Samstag, 20. April 2024

Gustav Iden gewinnt PTO Championship in Daytona

Was für ein Krimi! Wenn das Männer-Rennen der PTO Championship 2020 in Daytona eines gezeigt hat, dann, dass Triathlon zum Glück manchmal eben doch nicht so vorhersehbar ist, wie es vor einem großen Rennen oft scheint. Denn dieses Podium hat beim bestem Willen wohl wirklich niemand vorhergesagt. Während der amtierende Ironman-70.3-Weltmeister Gustav Iden mit seinem Sieg beweist, dass er offensichtlich auch mit einem Zeitfahrrad umgehen kann und im (abgeschwächten) Mitteldistanz-Format ebenfalls auf einem komplett flachen Kurs aktuell das Maß der Dinge zu sein scheint, sorgen dahinter Matt Hanson und George Goodwin mit den Rennen ihres Lebens für jede Menge verblüffte Gesichter und große Überraschungen. Zeitgleich erleben gleich eine Handvoll Top-Favoriten einen schwarzen Tag – darunter die beiden Brownlee-Brüder und auch Sebastian Kienle, der das Rennen auf der Radstrecke vorzeitig beendet.

Große Gruppe beim Schwimmen, Kienle eine Minute vor Sanders

Das Schwimmen – mit Neoprenanzug – verlief derweil ohne große Überraschungen: Auf den zwei Kilometern der Auftaktdisziplin waren es vorwiegend die Kurzdistanzler, die an der Spitze für hohes Tempo sorgten. Insbesondere der Südafrikaner und Olympia-Bronze-Medaillen-Gewinner von 2016, Henri Schoeman, leistete viel Führungsarbeit und kam schließlich auch als Erster in die Wechselzone. Innerhalb von 55 Sekunden folgten 14 weitere Athleten, darunter auch Florian Angert und Nils Frommhold sowie die Top-Favoriten Alistair und Jonathan Brownlee, Vincent Luis und Javier Gomez. Gustav Iden, Rudy von Berg und Frederic Funk verpassten die erste große Gruppe knapp, kamen mit knapp 1:20 Minuten Rückstand in T1.

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Ein starkes Schwimmen lieferte Sebastian Kienle ab: Der Ironman-Hawaii-Sieger von 2014 kam mit 2:30 Minuten Rückstand aus dem Wasser und befand sich damit in bester Gesellschaft von weiteren starken Radfahrern wie Magnus Ditlev und Andreas Dreitz. Schlechter lief es hingegen für Lionel Sanders: Der Kanandier bekam gut 3:30 Minuten aufgebrummt und befand sich damit in einer denkbar schlechten Ausgangsposition im Kampf um das Podium.

Führungswechsel und Windschatten-Problem mit Zeitstrafen, Überbiker schließen auf, Kienle steigt aus

Entscheidend konnte sich auf dem Rad zunächst niemand absetzen. An der Spitze der Führungsgruppe zeigten sich in den ersten fünf von 20 Runden insbesondere Alistair Brownlee, Ben Kanute und Florian Angert. Innerhalb der Gruppe kam es immer wieder zu Missachtungen der 20-Meter-Windschattenregel – insbesondere durch die Kurzdistanzler, für die dieser Abstand ein absolutes Novum war. Das hatte zur Folge, dass Jonathan Brownlee und Vincent Luis schließlich eine Zeitstrafe von zwei Minuten aufgebrummt bekamen. Ein Umstand, der die Renndynamik maßgeblich veränderte. Währenddessen arbeiteten sich die „Überbiker“ immer weiter nach vorn: darunter Lionel Sanders, Sam Long, Magnus Ditlev, Andreas Dreitz und Boris Stein. Die erste größere Überraschung des Tages: Sebastian Kienle, der im Vorfeld des Rennens von Wadenproblemen berichtete, konnte das Tempo nicht mitgehen und wurden von den anderen starken Radfahrer stehengelassen. Nur wenige Runden später beendete Kienle das Rennen vorzeitig, für den zweifachen Ironman-70.3-Weltmeister äußerst untypisch, was noch mehr für Verletzungsprobleme spricht. Eine bittere Pille, die es für den 36-Jährige zu schlucken galt, der sich nach seiner achtwöchigen Vorbereitung zuversichtlich gab.

Dass es Kienle unter normalen Umständen wohl gelungen wäre, noch ins Renngeschehen einzugreifen, bewiesen andere starke Radfahrer: Der erst 23-jährige Magnus Ditlev aus Dänemark, Ironman-70.3-Gdynia-Sieger aus diesem Jahr mit einer Radleistung von 365 Watt über die 90 Kilometer, egalisierte seinen Schwimmrückstand von 2:30 Minuten und setzte sich in der zweiten Hälfte der 80 Kilometer langen Streckenstrecke an die Spitze des gesamten Feldes. Vor der zweiten Wechselzone wurde die Führungsgruppe immer weiter ausgedünnt, bis schließlich nur noch sieben Leute übrig waren: Alistair Brownlee, Rudy von Berg, Sam Appleton, Magnus Ditlev, Florian Angert, Tim O’Donnell und Thomas Davis.

Die starken Radfahrer Frederic Funk, Lionel Sanders, Sam Long und Andreas Dreitz folgten mit einer guten Minute Rückstand, ebenso Vincent Luis, der zum Anfang der Laufstrecke seine Zeitstrafe einbüßte. Kurz dahinter folgten Ben Kanute, Henri Schoeman, Gustav Iden und Boris Stein mit anderthalb Minuten Rückstand. „Jonny“ Brownlee und Javier Gomez waren zu diesem Zeitpunkt bereits 2:21 und 3:44 Minuten zurück. Neben Kienle beendeten auch Andreas Böcherer, Andrea Salvisberg, Morgan Pearson und Matt McElroy das Rennen vorzeitig auf der Radstrecke.

Brownlee(s) und Gomez mit Problemen, Langdistanzler beweisen Stehvermögen

Eine Ausgangslage auf den verbleibenden 18 Laufkilometern wie gemalt für Alistair Brownlee, der sich nach einem Kilometer direkt an die Spitze des Feldes setzte. Es schien fast so, als könnte höchsten nur noch Gustav Iden mit 1:30 Minuten Rückstand dem Doppel-Olympiasieger aus Großbritannien gefährlich werden. Weit gefehlt: Nach gerade einmal drei Kilometern verfiel Brownlee ins Joggen und blieb schließlich stehen – Wadenschmerzen. Kurze Zeit später sollte auch er aussteigen. Javier Gomez, der den Halbmarathon auf der Mitteldistanz in 1:07 Stunden lief, konnte nach Problemen auf dem letzten Viertel der Radstrecke seiner sonstigen Laufform auch nicht gerecht werden und blieb am Anfang der letzten Disziplin zunächst ein Schatten seiner selbst, kam nach einigen Kilometern jedoch besser in Fahrt und machte immerhin noch einige Plätze gut. Unter seinen Erwartungen blieb auch Jonathan Brownlee, der mit Zeitstrafe und Schwäche beim Laufen nicht mehr in den Kampf um die vorderen Plätze eingreifen konnte. Stattdessen waren es die Langdistanzler, die nach dem harten und schnellen Radfahren von etwas unter 1:40 Stunden an der Spitze noch genüg Körner für schnelle Laufsplits übrig hatten.

Iden läuft ungefährdet zum Sieg, Hanson entfesselt mit schnellstem Laufsplit auf Rang zwei

Schließlich war es Ironman-70.3-Weltmeister Gustav Iden, der von einem offensichtlich klugen Pacing profitierte und pfeilschnell mit einem beeindruckend dynamischen Laufstil an allen vor ihm liegenden Konkurrenten vorbeischoss. Bereits nach fünf Kilometern schmolz sein Rückstand von 1:30 Minuten auf 16 Sekunden, wenig später übernahm er die Führung und sollte sie auch nicht mehr hergeben. Stattdessen entfachte dahinter ein spannender Kampf und das Podium und die Top 5, in dem Athleten involviert waren, die viele sicherlich überhaupt nicht auf der Rechnung hatten. Die Top 5 wurden zwischenzeitlich fleißig durchgetauscht: Nachdem erst Sam Appleton und Thomas Davis auf Rang zwei und drei lagen, kurz danach Sam Long und Rudy von Berg und schließlich Henri Schoeman, kamen von hinten George Goodwin und Matt Hanson immer näher. Zunächst übernahm der 24-jährige Goodwin, bekannt als schneller Läufer, Platz zwei, kurz bevor der 35-jährige Langdistanz-Spezialist Matt Hanson heranpreschte und Goodwin mit dem schnellsten Laufsplit des Tages von 57:22 Minuten für die 18 Kilometer auf Rang drei verdrängte. An dieser Konstellation sollte sich nicht bis zum Zieleinlauf nichts mehr ändern.

Kurz dahinter entschieden Lionel Sanders und Rudy von Berg den knappen Kampf um die Top-5-Platzierungen schließlich für sich. Die Ränge sechs bis zehn belegten Sam Appleton, Henri Schoeman, Vincent Luis, Sam Long und Andreas Dreitz als bester Deutscher auf Platz zehn kurz vor Javier Gomez. Die weiteren deutschen Athleten, Florian Angert, Frederic Funk, Boris Stein und Nils Frommhold überquerten die Ziellinie auf den Rängen 13, 17, 25 und 40.

Alle Splits der Top 10 und Deutschen in der Übersicht

PlatzierungNameNationGesamtzeit2 km Swim80 km Bike18 km Run
1Gustav IdenNOR3:05:0623:431:41:020:58:16
2Matt HansonUSA3:05:2724:391:41:450:57:22
3George GoodwinGBR3:06:0924:471:39:340:59:29
4Lionel SandersCAN3:06:1625:541:38:300:59:47
5Rudy von BergUSA3:06:4123:401:39:311:01:27
6Sam AppletonAUS3:06:5823:131:39:581:01:35
7Henri SchoemanRSA3:07:1822:241:42:151:00:30
8Vincent LuisFRA3:07:2122:281:41:531:01:05
9Sam LongUSA3:07:2825:541:38:241:01:05
10Andreas DreitzGER3:07:4524:411:39:191:01:23
13Florian AngertGER3:08:1422:421:40:411:02:43
17Frederic FunkGER3:10;3423:461:40:181:04:04
25Boris SteinGER3:13:2425:071:39:361:06:28
40Nils FrommholdGER3:26:3823:191:53:1771:07:32
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7 Kommentare

  1. Ich fand die Laufleistung von Gomez mit 58:49 ganz gut. Er hat nur wie so häufig auf der längeren Distanz im letzten Drittel/Viertel der Radstrecke so viel kassiert, dass ein Topresultat nicht mehr möglich war.

    Ich hätte auch gerne Vincent Luis ohne Zeitstrafe gesehen. Wäre spannend um Platz 1 geworden.

    J. Brownlee und Luis waren für mich die Bauernopfer des Zeitfahrens. Strafen hätten auch noch eine ganze Reihe anderer verdient wie z.B. O´Donnell, der immer 1 Meter vor seinen überholten Kollegen schon wieder auf die Ideallinie einscherte und so die Kameraden aktiv ausbremste…

    Das mit den überrundeten Radfahrern im Kreise der Führenden war nicht optimal gelöst. Da könnte man in Zukunft überlegen, wie man den Parcours in 2 Lanes spaltet, so dass man das Feld besser trennt. Damit meine ich nicht, dass die Überrundeten immer die Außenbahn nutzen müssen. Eher ein alternierendes Verfahren, aber einfach auch im Sinne der Windschattenproblematik.

    Die Deutschen (Dreitz, Angert, Funk, Stein, Frommhold, Böcherer) haben großteils ordentlich performt. Leider fehlt mir bei ihnen der Glaube, dass sie irgendwann mal den läuferischen Punch haben werden, um bei so einem Rennen vorne um das Podium aktiv mitmischen zu können.

    Beeindruckt hat mich Sam Long. Wie gut der mittlerweile laufen kann.

    • Das mit Gomez halte ich auch für eine Fehleinschätzung – er hatte die drittschnellste Laufzeit und das Feld beim Laufen ordentlich zerlegt. Aber die 6 min hinter den Besten beim Rad? Damit wird er in keinem Fall Hawaii gewinnen können, weil es dank der nachkommenden Überbiker wohl nie mehr so ein Patrick Lange Jahr mit Bummel-Radfahren geben wird.
      Und die Deutschen haben meiner Meinung nach eher weniger gut performt. Böcherer und Frommhold haben ihre besten Zeiten offenkundig hinter sich, Erstgenannter ist ja auch früh ausgestiegen auf dem Rad. Ob da im Alter noch groß was kommt? Dreitz hingegen fand ich super, Angert war glaub im Bereich seines Möglichen, von Funk hätte ich mir noch etwas mehr erhofft (der kommt noch über die Jahre, gerade beim Laufen) und Stein solide, gerade beim Schwimmen und Laufen!
      Fasziniert hat mich neben Long auch Ditlev. Der ohne Krämpfe hätte ums Podium mitgespielt, wäre eine wahnsinnige Bereicherung fürs Radfahren auf Hawaii! Kanute, Hoffman und Lagerstrom sicher mit die größten Enttäuschungen.
      Überraschend fand ich, wie viele ausgestiegen sind (15 % bei den Männern). Soweit ich informiert war, gibt es ja nur bei Zielankunft Geld.

  2. Alles in allem ein geiles Event in dieser besonderen Konstellation! Sehr schön, dass es Überraschungen gab. Goodwin hatte ich gar nicht auf der Rechnung. Highlights für mich die Auftritte von Ditlev und Long – ein positiver Spinner 🙂
    Insgesamt kamen mir die „Kurzdistanzler“ auf dem Rad vergleichsweise schnell und beim Laufen langsam vor – überzockt? Großer Wermutstropfen die vielen Ausfälle. Ein gesunder Kienle oder Blummenfelt hätten das Rennen nochmal deutlich aufgewertet.

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Simon Müller
Simon Müller
Simon Müller ist selbst als ambitionierter Athlet unterwegs. 2022 wurde er Deutscher Meister auf der Kurzdistanz, 2019 qualifizierte sich bei seinem ersten Ironman in Mexiko mit einem AK-Sieg in 8:45 Stunden für den Ironman Hawaii. In seiner Brust schlägt neben dem Triathleten- auch ganz besonders ein Läuferherz. Simons Bestzeite über 10 Kilometer liegt bei unglaublichen 30:29 Minuten.

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