Sexuelle Belästigung im Triathlon: Ein Fall beim Viking Triathlon weckt die Szene

Athletinnen mussten während des Rennens unangenehme Berührungen über sich ergehen lassen. Der Vorfall zeigt, wie wichtig klare Strukturen und Aufmerksamkeit im Umgang mit sexueller Belästigung bei Sportveranstaltungen sind. Organisatoren und Betroffene äußern sich.

Veranstalter

Es war nicht nur ein Klaps auf den Hintern. Es war mehr: ein übergriffiges Verhalten eines Zuschauers beim Viking Triathlon. Mehrfach. Miriam Barth wusste nicht sofort wie sie die Szene einordnen soll, lief weiter, wie es viele in solch einem Moment tun oder tun würden. Doch sie fühlte sich unwohl. Und sie drehte um. „Es war nicht das erste Mal, dass das passiert ist“, sagt die Teilnehmerin am Viking Triathlon 2025. „Selbe Stelle, selber Typ, auch dieser Klaps auf den Hintern nach einem Abklatsch zum High Five.“

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Schnelle Reaktion

Sie konfrontierte den Zuschauer mit seinem Fehlverhalten. „Ich war einfach so wütend. Kurz habe ich über meine Laufzeit nachgedacht, dann waren mir diese zwei Minuten aber einfach egal.“ Der Mann, ein älterer Herr, reagierte mit Unverständnis. „Ach komm, ich feuere doch nur an.“ Miriam ist klar: „Für ihn war das wahrscheinlich wirklich nur anfeuern. Das macht sein Verhalten aber nicht okay.“

Auch Veranstalter Martin Müller zeigt sich betroffen: „Wir waren da echt geplättet und überrascht, das bereits während des Rennverlaufs zu hören.“ Das Orga-Team reagierte schnell, verständigte die Polizei, die den Mann identifizierte. Dieser sei schließlich des Geländes verwiesen worden. „Ich finde es unheimlich wichtig, dass man sich als Veranstalter und auch in der Veranstalter-Community darüber bewusst werden muss, dass man die Athleten schützt und da auch rigoros vorgeht.“

Zugleich wird deutlich: Der Fall von Miriam war kein Einzelfall. „Ich wurde von einer Vereinskollegin kontaktiert, die auch gleiche Erfahrungen gemacht hat,“ so Müller. Miriam hofft derweil, dass sich weitere Betroffene melden, um gemeinsam Anzeige zu erstatten. „Wenn er das bei 20, 30 Frauen gemacht hat, dann ist es eine relativ kleine Quote, wenn sich nur eine oder zwei davon melden“, sagt sie. Bei einer Anzeige gehe es ihr in erster Linie darum, ein Signal zu senden. „So jemand muss einfach spüren, dass er bei so einem Verhalten Konsequenzen zu erwarten hat.“

Was also tun, damit Veranstaltungen nicht zum Brennglas für ein strukturelles Problem werden? Die Gespräche mit Miriam Barth und Martin Müller zeigen: Es gibt konkrete Handlungsmöglichkeiten.

Bauchgefühl ernst nehmen

Um sexuelle Belästigung bei Sportveranstaltungen zu verhindern und Betroffenen angemessen zu begegnen, braucht es ein Zusammenspiel aller Beteiligten: Aktive, Publikum, Volunteers und Veranstaltungsteam. Der wichtigste erste Schritt ist, das Thema sichtbar zu machen und ein gemeinsames Bewusstsein dafür zu schaffen, dass grenzüberschreitendes Verhalten nicht toleriert wird. Dies war auch Miriams Intention, als sie den Fall meldete.

Für Teilnehmende gilt: Wer eine unangenehme Situation erlebt, sollte dem eigenen Gefühl vertrauen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen aufdringlichen Kommentar, eine unerwünschte Berührung oder einen übergriffigen „Motivationsversuch“ handelt. Es ist legitim, das Verhalten als falsch zu empfinden, auch wenn andere es bagatellisieren. Wenn möglich, sollte der Vorfall dokumentiert oder später gemeldet werden – sei es bei der Rennleitung, einer Vertrauensperson im Team oder direkt bei der Polizei. Der Austausch mit anderen Betroffenen kann helfen, die eigene Wahrnehmung zu bestätigen und sich gemeinsam zu organisieren. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir in Zukunft eine zentrale Ansprechperson haben, an die sich Athletinnen und Athleten wenden können, wenn sie sich unwohl fühlen oder derartige Situationen mitbekommen“, sagt Martin Müller.

Zuschauerinnen und Zuschauer tragen ebenfalls Verantwortung. Wer anfeuert, soll motivieren – nicht übergriffig werden. Die Grenze ist einfach: Anfeuern ja, anfassen nein. Auch freundschaftlich gemeinte Gesten wie ein Schulterklopfen oder ein Klaps sind nicht in Ordnung, wenn sie ungefragt erfolgen. Wird die Hand zum High-Five ausgestreckt, entscheidet die Athletin oder der Athlet, ob sie einschlagen will – ein großer Unterschied und keine Freigabe für weitere Berührungen. Wer einen übergriffigen Moment beobachtet, sollte nicht wegsehen. Oft genügt es schon, deutlich zu signalisieren, dass das Verhalten nicht okay ist, oder einen Volunteer zu informieren. „Von anderen Teilnehmenden erwarte ich nichts, alle sind ja während ihres Rennens im Tunnel.“ Zuschauer hätten intervenieren können und wären in diesem Fall auch Zeugen gewesen. Dass es an der Strecke weitgehend still blieb, obwohl viele den Vorfall gesehen hatten, hat sie besonders irritiert.

Helferinnen und Helfer sind häufig näher am Geschehen als Offizielle. Gerade an der Strecke haben sie einen Überblick, wer sich wo aufhält und wie sich die Personen am Streckenrand verhalten. „Wir werden Volunteers im Vorfeld sensibilisieren und ermutigen, uns direkt anzurufen, wenn ihnen etwas auffällt“, so Müller. „Wir hatten etwa 70 Volunteers an der Laufstrecke positioniert. Die haben ein Auge überallhin und können uns entsprechend frühzeitig informieren.“

Kleine Maßnahmen können helfen

Veranstalter können klare Strukturen und Botschaften schaffen. Schon kleine Maßnahmen können viel bewirken – etwa eine zentrale Ansprechperson, idealerweise deutlich sichtbar vor Ort, bei der sich Teilnehmende im Fall von Übergriffen melden können. Sogenannte Awareness-Beauftragte werden bei anderen Großveranstaltungen, etwa bei Konzerten, auf Festivals oder Partys, bereits flächendeckend eingesetzt. Auch ein kurzer Hinweis in der Wettkampfbesprechung oder im Helferbriefing kann ein starkes Signal senden. „Ich fände es gut, wenn es halt grundsätzlich einfach ein Thema ist, bei dem man sagt, das wird nicht akzeptiert. Und wenn sowas passiert, eine Ansprechstelle benennt.“ Sie betont, dass es nicht um Dramatisierung gehe, sondern um klare Strukturen für den Fall der Fälle.

Letztlich gilt für alle Beteiligten: Wer hinsieht, schützt. Wer ausspricht, was nicht geht, verändert. Und wer Strukturen schafft, in denen Betroffene ernst genommen werden, macht aus einer sportlichen Veranstaltung auch einen sicheren Raum.

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Anna Bruder
Anna Bruder
Anna Bruder wurde bei triathlon zur Redakteurin ausgebildet. Die Frankfurterin zog nach dem Studium der Sportwissenschaft für das Volontariat nach Hamburg und fühlt sich dort sehr wohl. Nach vielen Jahren im Laufsport ist sie seit 2019 im Triathlon angekommen und hat 2023 beim Ironman Frankfurt ihre erste Langdistanz absolviert. Es war definitiv nicht die letzte.

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