Sonntag, 7. September 2025

„Wille gebrochen“: Warum Anne Haug ihre Karriere ohne weiteres Rennen beendet

Nach dem Ausstieg beim Ironman Vitoria-Gasteiz zieht die Inhaberin der aktuellen Weltbestzeit Konsequenzen und verabschiedet sich aus dem Profisport. Die Gründe für den Rücktritt.

Getty Images for IRONMAN Für Anne Haug ist Schluss mit dem professionellen Triathlon. Eine Abschiedstour wird es nicht geben.

Anne Haug hat ihre Karriere als Profi-Triathletin offiziell beendet. In einem ausführlichen Interview mit der WELT erklärt die Hawaii-Siegerin von 2019, warum sie diesen Schritt für unausweichlich hält – und warum ihr Rennen in Vitoria-Gasteiz der Wendepunkt war.

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„Ich hatte mir ein Versprechen gegeben: Dass ich immer Plan A verfolge“, sagt Haug. „Wenn Plan A irgendwann nicht mehr funktioniert, dann werden sich hoffentlich andere Türen öffnen. Genau da bin ich jetzt.“

„Ich konnte mir nicht mal vorstellen zu gehen“

Beim Rennen in Spanien habe Haug erstmals gespürt, dass ihr Kopf sie im Stich ließ. Auf dem Rad sei es ihr unmöglich gewesen, sich vorzustellen, wie sie den Marathon beginnen sollte. „Ich konnte mir nicht mal vorstellen, zu gehen. Das war ein Schock, aber ich dachte: Ich kann und will das nicht mehr.“

Für Haug, die 2024 noch mit Weltbestzeit (8:02:38 Stunden) die Challenge Roth gewonnen hatte, war das ein innerer Bruch – nicht nur mit dem Rennen, sondern mit dem Profisport. „Ich habe mir seit 20 Jahren die Regel auferlegt: Ich breche nie ein Rennen ab, egal wie hart es wird. Wenn ich die Regel breche, ist es vorbei“, erklärt sie im WELT-Interview. „Mein Wille ist in diesem Rennen zerbrochen. Generell ist er gebrochen.“

Körperliche Warnsignale und mentale Erschöpfung

Zuletzt hatte Haug mit mehreren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen: einer Covid-bedingten Schilddrüsenentzündung, einer Thrombose im Auge und einer Fußverletzung. Hinzu kam der mentale Aspekt ständiger Erwartungshaltung. „Je erfolgreicher man wird, desto schwerer wird es, an den Start zu gehen“, so Haug. „Ich habe immer das Gefühl: Alles andere als Podium ist ein Versagen.“

Dass sie mit 42 Jahren ihren Rücktritt erklärt, liegt laut Haug jedoch nicht am Alter: „Alter ist kein Grund. Es waren einfach zu viele Krankheiten, und das alles – die Gesundheit, aber auch Nizza – hat mich mental mehr Kraft gekostet, als ich mir eingestehen wollte.“ Mit dieser Aussage nimmt Anne Haug Bezug auf die Ironman-WM in Nizza 2024. Dort war sie in aussichtsreicher Position aus dem Wasser gekommen, musste ihr Rennen jedoch wegen einer irreparablen Reifenpanne kurz nach der ersten Wechselzone beenden.

Rückblick ohne Reue – aber mit Wehmut

Anne Haug blickt trotz des abrupten Endes mit Stolz auf ihre Karriere zurück. Die verpasste Olympiamedaille schmerzt, dennoch überwiegt Dankbarkeit: „Wenn ich zurückblicke, denke ich schon: ‚Wow.‘ Mein Ziel war es mal, in die 2. Bundesliga zu kommen. Ich habe viel mehr erreicht, als ich jemals zu träumen gewagt habe.“

Der Sport habe sie erfüllt, auch weil sie sich alles selbst erarbeitet habe: „Ich habe mir eigentlich nie Pausen gegönnt. Eine Erfolgswelle – gepaart mit dem Druck – hat sich immer weiter aufgebaut. Und wenn man immer wieder kratzt, wird es irgendwann eine Narbe und verfängt sich im Kopf.“

Kein Comeback, keine große Abschiedsshow

Ein öffentlich inszenierter Abschied kommt für Haug nicht infrage: „Ich war nie ein Freund von großen Beweihräucherungen für etwas, was in der Vergangenheit passiert ist. Ich war immer ein Freund davon, an seiner Leistung gemessen zu werden. Und wenn die Leistung nicht mehr da ist, ist man eben auch nicht mehr da.“

Was nun kommt, ist offen. Haug will zunächst zur Ruhe kommen: „Ich genieße es, nicht mehr diesen Druck zu haben, und hoffe, dass ich bald einfach so Sport treiben kann. Nur aus Spaß.“

Alle Langdistanzen von Anne Haug

JahrRennenPlatzGesamt3,8 km Swim180 km Bike42,2 km RunBemerkungen
2018Ironman Frankfurt49:14:0656:28
5:08:083:04:32
2018Ironman Hawaii38:41:5854:21
4:47:452:55:20
2019Ironman Kopenhagen18:31:3251:04
4:37:282:57:26
2019Ironman Hawaii18:40:1054:09
4:50:172:51:07Erste deutsche Siegerin beim Ironman Hawaii
2021Challenge Roth17:53:4852:114:14:142:43:54Verkürzte Raddistanz/ETU-Europameisterin Langdistanz
2022Ironman-WM St. George38:47:0254:464:52:532:55:59Nachgeholte Weltmeisterschaft von 2021
2022Challenge Roth18:22:4258:46
4:33:452:46:04
2022Ironman Hawaii38:42:2157:57
4:41:482:57:56
2023Challenge Roth28:21:0954:12
4:39:172:44:45
2023Ironman Hawaii28:27:3354:10
4:40:232:48:23
2024Ironman Lanzarote19:06:4054:26
5:17:492:49:08Streckenrekord
2024Challenge Roth18:02:3852:37
4:27:582:38:52Weltbestzeit
2024Ironman-WM NizzaDNFRennabbruch auf der Radstrecke
2025Ironman Vitoria-GasteizDNFRennabbruch auf der Laufstrecke

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Anna Bruder
Anna Bruder
Anna Bruder wurde bei triathlon zur Redakteurin ausgebildet. Die Frankfurterin zog nach dem Studium der Sportwissenschaft für das Volontariat nach Hamburg und fühlt sich dort sehr wohl. Nach vielen Jahren im Laufsport ist sie seit 2019 im Triathlon angekommen und hat 2023 beim Ironman Frankfurt ihre erste Langdistanz absolviert. Es war definitiv nicht die letzte.

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