Am heutigen Samstagmorgen entdeckte Jonas Deichmann etwas, das er schon länger nicht mehr gesehen hatte. Blumen. Nicht viele, und welche Blumen das genau waren, konnte er nicht sagen. Aber das war in dem Moment auch nicht wichtig. Wichtig war: „Man hat mittlerweile das Gefühl, dass der Frühling kommt.“ Nachts sind es zwar weiterhin knackige Minusgrade, tagsüber springt das Thermometer aber durchaus in den Plusbereich. Wenn auch nur leicht. Es war der krönende Abschluss einer „Hammerwoche“, wie Deichmann die zurückliegenden sieben Tage nannte. 2.700 Kilometer liegen beim Triathlon rund um die Welt noch vor dem Abenteurer, bis er mit Wladiwostok die zweite Wechselzone erreicht.
Zelten auf dem Baikalsee
Nachdem er Ende der vergangenen Woche den Baikalsee erreicht hatte, erfüllte er sich einen besonderen Wunsch: Er zeltete auf dem tiefsten See der Welt. „Der war noch komplett zugefroren, ich bin raufgelaufen und habe in ein Loch geschaut, dass Eisfischer dort gebohrt haben. Das Eis war noch gute eineinhalb Meter dick“, berichtet Deichmann. Er machte sich zuvor aber noch auf den Weg, um ein Stück um den See herum zu fahren und eine geeignete Stelle für ein anders Projekt zu finden. „Ich wollte noch unbedingt schwimmen im Baikalsee. Die Gelegenheit bietet sich nicht so häufig. Es war vielleicht etwas früh in der Saison, aber es musste unbedingt sein.“ Mit Steinen durchbrach er die Eisdecke an einer dünneren Stelle in Ufernähe. Alexander, ein Einheimischer, der ihn in diesen Tagen als Assistent eines Dokumentarfilmers begleitete, stieg mit ihm ins Wasser. „Es war erfrischend. Ich bin danach aber wieder direkt aufs Rad gestiegen, um weiter am See entlang zu fahren.“
Zuglinie direkt in Ufernähe
Da er unbedingt noch in Ufernähe auf dem See zelten wollte, wurde es ein kürzerer Tag. „Es gibt nicht viele geeignete Stellen, da normalerweise die Zuglinie direkt am See entlang führt. Da kommen verdammt viele Güterzüge vorbei. Da willst du nicht schlafen. Ich habe aber eine Stelle gekannt, da habe ich vor vier Jahren schon einmal übernachtet. Die habe ich sofort erkannt, als ich dort vorbeigefahren bin, ein wunderschöner Strand, der allerdings eingeschneit war. Ich habe ein Lagerfeuer gemacht, bin dann auf den See gegangen und habe dort gezeltet. Das war ein bisschen kalt, weil die Kälte auch von unten kam, aber es hat sich gelohnt.“ Über Nacht sorgte heftiger Schneefall dafür, dass das Zelt eingeschneit war.
„Mit der schönste Teil Russlands“
„Es hat weiter geschneit, war kalt und nass, mittags ging es in Schneeregen über“, fasst Deichmann die schlechten Wetterbedingungen zusammen, die ein Aufwärmen auf dem Rad kaum ermöglichten. „Aber die Landschaft war spektakulär, hügelig, am See entlang. Ich habe dann die autonome russische Republik Burjatien erreicht und bin an den Selenga-Fluss gekommen. Das ist mit der schönste Teil Russlands, mit Bergen auf beiden Seiten und einem Flussdelta. Es gibt vereinzelt Dörfer am Ufer, ganz kleine und schöne. Man hat teilweise nicht mehr das Gefühl in Russland zu sein. Die Kultur ist anders, eher mongolisch, chinesisch, es gibt viele Buddhisten, das Essen ist anders“, so Deichmann, der trotz der bescheidenen Witterungsverhältnisse immerhin 170 Kilometer zurücklegte.
2.500 Höhenmeter, kein Schnee mehr
Am Dienstag erreichte er Ulan-Ude, die Hauptstadt Burjatiens. „Ich habe dann das Selena-Tal verlassen und eine richtige Bergetappe absolviert. Es war nie wirklich steil, meist zwischen fünf und sieben Prozent, aber das sieben oder acht Kilometer lange Abschnitte. Es ging nonstop rauf und runter, insgesamt 2.500 Höhenmeter. Die Gegend war nach sibirischem Standard noch besiedelt. Es gab zwar keine Städte, aber alle 30 Kilometer kam ein kleines Dorf. Wunderschön ist es dort.“ Die Bedingungen wurden besser. Es wehte zwar ein kalter Wind, aber es blieb trocken.
Empfang durch lokalen Radverein
Am Mittwoch veränderte sich die Landschaft wieder. Statt Wälder und Hügel wurde es offener. Deichmann erreichte die Region um Tschita, Hauptstadt Transbaikaliens. „Es lag kein Schnee mehr. In dieser Gegend schneit es im Winter nicht. Die Temperaturen sinken zwar bis zu 40 Grad unter den Gefrierpunkt, aber es ist eine extrem trockene Kälte. Deshalb fahren die Menschen hier auch im Winter Fahrrad, weil man mit trockener Kälte viel besser umgehen kann.“ Am Donnerstag erreichte er die 300.000-Einwohner-Stadt Tschita. „Es ist die letzte große Stadt vor der Pazifikregion. Der lokale Radverein hatte mich auf Instagram kontaktiert und mich die letzten 40 Kilometer in die Stadt hinein begleitet. Dann gab es einen Saunabesuch und ein gutes Abendessen.“
Deichmann erreicht Gebiet von Bären und Tigern
Beim Weg aus der Stadt begleiteten den Abenteurer zunächst erneut Mitglieder des Radvereins. Die Landschaft hielt wieder vermehrt Berge und richtige Anstiege bereit. „Bis in die nächste richtige Stadt Chabarowsk sind es 2.000 Kilometer. Zwischendurch gibt es ein paar Dörfer, es wird der wildeste Teil vom Transsibirischen Highway, da freue ich mich richtig drauf“, betont Deichmann. „Ich muss jetzt aufpassen: In dieser Gegend gibt es viele Bären, die zwar den Highway größtenteils wahrscheinlich meiden, aber abends beim Zelten muss ich mein Essen in den Baum hängen.“ Für Montag plant Deichmann seine Ankunft in der Oblast – vergleichbar mit den deutschen Bundesländern – Amur. „Eine ländliche Region, in der es noch den Amur Tiger geben soll. Es wäre großes Glück, wenn ich dem begegne, davon gibt es nicht mehr viele.“ Der Wildbestand wird auf weniger als 500 Tiere geschätzt. Spätestens in 2.700 Kilometern wird es mit der Wildnis vorbei sein. So weit ist es noch bis Wladiwostok am Pazifik. Von dort soll es per Boot weitergehen auf den amerikanischen Kontinent zur dritten Disziplin.
Jonas Deichmann berichtet auf tri-mag.de regelmäßig von seinem Triathlon rund um die Welt. Weitere Informationen zu seinen bisherigen Abenteuern sowie ein Livetracker zu seinem Triathlon rund um die Welt finden sich auf seiner Website jonasdeichmann.com.