Nach dem Ausstieg beim Ironman Vitoria-Gasteiz zieht die Inhaberin der aktuellen Weltbestzeit Konsequenzen und verabschiedet sich aus dem Profisport. Die Gründe für den Rücktritt.

Anne Haug hat ihre Karriere als Profi-Triathletin offiziell beendet. In einem ausführlichen Interview mit der WELT erklärt die Hawaii-Siegerin von 2019, warum sie diesen Schritt für unausweichlich hält – und warum ihr Rennen in Vitoria-Gasteiz der Wendepunkt war.
„Ich hatte mir ein Versprechen gegeben: Dass ich immer Plan A verfolge“, sagt Haug. „Wenn Plan A irgendwann nicht mehr funktioniert, dann werden sich hoffentlich andere Türen öffnen. Genau da bin ich jetzt.“
„Ich konnte mir nicht mal vorstellen zu gehen“
Beim Rennen in Spanien habe Haug erstmals gespürt, dass ihr Kopf sie im Stich ließ. Auf dem Rad sei es ihr unmöglich gewesen, sich vorzustellen, wie sie den Marathon beginnen sollte. „Ich konnte mir nicht mal vorstellen, zu gehen. Das war ein Schock, aber ich dachte: Ich kann und will das nicht mehr.“
Für Haug, die 2024 noch mit Weltbestzeit (8:02:38 Stunden) die Challenge Roth gewonnen hatte, war das ein innerer Bruch – nicht nur mit dem Rennen, sondern mit dem Profisport. „Ich habe mir seit 20 Jahren die Regel auferlegt: Ich breche nie ein Rennen ab, egal wie hart es wird. Wenn ich die Regel breche, ist es vorbei“, erklärt sie im WELT-Interview. „Mein Wille ist in diesem Rennen zerbrochen. Generell ist er gebrochen.“
Körperliche Warnsignale und mentale Erschöpfung
Zuletzt hatte Haug mit mehreren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen: einer Covid-bedingten Schilddrüsenentzündung, einer Thrombose im Auge und einer Fußverletzung. Hinzu kam der mentale Aspekt ständiger Erwartungshaltung. „Je erfolgreicher man wird, desto schwerer wird es, an den Start zu gehen“, so Haug. „Ich habe immer das Gefühl: Alles andere als Podium ist ein Versagen.“
Dass sie mit 42 Jahren ihren Rücktritt erklärt, liegt laut Haug jedoch nicht am Alter: „Alter ist kein Grund. Es waren einfach zu viele Krankheiten, und das alles – die Gesundheit, aber auch Nizza – hat mich mental mehr Kraft gekostet, als ich mir eingestehen wollte.“ Mit dieser Aussage nimmt Anne Haug Bezug auf die Ironman-WM in Nizza 2024. Dort war sie in aussichtsreicher Position aus dem Wasser gekommen, musste ihr Rennen jedoch wegen einer irreparablen Reifenpanne kurz nach der ersten Wechselzone beenden.
Rückblick ohne Reue – aber mit Wehmut
Anne Haug blickt trotz des abrupten Endes mit Stolz auf ihre Karriere zurück. Die verpasste Olympiamedaille schmerzt, dennoch überwiegt Dankbarkeit: „Wenn ich zurückblicke, denke ich schon: ‚Wow.‘ Mein Ziel war es mal, in die 2. Bundesliga zu kommen. Ich habe viel mehr erreicht, als ich jemals zu träumen gewagt habe.“
Der Sport habe sie erfüllt, auch weil sie sich alles selbst erarbeitet habe: „Ich habe mir eigentlich nie Pausen gegönnt. Eine Erfolgswelle – gepaart mit dem Druck – hat sich immer weiter aufgebaut. Und wenn man immer wieder kratzt, wird es irgendwann eine Narbe und verfängt sich im Kopf.“
Kein Comeback, keine große Abschiedsshow
Ein öffentlich inszenierter Abschied kommt für Haug nicht infrage: „Ich war nie ein Freund von großen Beweihräucherungen für etwas, was in der Vergangenheit passiert ist. Ich war immer ein Freund davon, an seiner Leistung gemessen zu werden. Und wenn die Leistung nicht mehr da ist, ist man eben auch nicht mehr da.“
Was nun kommt, ist offen. Haug will zunächst zur Ruhe kommen: „Ich genieße es, nicht mehr diesen Druck zu haben, und hoffe, dass ich bald einfach so Sport treiben kann. Nur aus Spaß.“
Alle Langdistanzen von Anne Haug
Jahr | Rennen | Platz | Gesamt | 3,8 km Swim | 180 km Bike | 42,2 km Run | Bemerkungen |
---|---|---|---|---|---|---|---|
2018 | Ironman Frankfurt | 4 | 9:14:06 | 56:28 | 5:08:08 | 3:04:32 | |
2018 | Ironman Hawaii | 3 | 8:41:58 | 54:21 | 4:47:45 | 2:55:20 | |
2019 | Ironman Kopenhagen | 1 | 8:31:32 | 51:04 | 4:37:28 | 2:57:26 | |
2019 | Ironman Hawaii | 1 | 8:40:10 | 54:09 | 4:50:17 | 2:51:07 | Erste deutsche Siegerin beim Ironman Hawaii |
2021 | Challenge Roth | 1 | 7:53:48 | 52:11 | 4:14:14 | 2:43:54 | Verkürzte Raddistanz/ETU-Europameisterin Langdistanz |
2022 | Ironman-WM St. George | 3 | 8:47:02 | 54:46 | 4:52:53 | 2:55:59 | Nachgeholte Weltmeisterschaft von 2021 |
2022 | Challenge Roth | 1 | 8:22:42 | 58:46 | 4:33:45 | 2:46:04 | |
2022 | Ironman Hawaii | 3 | 8:42:21 | 57:57 | 4:41:48 | 2:57:56 | |
2023 | Challenge Roth | 2 | 8:21:09 | 54:12 | 4:39:17 | 2:44:45 | |
2023 | Ironman Hawaii | 2 | 8:27:33 | 54:10 | 4:40:23 | 2:48:23 | |
2024 | Ironman Lanzarote | 1 | 9:06:40 | 54:26 | 5:17:49 | 2:49:08 | Streckenrekord |
2024 | Challenge Roth | 1 | 8:02:38 | 52:37 | 4:27:58 | 2:38:52 | Weltbestzeit |
2024 | Ironman-WM Nizza | DNF | Rennabbruch auf der Radstrecke | ||||
2025 | Ironman Vitoria-Gasteiz | DNF | Rennabbruch auf der Laufstrecke |