Dienstag, 3. Dezember 2024

Alkohol und Training – passt das?

Das Belohnungsbierchen nach einem harten Intervalltraining, das Gläschen Wein zum Pastagericht: Die meisten Triathleten trinken nicht exzessiv, klammern Alkohol aber auch nicht komplett oder dauerhaft aus ihrem Alltag aus. Selbst die Profis sind nicht immer abstinent. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. „Es spricht medizinisch gesehen nichts dagegen, regelmäßig leicht bis moderat zu trinken, wenn keine weiteren Krankheitsrisiken wie Rauchen, eine Leber-, Herz-Kreislauf- oder Stoffwechselerkrankung bestehen“, erklärt ­Astrid Stienen. Die Siegerin des Ironman ­Barcelona 2016 ist nicht nur Profi-Triathletin, sondern auch Ärztin, und weiß, wie Alkohol im Körper wirkt: Er ist ein Zellgift. 

Leistungskiller Alkohol

Entsprechend versucht der Körper, diese schädliche Substanz so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Das heißt, er stellt alle anderen Abläufe erst einmal hinten an. Die Folge: Die biochemischen Prozesse, die zum Beispiel für Erholung und Muskelwachstum zuständig sind, werden verzögert oder beeinträchtigt. „Regelmäßiger Alkoholkonsum hemmt die Produktion wichtiger Hormone, die für einen Trainingserfolg essenziell sind, zum Beispiel Testosteron und Wachstumshormone“, weiß Caroline Cornfine, Ernährungsexpertin und Autorin des Buches „Meine perfekte Triathlonernährung“. Außerdem schläft man unter (stärkerem) Alkoholeinfluss schlechter, da man zwar besser einschläft, aber – das zeigen verschiedene Studien – nach ein paar Stunden häufiger aufwacht. Vermutlich liegt dies daran, dass dann der Alkohol so weit abgebaut ist, dass er stimulierend wirkt. Außerdem verkürzt er die sogenannten REM-Schlafphasen, die Gedächtnisleistung und motorische Fähigkeiten positiv beeinflussen.

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Sportkompatibel trinken?

Stellt sich die Frage, was bedeutet „regelmäßiger Alkoholkonsum“? Darüber lässt sich streiten. „Für manche beginnt ‚regelmäßig‘ schon, wenn man am Wochenende beim Abendessen etwas trinkt. Offiziell spricht man aber davon, wenn jeden Tag ein Glas Wein oder anderweitige alkoholische Getränke konsumiert werden“, sagt Astrid Stienen und empfiehlt, mindestens zwei alkohol­freie Tage pro Woche einzuhalten. Auch an den anderen Tagen sollte man es nicht übertreiben. Laut Stand der Wissenschaft liegt die Grenze des gesundheitlich risikolosen Alkoholkonsums nämlich bei ungefähr 20 Gramm für Männer. Das entspricht gerade einmal einem Viertelliter Wein oder einer 0,33-Liter-Flasche Bier. Bei Frauen liegt die unbedenkliche Menge bei der Hälfte, da sie Alkohol aufgrund des höheren Fettanteils im Körper und einer geringeren Enzymaktivität (Alkoholdehydrogenase) schlechter abbauen können. Und da gibt es auch keine sportlerkompatiblen Ausnahmen: „Das Gerücht, dass Rotwein eine positive Wirkung auf den Körper haben soll, auch bekannt als French Paradox, hält sich so hartnäckig wie der hohe Eisengehalt von Spinat. Heute weiß man allerdings, dass die gesundheitsfördernden kardiovaskulären Auswirkungen nicht am Alkohol liegen, sondern an den im Wein enthaltenen Flavonoiden“, erläutert Coach Christian Decker, der mit seinem Unternehmen Triworx-Coaching Triathleten, Radsportler und Läufer aller Leistungsklassen fit macht. Konkret heißt dieses ­Flavonoid im Fall von Rotwein Resveratrol und laut einer Untersuchung der ­Harvard Medical School soll es den Cholesterinspiegel und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Nur: „Viele Studien zu den ­Wirkungen von ­Resveratrol sind lediglich an niederen Lebe­wesen wie Fadenwürmern durchgeführt worden und Beobachtungsstudien zur Sterblichkeit beim Menschen gibt es kaum verlässliche“, ­relativiert Ernährungsexpertin ­Cornfine und rät, lieber Traubensaft zu konsumieren, wenn man sichergehen möchte, dass ­einem nicht doch ein positiver Effekt entgeht. Denn das Resveratrol steckt nicht im Wein als solchem, sondern in den Schalen der roten ­Trauben – aus denen auch der Saft gemacht wird. 

Prost in der Pause

Besonders in harten Trainingsphasen und mindestens 48 Stunden vor einem Wettkampf sollte man auf Alkohol verzichten, vor allem, wenn man ihn nicht gewohnt ist. Denn die hormonellen Veränderungen, die der Alkoholgenuss mit sich bringt, halten viel länger an als die berauschende Wirkung. Das heißt: Auch wenn wir wieder nüchtern sind, steht unser Stoffwechsel weiterhin unter Alkoholeinfluss. Wir verschenken dadurch wertvolle Trainingseffekte und Leistungs­potenzial. Caroline Cornfine empfiehlt, sich selbst zu beobachten, um das richtige Maß zu finden: Wie entwickelt sich der Ruhepuls, wenn man abends nach dem Training ein Glas Wein oder Bier trinkt? Wie ist er, wenn man ein paar Tage auf Alkohol verzichtet? Wie fühlt man sich im Training? Die Menge, die jemand verträgt, ist sehr individuell. Die Ernährungsexpertin rät deshalb: „Auf seinen Körper zu hören, ist in Wettkampfphasen das A und O.“ Ein bisschen lockerer kann man es in der Off-Season angehen lassen. Hier ist es zwar keinesfalls eine Empfehlung, sich ständig Prozenthaltiges zu genehmigen. Aber immerhin geht es in dieser Phase, in der wir den Körper sportlich weniger fordern, in Ordnung, ab und zu im oben genannten Rahmen Alkohol zu konsumieren. Sogar Profis würde Coach ­Christian Decker in dieser Zeit das eine oder andere Schlückchen zugestehen: „Aus meiner Sicht ist es für einen Profi in gewissen Phasen weiter weg vom Wettkampf sogar leichter, kleine alkoholische Mengen zu genießen. Das liegt daran, dass der Agegrouper erheblich mehr Stress hat, sein Training in den Alltag aus Job, Familie und Sport zu integrieren. Dementsprechend ist häufig das Cortisol-Level höher als bei den Profis.“ Wer regelmäßig trinkt, erhöht den Spiegel dieses Stresshormons weiter.

Kater mögen keinen Sport

Außerdem sollte man wissen, dass Bier, Wein und Co. nicht gerade Diätgetränke sind. Ein Gramm Alkohol enthält sieben Kilokalorien. Das bedeutet: knapp 140 Kilokalorien pro 0,33 Liter Bier und fast 160 pro 0,2 Liter Rotwein. Mixge­tränke sind noch wuchtiger: Cocktails schlagen mit 200 bis 400 Kilo­kalorien zu Buche. Dazu kommt, dass ­Alkohol einerseits den Appetit anregt, anderer­seits aber die Fettverbrennung stoppt beziehungsweise den Fettaufbau fördert, da die Leber ihn in den ­Essigsäure-Bestandteil Acetat umwandelt. Ein Gift, das der Körper vorrangig vor anderen Energielieferanten abbaut. „Wer also ohnehin schon dazu neigt, in der Trainingspause zuzulegen, sollte mit Alkohol besonders aufpassen“, so Caroline Cornfine. Schafft man das einmal nicht und erwischt zu viel, sollte man am nächsten Tag aber nicht versuchen, die Promille-Sünde durch sportlichen Ehrgeiz wieder auszubügeln. 

Ein lockerer, nicht zu langer Dauerlauf an der frischen Luft könne sicherlich helfen, um den Kreislauf nach einer durchzechten Nacht in Schwung zu bringen und die Katersymptome abzumildern, glaubt Cornfine. Wer allerdings noch deutlich Restalkohol hat, der sollte lieber liegen bleiben. Zum einen erhöht die verminderte Reaktionszeit unter Alkoholeinfluss das Verletzungsrisiko. Zum anderen, so Christian Decker, sei der Wasserhaushalt in den Zellen gestört, da Alkohol dem Körper Flüssigkeit entzieht. So werden Schadstoffe langsamer aus der Muskulatur abtransportiert und die Nährstoff­versorgung ­reduziert, zudem herrscht ein ­Mangel an Elektrolyten, da sie aufgrund des vermehrten Harndrangs ausgespült werden. Weil der ­Alkoholabbau in der Leber stattfindet, ist dieser wichtige Kohlen­hydratspeicher darüber hinaus durch diese Aufgabe blockiert und hilft nur sehr eingeschränkt bei der Bereitstellung von Energie. Kurz: Der geschwächte Körper wird durch das verkaterte Training weiter geschwächt. ­Decker rät: „Lieber einen Tag Ruhe einlegen, ausreichend alkoholfreie Getränke trinken und den Tag nutzen, um zum Beispiel Materialpflege am Fahrrad zu betreiben.“ Apropos Trinken: Das ist „am Tag danach“ extrem wichtig – ob man trainiert oder nicht. Am besten geeignet sind Mineralwasser oder auch Brühe, um den Elektrolythaushalt wieder auszugleichen. Obst und Gemüse sowie Sprudeltabletten, die Magnesium, Kalium und Kalzium liefern, können gegen die Nachwehen eines feucht-fröhlichen Abends ebenfalls ­helfen.

Bier, ja – aber alkoholfrei

Wer jetzt frustriert die Weizengläser in den Karton packt, dem sei gesagt: Nach dem Sport lässt sich der Flüssigkeitsverlust hervorragend mit Bier ausgleichen – solange es sich um ein alkoholfreies handelt. „Das in der Tat isotonisch“, bestätigt Ernährungsexpertin Caroline Cornfine. Das heißt, die darin enthaltene Flüssigkeit kann der Körper sehr gut aufnehmen. Außerdem enthalten alkoholfreie Biere sekundäre Pflanzen­stoffe, die Entzündungsprozesse vermindern können und so die Regeneration fördern. Kohlenhydrate stecken dagegen mit nur 11 bis 15 Gramm pro 0,33 Liter vergleichsweise wenig im Gerstensaft. Immerhin ist er mit zirka 70 bis 90 Kilokalorien pro 0,3 Liter aber relativ kalorienarm. Und: Das Malz im Bier soll die für den Stoffwechsel ­wichtigen Vitamine B2 und B6 liefern.

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