Sonntag, 13. Juli 2025

Kommentar zum Regelchaos: Wie man die Büchse der Pandora sattelt

Die Regeln im Triathlon sollen Klarheit schaffen, Sicherheit garantieren und Fairness sichern. Doch mit den jüngsten Änderungen entsteht ein Wirrwarr aus missverständlichen Vorgaben, widersprüchlichen Auslegungen und zweifelhaften Ausschlüssen einzelner Radmodelle. Zurück zur Einfachheit meint unser Redakteur Lars Wichert.

Frank Wechsel / spomedis Was erlaubt ist und was nicht, steht in den Regeln. Doch die lassen Spielraum in der Auslegung – bei der Profi-Athletin Alice Alberts ist alles regelkonform.

Was als Vereinfachung gedacht war, ist längst zum Symbol von Chaos geworden. Mit jeder neuen Regelinterpretation im Triathlon scheint man ein Stück Ordnung wieder zu verlieren. Es erinnert an einen überquellenden Koffer, in den man verzweifelt noch ein Paar Socken stopft, während auf der anderen Seite die Zahnbürste wieder herausfällt.

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Die Regeländerungen zu den Trinksystemen und der Werkzeugaufbewahrung sollten eigentlich Klarheit schaffen. Doch was ist passiert? Die Szene diskutiert aufgebracht auf Social Media, auf Events herrscht Verwirrung sowohl bei Kampfrichtern als auch bei Athleten, und die „eindeutigen“ Regeln werden gefühlt jedes Wochenende anders ausgelegt.

Aus der Szene

Beim Schloss-Triathlon in Moritzburg wurden Athleten beim Einchecken auf eine angebliche neue Regelung hingewiesen: Nur noch 20 cm über der imaginären Verlängerung des Oberrohrs seien Extensions erlaubt – eine Definition, die so nirgendwo in der offiziellen Sportordnung zu finden ist. Es wurde sogar auf eine Darstellung verwiesen, die vermeintlich „klar zeigt“, dass bestimmte Aufbauten unzulässig seien. Dabei bezieht sich genau diese Grafik lediglich auf Trinksysteme und Flaschen – und nicht auf Extensions. Wer das bemerkt, wird sogleich der „bewusst falschen Regelauslegung“ vom Schiedsrichter vor Ort bezichtigt. Das ist absurd und schädlich für den Sport.

Ausschluss von Rädern?

Noch schlimmer wird es, wenn man sich die jüngsten Entwicklungen anschaut: Die erneute Regeländerung zu den Werkzeugboxen bedeutet im Grunde, dass wieder fast alles erlaubt ist – solange man innerhalb des magischen Zwei-Liter-Limits für die Verpflegung bleibt. Die Werkzeugbox kann beliebig positioniert werden, was wiederum Optionen zulässt, die mit dem 30 × 30-Zentimeter-Fenster verboten worden sind. Das „Shiv Tri“ von Specialized, das als einziges Bike einen integrierten Tank am Heck besitzt, fällt durchs Raster. Warum? Weil die Finne für die Hydration zu groß ist – obwohl das System technisch dasselbe leistet wie eine Flasche à einem Liter und einer Werkzeugbox darunter. Ist das eine bewusste Ausgrenzung? Oder fehlt die Lobby, weil das Rad nicht mehr produziert wird? Wenn das Volumen hinter dem Sattel auf zwei Liter, mit einem maximalen Volumen von je einem Liter pro Flasche begrenzt wird, so dürfte das Specialized „Shiv Tri“ einen weiteren Flaschenhalter für eine zusätzliche Flasche à einem Liter verwenden.

Diese Art von Ausgrenzung einzelner Modelle ist bedenklich. Wenn ein Regelwerk dazu führt, dass innovative Konstruktionen pauschal ausgeschlossen werden, verlieren wir das, was den Triathlon eigentlich ausmacht: die Mischung aus Technik, Tüfteln und individueller Entwicklung. Natürlich muss die Sicherheit an erster Stelle stehen. Doch wer schon einmal bei Tempo 40 über Kopfsteinpflaster gefahren ist, weiß: Die wirklichen Risiken liegen woanders als bei einer gut fixierten Werkzeugbox und Trinksystemen hinter dem Sattel.

Verständlichkeit

Was wir benötigen, ist ein klar verständliches, praxistaugliches Regelwerk. Einfache Kriterien – zum Beispiel: ein maximales Volumen von zwei Litern hinter dem Sattel, mit einer maximalen Größe je Behältnis von einem Liter, plus eine Werkzeugbox mit definierter Maximalgröße, sofern hier die Bedenken von wilden Konstruktionen zu groß sind. Schluss mit Zentimeterreiterei entlang imaginärer Linien über dem Oberrohr. Schluss mit Regelauslegungen, die sich jedes Wochenende ändern wie das Wetter in den Alpen.

Was wir stattdessen erleben, ist ein wachsender Interpretationsspielraum, der zu Unsicherheit auf allen Seiten führt – und am Ende den Sport beschädigt. Wer sich auf ein Rennen vorbereitet, sollte sich auf das Reglement verlassen können – und nicht auf die Tagesform des jeweiligen Schiedsrichters. Denn dann kommen wir an den Punkt, wie im vergangenen Jahr in Roth geschehen. Wo an unterschiedlichen Eingängen in die Wechselzone unterschiedlich darüber entschieden wird, mit welchen Vorrichtungen gefahren werden darf, da die Regelauslegung doch nicht so eindeutig ist, dass sie von allen Schiedsrichtern gleich behandelt wird.

Ironman als Vorbild?

Ironman hat Anfang des Jahres bei der Veröffentlichung seiner Regelinterpretation für eine übersichtliche, einfache und klare Lösung gesorgt. Die Ironman-Richtlinien waren in ihrer Sprache deutlich, in der Praxis realistisch und enthielten klare Grenzwerte: Zwei Flaschen am Heck, Werkzeugboxen erlaubt – solange alles sicher montiert ist und das Gesamtvolumen begrenzt bleibt. Das Regelwerk zeigte, dass man technische Vielfalt nicht mit Verboten bekämpfen muss, sondern mit Maß, Augenmaß und verständlicher Sprache regulieren kann.

Es ist Zeit für eine Rückbesinnung auf das Wesentliche: Sicherheit, Fairness – und ein bisschen Spielraum für technologische Kreativität. Das macht Triathlon aus.

Hier findest du die aktuelle DTU-Sportordnung.

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Lars Wichert
Lars Wichert
Lars Wichert ist dreimaliger Weltmeister im Rudern und nahm an den Olympischen Spielen 2012 in London und 2016 in Rio de Janiero teil, bevor er zum Triathlon wechselte. 2021 gewann er sein erstes Rennen beim Ironman Hamburg in 8:12:46 Stunden, der schnellsten jemals erzielten Rookie-Zeit bei den Agegroupern.

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