Rund 100 Tage. Das ist die Zeit, die mir noch für mein Training bis zum Swissman 2022 bleibt. Am 25. Juni ist der Start, frühmorgens um 5:00 Uhr. Und ich nehme euch mit auf meiner langen Vorbereitungsreise.
Rund 100 Tage gilt es nun also noch, das Training zu strukturieren und sinnvoll zu gestalten, aus wenig Zeit viel herauszuholen. Das ist mein tägliches Business als Triathlon-Coach und es ist spannend, es an mir selbst anzuwenden. Schon während meiner Zeit als Profi habe ich begonnen, für Athleten Trainingspläne zu schreiben und mittlerweile habe ich einen feinen Kundenstamm mit einer überaus breiten Range an Belangen, Leistungsklassen, Sportausrichtungen, Vergangenheiten und persönlichen Zielen. Und ich muss sagen, ich liebe meinen Job! Es gibt nichts Schöneres, als zu versuchen, sich in die einzelne Person hineinzuversetzen, bisherige Trainings- und Trainingsoptionen zu beachten und das Programm zu erstellen in Abhängigkeit von Job, sozialem Umfeld und sonstigen Verpflichtungen. Anfänger und Fortgeschrittene, nach Schwangerschaften oder Verletzungspausen, erster Triathlon oder Hawaii-Quali, die Bandbreite ist groß und die Motivation auch. Und das Allerschönste ist natürlich, wenn sich die Athleten verbessern, gute Leistungen bringen und glücklich sind. Und das möchte ich dann auch sein, am Abend des 25. Juni nach Überqueren der Ziellinie.
Vom Flickenteppich zur Struktur
Nachdem ich den Entschluss gefasst hatte mich anzumelden, musste auch wieder Struktur in meinen Wochen- und Monatsrhythmus. Ich muss nämlich gestehen, dass ich nach dem Ende meiner Profikarriere und dem Umzug nach Klagenfurt eher „flickerlteppichmäßig“ trainiert habe. Was mir in den Sinn kam an Events und an Einheiten, wie gerade Zeit und Wetter waren, Hauptsache Sport treiben. Besonders 2020 und 2021 unter den Covid-Einschränkungen wurde meine Ausrichtung immer radlastiger, das Schwimmen und Laufen traten mehr und mehr in den Hintergrund.
Nicht allzu verwunderlich, dass es hier auch merkliche Rückschritte im Leistungsvermögen gab: zunehmendes Alter, wenig Kilometer, keine Inhalte. Je schwächer man wird, desto weniger Spaß macht es, desto weniger Lust hat man etwas zu tun.
Starten wir beim Schwimmen: Als ich nach Klagenfurt kam, war ich zugegebenermaßen etwas verwundert und auch ein klein wenig irritiert, dass es nur ein kleines schnuckeliges Hallenbad mit einem 25-Meter-Becken gibt, das ziemlich überschaubar von Mitte September bis Mitte Juni geöffnet hat. Denn von Juni bis September gibt es ja schließlich den See. Und da muss ich ja wirklich uneingeschränkt zustimmen: Der See ist fabelhaft und grandios. Aber kann man dort ein so gezieltes Schwimmtraining absolvieren, wie man es im Becken täte? Kein 50-Meter-Becken, weder Indoor noch Outdoor, kein Freibad, kein gar nichts. Im Prinzip war es mir bald recht egal, die Einheiten im Wörthersee mit Blick auf den Pyramidenkogel und die Berge haben Spaß gemacht und schlussendlich waren meine Schwimmaufwände mindestens genauso überschaubar wie die Anzahl, Größe und Öffnungszeiten der vorhandenen Becken. Zwischenzeitlich waren dann sowieso alle Pools wegen Covid geschlossen und zu guter Letzt wurde festgestellt, dass das Hallenbad, das seit 17 Jahren eigentlich baufällig ist, nun tatsächlich nicht mehr öffnen darf. Ganz überraschend. Seit 17 Jahren.
Der Aufruhr aller Klagenfurter Schwimmer und Triathleten war groß. Das Therapiebecken im benachbarten Örtchen St. Veit an der Glan mit seiner Ausrichtung auf Therapie und Familie und seinen 30 Grad Wassertemperatur nimmt die Sportler auf. Ein Treiben, das dort wahrscheinlich so noch nicht gesehen ward. Ganz zu meiner Freude, wo ich doch so eine Warmduscherin bin und mir sowieso jedes Wasser zu kalt ist. In St. Veit bekomme sogar ich einen roten Kopf. Aber wir sind alle dankbar, dass wir dort hinkönnen, dass es diese Option gibt.
Für Schwimmer morgens zwischen 07:00 und 09:00 Uhr oder zu Vereinszeiten, wann anders ist Sportschwimmen nicht erlaubt. Mittlerweile gibt es eine permanente Sportschwimmbahn, die aber nur benutzt werden darf, wenn nicht allzu viel los ist und wenn diese nicht sowieso von Vereinen benutzt wird. Ich persönlich bin super happy mit der Situation. Weil wir so günstig wohnen, dass es fast gleich weit ist, ob wir nun ins Klagenfurter oder ins St. Veiter Hallenbad fahren würden. Und ich habe einen perfekten Rhythmus gefunden: Dienstag in der Früh gehe ich ins Frühschwimmen und dann schleiche ich mich ins Training vom HSV-Triathlon-Kärnten-Nachwuchs am Freitagnachmittag und am Samstagmorgen für eineinhalb Stunden ein. Zum einen ist das super, weil ich so hautnah erlebe, was die Kinder, für deren Trainingsstruktur ich als Sportdirektorin verantwortlich bin, trainieren. Zum anderen ist das Training wirklich klasse. Noch nie in meinem Leben habe ich gezieltes Rollwendentraining gemacht, bin so viel Delfin geschwommen und so intensiv. Das hätte ich mal früher gebraucht, dann wäre möglicherweise einiges noch besser gekommen. Momentan hat unsere kleine Julia, die am Tag des Swissman sechs Jahre alt wird, mittwochs Schwimmtraining. Die Zeit nutze ich auch häufig für mein eigenes Training, vor allem wenn ich weiß, dass ich Freitag oder Samstag nicht kann. Und unsere große Tochter Lisa, die an Ostern schon 14 wird, schwimmt auch beim HSV. Das ist echt super, wenn wir beide zusammen zum Training fahren. So macht es gleich noch mehr Spaß! Aber ich muss sagen, auf die Sommersaison freue ich mich auch, wenn die Nachwuchsathleten für ihr Training in den See gehen. Unser Vereinsschwimmtrainer Mario Moritz (einst Leistungsschwimmer und staatlich geprüfter Schwimmlehrer) kennt alle Abstände von Steg zu Steg, Ufer oder Steg zu Boje, Boje zueinander, usw. Da gibt es die gleichen Intervalle wie im Becken, nur eben im offenen Gewässer, Orientierungsschulung mitgeliefert.
Ich würde sagen, in der Zwischenzeit schwimme ich wieder so, wie ich immer geschwommen bin. Vielleicht ein klein bisschen schwächer auf längeren Distanzen, weil mir die Kraft und die Umsetzung der Kraft fehlt. Wenn ich eine Zeit zwischen 1:00 Stunde und 1:10 Stunde im Wettkampf schaffe, bin ich völlig und äußerst zufrieden.
Arbeit am Berg – mit Rad und Ski
Denn dann geht es aufs Rad. Und auf dem Rad gilt es die 180 Kilometer mit 3.700 Höhenmetern zu schaffen. Im letzten Jahr bin ich viel geradelt. Nur auf dem Rennrad, meistens locker, aber mit vielen Höhenmetern. Und die Form war gar nicht so schlecht. Zwei der wenigen Events, die ich im vergangenen Jahr gemacht habe, waren Radrennen. Eins davon von Heiligenblut auf den Großglockner, und da war ich sogar schneller als bei meinem Debüt 2019. Und den Istria300 habe ich ohne besondere Vorbereitung auch prima gemeistert. Geholfen hat dabei unter anderem meine Gipfelstürmerwoche, die ich wirklich jedem ans Herz legen möchte, der gerne Rad fährt. Fünf Tage und fünf „Gipfel“ in den umliegenden Bergen von Klagenfurt, das war schon wirklich wunderschön. Heuer wird es diese fünf Tage auch wieder geben, wenn auch erst nach dem Swissman. Und da bin ich froh darüber, so habe ich wenigstens noch einen Lichtblick, wenn das Hauptevent gemeistert ist. Dafür habe ich heuer wieder meine Trainingslager. Seit 12 Jahren biete ich zweimal pro Jahr – immer Mitte Februar und Mitte März – die Trainingscamps auf Lanzarote in Costa Teguise an. Dort bin ich selbst als Guide im Einsatz. Damit sind einige Kilometer garantiert, und bekanntlich auf Lanzarote auch einige Höhenmeter. Dazu kommt das Kraft-am-Berg-Training, das wir jede Woche einmal machen.
Zwischendurch habe ich meine Radkilometer durch Skatingmeter ersetzt und das Radtraining auf die Skier gelegt. 900 Kilometer habe ich geschafft seit Ende November. Das Skaten hat in Österreich eine ganz neue Bedeutung für mich bekommen: Letztes Jahr hatte ich mich beim Nachwuchstraining auf der Loipe eingeschlichen. Tomaz Druml, ein ehemaliger Profi in der Nordischen Kombination, hat das Training geleitet und irgendwie hat er mich komplett neu auf die Skier gestellt. Kaum zu glauben, aber wahr: Auch im fortgeschrittenen Alter kann man noch an seiner Technik arbeiten und sich verbessern. Plötzlich war ich nicht mehr Passagier, sondern konnte die Ski direkt kontrollieren. Die 1-1er-Technik wurde mein Hauptstil. Die Geschwindigkeit ist um zwei bis vier km/h bei gleicher Anstrengung gestiegen. Also habe ich mich heuer getraut, mich zu einem ersten Skating-Rennen anzumelden und bin doch direkt Kärntner Meisterin in meiner Altersklasse geworden. Witzig.
Zurück zur Natur
Ende März könnte es dann langsam aber sicher schon warm genug sein, um draußen zu fahren. Das Klima ist in Kärnten doch um einiges milder, als ich es aus Deutschland gewohnt war. Und das kommt mir natürlich auch beim Laufen entgegen. Hier habe ich behutsam und langsam begonnen, da ich doch etwas verletzungsanfällig bin. Und toi toi toi: Bis jetzt ist alles gut. Zuerst habe ich im September, Oktober und November mein Augenmerk auf die Grundlage gelegt und bin verstärkt auch Trails im Wald gelaufen. Davon habe ich nämlich jetzt auch mehr als genug und das kommt einem vor allem dann entgegen, wenn man mit dem Rückgang der Pace zu kämpfen hat. Denn im Wald, wenn es bergauf und bergab über Wurzeln und Waldboden geht, spielt die Pace keine große Rolle. Mein liebstes Ziel ist mein Hausberg, der Ulrichsberg. Wenn ich von zu Hause dorthin laufe, hinauf, hinunter und auf anderem Weg zurück, dann lege ich 18–21 Kilometer zurück, mit gut 800 Höhenmetern. Da bin ich schon zwei Stunden oder auch länger unterwegs, vor allem wenn ich – so wie letztes Mal – meine coolen „Schneeketten“ für die Schuhe an- und abschnallen muss. Danach hatte ich ja so was von Muskelkater, ungeheuerlich.
Wir haben ein Lamellenlaufband im Keller, das wirklich ein tolles Laufgefühl kreiert. Das habe ich dann auch gelegentlich benutzt. Und wenn ich auf dem Laufband laufe, dann fülle ich gerne das Training mit Inhalt. Anfangs waren die Intervalle mehr als sachte, um mich an den Speed zu gewöhnen. Mit Serien über 30–40 Sek flott und Trabpause habe ich begonnen, dann kamen die Minutenintervalle und in der Zwischenzeit gibt es schon den einen oder anderen Tempowechsellauf und Intervalle über zwei bis drei Minuten. Progressive Läufe stehen regelmäßig auf dem Plan und Lauf-Abc sowie Lauftechnik darf im Wochenrhythmus auch nicht fehlen. Die Erfahrung habe ich in meinen langen Profijahren gemacht. Früher dachte ich immer, lieber ein paar Kilometer mehr im Protokoll. Heute weiß ich, dass Technik und Motorik die koordinativen Fähigkeiten schulen und dadurch eine signifikante Verbesserung zusammen mit Verletzungsprophylaxe gewährleistet ist. Meine Läufe dauern von 45 bis 120 Minuten, nur in wenigen Fällen laufe ich mal länger als zwei Stunden. Das möchte ich schon noch ein wenig ausweiten, vor allem die Läufe bergauf und bergab, wenn der Schnee weg ist und die Temperatur ein wenig höher.
Bezüglich der Verletzungsprophylaxe hilft auch mein regelmäßiges Athletiktraining. Das hätte ich ja nie gedacht, aber da kann man Fortschritte machen bis zum Gehtnichtmehr. Weihnachten vor einem Jahr habe ich mit der Reihe gestartet, Athletik über Zoom anzubieten. Eigentlich um die Coronazeit ein wenig zu versüßen und das einsame Training in die Gruppe zu verlegen. Nun hat es einen festen Bestandteil im Wochenrhythmus.
Insgesamt freue ich mich aber auf die Herausforderungen und auf die anstehenden Einheiten in der Natur. Das ist das Besondere am Swissman: bei jedem Wetter, unter allen Bedingungen, möglicherweise extrem. Und darauf will ich vorbereitet sein. Wie ich dann mein Material zusammenstelle und welche Reisevorbereitungen getroffen werden mussten, will ich euch das nächste Mal erzählen.
Love your blog Sonja, thanks for sharring and I really hope your training & preparation will continue to go very well for Swisman 2022 – I wish I could be there too, to support you my friend. Stay healthy & happy, with love from Cape Town xx