Ironman-Held Faris Al-Sultan, Drafting in Frankfurt, leidende Anfänger und eine sehr reflektierte Natascha Badmann: Das war der Juni 2005 in der triathlon. Eine neue Ausgabe unserer Retro-Serie – 20 Jahre später mit einem Schmunzeln im Gesicht und dem Wissen von heute.
Der Wüstenprinz und der Sturzregen
Wenn ein Triathlet mit Bart gewinnt, ist das entweder ein PR-Stunt – oder Faris Al-Sultan. 2005 war Letzteres der Fall. Der Münchner hatte gerade den Ironman Arizona für sich entschieden und zierte als „Wüstenprinz“ das Cover der triathlon 36. Statt Glamour gab es dazu aber: Buschhütten im Dauerregen, Fäuste in der Wechselzone und Laktatwerte zum Frühstück. Willkommen im deutschen Triathlonsommer des Jahres 2005.
Buschhütten: Leder regiert das Siegerland
Kälte, Regen, fünf Grad. Und Lothar Leder, der fünffache König von Buschhütten, nutzt eine einzige mentale Schwäche seiner Gegner auf der Radstrecke und gewinnt mit der Selbstverständlichkeit eines Monarchen. Faris Al-Sultan dagegen, sonst nicht zimperlich, erscheint zur Vorstellung in Armeestiefeln und Daunenjacke – was seine Rennlust schon optisch deutlich dämpft. Es war ein Rennen für Hartgesottene. Und ein Beweis, dass die Saisoneröffnung im Siegerland mehr ist als nur ein Aufwärmprogramm.
Sturm auf den Gipfel – und ins Laktatlabor
Hamburgs Elixia-Team begab sich in dieser Ausgabe auf die Suche nach dem heiligen Gral der Trainingssteuerung: Laktattest, Atemgasanalyse, Harnstoffkontrolle. Der Sportwissenschaftler nickt wissend, der Triathlet schaut auf die Werte und fragt: „Heißt das jetzt, ich bin schnell?“ Nebenbei erklärte ein gewisser Ralf Eggert, wie man mit Intervallen am Berg den „Sturm zum Gipfel“ schafft. Spoiler: Es ist anstrengend. Aber es klingt besser als „Training nach Plan“.
Kampfrichter zwischen Regelbuch und Reality-TV
Ein ausführliches Porträt beleuchtete Helmut Menger, Deutschlands obersten Triathlon-Schiedsrichter. Und was für ein Porträt das war! Mit Geschichten von Fahrradweitwürfen (Danke, Daniel Unger), zerknüllten Startnummern, heimlichen Starts unter falschem Namen und der legendären Windschattenbox beim Ironman Germany. Menger entschied oft mit Fingerspitzengefühl statt Paragraphenreiterei. Ein Mann, der wusste: Manchmal hilft ein neuer Helm mehr als eine rote Karte.
Natascha Badmann: Haltung zeigen statt heulen
Im großen Interview spricht die fünffache Hawaii-Siegerin über Körper, Geist – und Doping. Ihre Haltung ist klar: Emotionen darf man haben, aber nicht alles entschuldigen. „Negative Gefühle gehen vorbei“, sagt Badmann – und klingt dabei so gefestigt, dass man sich fast selbst vornimmt, ab morgen mental stärker zu sein. Oder wenigstens die Laufschuhe mal wieder zu putzen.
Erleuchtung in Font de Sa Cala
Das Trainingslager auf Mallorca mutierte zum Selbstfindungstrip mit Hannes Hawaii Tours. Und einer Schildkröte, die Thomas Hellriegel zum Absteigen brachte (kein Scherz, steht so im Text). Zwischen Vorträgen, Rumpfstabi und Harnstoffmessung blieb aber auch Raum für Geheimnisse: Was genau eine „Pudelwertung“ ist, wurde nur den Teilnehmenden verraten.
Anfänger geben Tipps – und wir sagen Danke
In der Rubrik für Einsteiger plauderten die „Jährlinge“ aus dem Nähkästchen. Ihre Botschaften? Man braucht keine Carbonkurbel, aber ein Ersatzschlauch wäre nett. Und vielleicht nicht direkt die Langdistanz als Einstieg wählen. Eine wohltuende Erinnerung daran, dass Triathlon auch mit Demut funktioniert.
Björn Gustafsson: Vom Wunderkind zum Schuhberater
„Was macht eigentlich…?“ war in triathlon 36 ein echter Zeitsprung: Björn Gustafsson, einst Junioren-Weltmeister, reflektierte über frühes Karriereende, Fehlbelastungen und seine neue Rolle als Laufstil-Philosoph. Höhepunkt des Porträts: Nach durchzechter Nacht schwimmt er in der Uni 100 Meter in 59 Sekunden. Im Sitzen.
Joelle Franzmann & Jan Frodeno: Weltcuphelden in Mexiko
Im Weltcup ging es heiß her: Franzmann übernahm kurzzeitig die Führung im Ranking, Frodeno und Petzold glänzten in Mazatlan mit Top-Platzierungen. Die Australier dominierten zwar noch, aber das deutsche Team zeigte: Olympia 2008 wird kein Spaziergang für Down Under. Damals noch ohne Instagram – aber schon mit Haltung.
Werbung, wie sie früher war
Unvergessen: eine ganzseitige Anzeige für „anabol-loges“, das Regenerationspräparat mit Johanniskraut und Kieselerde. Oder Sanuzella®ZYM, der „biologische Energie-Aktivator“. Klingt wie ein Schulprojekt, war aber ernst gemeint. Plus: MBT-Schuhe mit „propriorezeptivem Laufmuster“ – der orthopädische Albtraum auf zwei Beinen.
Fazit: Triathlon 2005 – Ernst, aber herzlich
Die triathlon 36 zeigt eine Szene zwischen Ernsthaftigkeit und Selbstironie. Zwischen Profis mit Bart und Anfängern mit Flickzeug. Zwischen Labormessung und Pudelwertung. Wer damals dabei war, wird sich erinnern. Wer heute liest, wird schmunzeln. Und beides ist absolut legitim.