Eigentlich hätten wir und unsere Crew zu diesem Zeitpunkt die Koffer gepackt und wären in den nächsten Tagen voller Vorfreude in die USA gereist. Doch wie wir alle wissen, kam es anders. Anfang April wurde das RAAM vom Veranstalter abgesagt und um ein Jahr verschoben. Diese Entscheidung kam nicht unerwartet und wurde vom Grundsatz her auch von unserem Team begrüsst. Auf der anderen Seite standen und stehen wir somit vor dem Scherbenhaufen der damit zusammengefallenen Infrastruktur wie Flugbuchungen, Unterkünfte, Kfz-Buchungen und sonstigen privaten Verpflichtungen (Urlaub etc.).
Unterkünfte und Fuhrpark (Pace-Autos und Wohnmobil) konnten relativ einfach umbuchen beziehungsweise kostenfrei stornieren lassen. Bei den Flugbuchungen hängen wir derzeit noch in der Warteschleife der Kommunikation mit unseren Fluglinien. Tickets sind zum einen personengebunden und lassen sich nicht „refunden“, zum anderen bietet man uns Vouchers an, die aber über komplizierte Wege zwar eingelöst werden können, aber nicht vom Zeitraum unserer Anreise 2021 passen.
Im ungünstigsten Fall bleiben wir auf etwa 10.000€ Flugstornos für Teilnehmer und Crew sitzen. Die Gespräche mit den Airlines erweisen sich als zäh, mühselig und extrem zeitaufwendig, aber wir bleiben dran.
Race Around Austria als Alternative
Auch sportlich gesehen blieben unserem RAAM-Team im Jahr 2020 wenig Optionen, die geplanten Vorbereitungs-Events in Deutschland wurden allesamt abgesagt, Ironman Hawaii und 70.3-WM Taupo nach 2021 verschoben. Umso überraschender erreichte uns am 28. April die Nachricht aus Österreich: „Das Race Around Austria findet von 10. bis 16. August 2020 statt. Während der Sportminister am Wochenende bereits das „Go“ für Rad-Einzelzeitfahrbewerbe gegeben hat, gibt es nun auch mit 1. Mai ein Ende der Ausgangsbeschränkungen in Österreich. Somit wird das Race Around Austria aufgrund des Rennmodus eines der wenigen Radrennen in Österreich sein, die 2020 überhaupt stattfinden können.“
Wir haben uns kurz im Team beraten und uns spontan angemeldet, leider nur als Zweier-Team, da Beate Görtz und Peter Hillermann zu diesem Zeitpunkt beruflich beziehungsweise privat verhindert sind. Somit starten Steffi und Gerry Steinberg als eines von mittlerweile sechs Zweiterteams bei dem schwersten europäischen Nonstop-Radmarathon.
Hier die Eckdaten:
- Distanz: 2.200 km
- Höhenmeter: 30.000
- Radfahrer: 2
- Betreuer: 6
- Begleitfahrzeuge: 2
- Zielzeit: 3 Tage 14 Stunden
- Cut Off: 4 Tage 8 Stunden
- Budget: 4.500 Euro
Strategiesuche und Vorbereitung
Derzeit basteln wir an der Strategie für das Rennen, um einerseits das Tempo über die Distanz hochzuhalten aber andererseits genügend Erholung für den passiven Fahrer sicherzustellen. Hier den richtigen Mix zu finden und auf die Befindlichkeiten der Racer einzugehen, ist die große Herausforderung bei der Rennplanung. Uns erwarten Hitze in den Tälern von Tirol und des Burgenlandes sowie Regen und Kälte auf den Gipfeln der Pässe wie am Grossglockner mit 2504 Metern Höhe, den Kühtai mit bis zu 16 Prozent Steigung oder den Silvretta mit 46 Kilometern Anstieg bis auf 2032m Höhe.
Im Moment planen wir die Wechsel tagsüber im Stunden-Rhythmus um dann nachts die Einsatzzeiten auf drei bis vier Stunden zu verlängern, abhängig vom Profil aber auch kürzer, wenn zum Beispiel ein Pass nachts gefahren werden muss. Das stellt natürlich auch die Crew vor eine besondere Herausforderung das erforderliche Material (Zeit/- oder Bergrad) und die richtige Verpflegung (Burger oder Gel) zum richtigen Zeitpunkt bereitzustellen. Ein Pace-Fahrzeig mit drei Betreuern begleitet die Fahrer entweder im „Direct-Follow-“ oder im „Leapfrog-Modus“ über die gesamte Renndauer. Nachts ist aus Sicherheitsgründen „Direct Follow“ oberstes Gebot und Pflicht, während tagsüber die Variante „Leapfrog-Support“ anzuwenden ist. Das bedeutet, dass das Pace-Fahrzeug jeweils für circa fünf bis zehn Kilometer voraus und auf den Radfahrer wartet.
Die Crew wird alle 24 Stunden ausgetauscht. Die Wechselorte (Übernachtungen) der passiven Crew werden anhand der Marschtabelle und Renn-Forecast während des Rennens kurzfristig gebucht. Im Rahmen einer Tag und Nachtsimulation wird die siebenköpfige Crew Mitte Juli auf das Rennen eingeschworen.
Eine weitere Option trotz Corona ins Renngeschehen einzusteigen, bietet der RAAM-Veranstalter aus den USA an. Neben dem virtuellen Race Across America (RAAM) und Race Across the Weste (RAW) offeriert der Organisator für zwölf Tage (RAAM Renndauer) 60-min-Intervalle, die auf einer Indoor-Cycling-App ausgewählte Etappen auf dem Rennkurs gefahren werden. Steffi nutzt auch diese Chance, um sich gezielt auf das RAA und die kurzen Einsätze vorzubereiten. Sowohl die Tageswertungen als auch das abschließende Gesamtklassement geben Auskunft über die aktuelle Form.
Damit wir die gewonnene Zeit bis zu unserem Rekordversuch 2021 des „Race Across America“ ausnutzen zu können, fährt das Team (Beate, Peter, Gerry und Steffi) am 20.Juni 300 Kilometer die Mosel runter und hoch in einem Rutsch. Weitere Simulationen folgen dann Ende des Sommers mit der gesamten Crew.