-Woche hinter sich. So lange saß der 29-Jährige im Sattel, um seinem Ziel Nizza näherzukommen. Ungefähr 780 Kilometer seien es gewesen, mit bis zu 2.000 Höhenmetern pro Tag. Die längste Tour war mit 215 Kilometern eine Flachetappe über Straßburg – einen Tag nach Nils’ Wettkampf beim Triathlon in Viernheim. Er wollte möglichst viel Boden gutmachen, bevor in den folgenden Tagen Gegenwind aufkommen sollte. Von Breisach bei Freiburg ging es dann erst einmal nur nach Basel in die Schweiz, bevor am Folgetag schließlich „der erste richtige Anstieg“ wartete: vier Kilometer mit einer Steigung von 14 Prozent. Dafür wäre das eine oder andere Ritzel mehr nicht schlecht, Nils fährt trotz Zusatzgewicht des Anhängers allerdings eine 11-28-Kassette. „Meine Übersetzung ist dafür natürlich völlig ungeeignet. Das war auf jeden Fall Kraftausdauertraining mit einer sehr niedrigen Trittfrequenz“, erzählt er.
Wertvolle Begegnungen und ein Werkstattbesuch
E-Bike-Fahrer, die am Anstieg entspannt vorbeiradeln, sind normalerweise ein Ärgernis. Für Nils war es versorgungstechnisch eine rettende Maßnahme. Der motorisierte Mitstreiter lud ihn nämlich nach einer Unterhaltung kurzerhand zum Abendessen bei sich ein. So hatte Nils auch gleich die nächste Einladung für den Tag darauf und machte sich auf den Weg zur Schwester des E-Bike-Fahrers in die Nähe von Genf. Den Schlafwagen parkte er in der Einfahrt.
Von dort sollte es nach Chambéry gehen. „Da bin ich wahrscheinlich zu häufig und zu schnell über Bodenwellen und kleine Schlaglöcher gefahren“, kündigt Nils das Dilemma an. In einem kleinen Bergdorf brach die Deichsel des Anhängers, was ein Weiterfahren unmöglich machte. „Ich war dann natürlich erst einmal gestrandet. Ich glaube aber immer, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt.“ Nils machte sich also auf die Suche nach der Lösung in Form eines Schweißgeräts. Das gab es zunächst nicht, dafür jedoch eine Dusche und etwas zu essen. Tatsächlich gab es im Dorf auch eine einzige kleine Autowerkstatt, wo Nils sofort geholfen wurde.
Am Samstag ging es schließlich weiter nach Grenoble. „Als ich mich den französischen Alpen genähert habe, haben mich die Vorbeifahrenden gefühlt noch mehr angefeuert. Hier feiert man den Radsport offensichtlich sehr“, berichtet Nils. Teilweise sei man extra langsam an ihm vorbei, um das Fenster für „Allez Allez Allez“ herunterzukurbeln. Das würde in Deutschland wohl nicht passieren.
Am Abend kam es zu einer weiteren Begegnung der Community. Via Instagram hatte Nils eine Nachricht von einer einheimischen Radfahrerin erhalten, die ihn davor warnte, seinen Camper nachts in der Gegend abzustellen. Stattdessen verbrachte er den Abend mit ihr und ihrem Freund, einem ehemaligen Profi-Radsportler. Am Schlussanstieg des nächsten Tages wurde Nils in der Dämmerung mit einer fantastischen Aussicht belohnt. „Da war es mir dann auch egal, dass ich die Abfahrt im Dunkeln fahren musste. Ohne die Schwierigkeiten vorher wäre das nur halb so schön gewesen“, erinnert er sich. Mit heißen Felgenbremsen kam Nils schließlich nach der sechs Kilometer langen Abfahrt mit zwölf Prozent Gefälle in seinem Nachtlager, einem Park, an. Wenn dann sofort die Rasensprenger angehen, kann man sich darüber ärgern oder über eine kostenlose Dusche freuen. Nils entschied sich für Option B. „Man darf sich selbst nicht zu ernst nehmen. Gerade im Triathlon gibt es schon genug Perfektionismus.“