Nach einem wohl beinahe komplett ausgefallenem Rennjahr in 2020 könnte 2021 mit den zwei Weltmeisterschaften auf Hawaii im Februar und Oktober sowie zwei geplanten Ironman-70.3-Weltmeisterschaften für einige Profis zu einer großen Herausforderung werden. Vor allem mit Blick auf die Qualifikation der beiden Höhepunktrennen in Kailua-Kona am 6. Februar und am 9. Oktober stehen einigen Athleten gegebenenfalls zwölf Monate bevor, in denen sie fünf bis sechs Langdistanzen absolvieren müssen. Wir haben mit den drei letzten Hawaii-Siegern Jan Frodeno, Patrick Lange und Sebastian Kienle sowie Laura Philipp, Daniela Bleymehl, Franz Löschke und Svenja Thoes über die aktuelle Situation gesprochen, um herauszufinden, wie sie im Training mit der immer noch unsicheren Lage umgehen, welche Rennen für eine Qualifikation in Frage kommen würden und vor allem, welche Lösung sie sich von Ironman für eine sinnvoll und auch „gesunde“ Qualifikation für das bevorstehende Jahr wünschen würden.
Der dreifache Weltmeister Jan Frodeno sei, nachdem auch in Spanien die extrem strengen Maßnahmen wieder etwas gelockert wurden, nach seinem ersten selbst kreierten Frühjahrshöhepunkt im heimischen Girona – der Langdistanz im Homeoffice – wieder gut im Training und auch beim Schwimmen stelle sich mit den neuen Regeln wieder eine Routine ein. „Wir haben jetzt erst einmal einfach beschlossen, so zu trainieren, als wäre im September ein Rennen“, sagt Frodeno. Sobald es einen echten Triathlon gebe, der sinnvoll und konkurrenzfähig sei, werde er dort am Start sein. „Ich bin Sportler und will Wettkämpfe machen. Ich freue mich einfach, wenn es wieder los geht und arbeite, um dann bereit zu sein“, sagt der 38-Jährige. Mit Blick auf das kommende Jahr, in dem er auch seinen Start bei der Challenge Roth nachholen will, ist Frodeno ein Stück weit skeptisch. Bereits vier sportliche Höhepunkte seien „sehr sehr anspruchsvoll“. „Es wird nicht möglich sein, bei vier Rennen 100 Prozent zu haben. Da muss man genau abwägen“, sagt er. Dies gelte vor allem für Athleten, die sich noch in Topform qualifizieren müssten. Um den Druck für das kommende Jahr etwas herauszunehmen, würde sich Frodeno wünschen, „dass das bisherige Qualifikationssystem bis Oktober 2021 erst einmal auf Eis gelegt wird“. Frodeno könne sich als Alternative beispielsweise vorstellen, dass die Top Ten der vergangenen drei Jahre fix qualifiziert seien und der Rest des Starterfelds mit Athleten besetzt werde, „die sich bis dahin empfehlen können“. Und auch das Rennen im Februar könne ein Qualirennen für die WM in Kailua-Kona im Oktober sein, so Frodeno. Priorität haben für den amtierenden Ironman-Weltmeister im kommenden Jahr die beiden Wettkämpfe auf Hawaii. „Das Thema 70.3-WM ist bei dem Terminkalender in 2021 erst einmal zweitrangig und für mich schwer unterzubringen“, sagt Frodeno.
Auch für Sebastian Kienle, den Ironman-Weltmeister von 2014 und WM-Dritten des Vorjahres, gehe es darum, „sich die Motivation und die Form einzuteilen“. Die Ironman-Mitteldistanz-WM im neuseeländischen Taupo habe ohnehin nicht auf seinem Plan gestanden. Die zweite 70.3-WM im kommenden Jahr im US-amerikanischen St. George hingegen reize ihn schon sehr, so Kienle. Für seinen Validierungswettkampf stehe immer noch der Ironman Frankfurt ganz oben auf seiner Liste. „Ich halte Rennen in Europa für eher realistisch als in vielen anderen Regionen der Welt. Hamburg, Nizza und Kärnten wären weitere Optionen für Kienle für eine Ironman-Langdistanz im Spätsommer. Um bei einem der Rennen an den Start zu gehen, würden für ihn zurzeit zwei bis drei Wochen spezifische Vorbereitung ausreichen, um in guter Form in den Wettkampf zu gehen, so Kienle. Einen wichtigen Grundstein in der Vorbereitung für die bevorstehende Ironman-WM auf Hawaii im Februar würde Kienle im Trainingslager auf Fuerteventura legen. Aber auch in Deutschland sei dies möglich. „Einfach mal den Ventilator bei Zwift ausschalten. Es gibt wahrscheinlich kaum eine bessere Hitzeanpassung“, sagt Kienle. Ein zu voll gepackter Rennkalender, der für die Profis eventuell bei zu vielen Wettkämpfen auch zur Gesundheitsgefahr werden könnte, sehe Kienle nicht so kritisch, da es durch die Corona-Pandemie eine sehr lange Phase gab, in der die Athleten eine extrem gute Grundlage aufbauen konnten. Er werde nach der ersten WM auf Hawaii 2021 im Februar später wieder in die Saison einsteigen, gegen Mitte Mai oder Anfang Juni. „Ehrlich gesagt freue ich mich fast darauf, dass sich der sonst immer gleiche Rhythmus etwas ändert“, sagt Kienle. Für die Qualifikation der WM-Rennen könne er sich vorstellen, dass alle für 2019 qualifizierten Athleten und die bereits neu qualifizierten Profis an den Start gehen könnten. Eine weitere Option sei zudem eine Qualifikation über die Weltrangliste der Professional Triathletes Organisation (PTO).
„Einfach mal den Ventilator bei Zwift ausschalten. Es gibt wahrscheinlich kaum eine bessere Hitzeanpassung.“
Sebastian Kienle
Für Patrick Lange, den Ironman-Weltmeister von 2017 und 2018, wäre auch eine einjährige Rückkehr zum ehemaligen Punktesystem möglich, über das sich die Profis viele Jahre lang für die WM auf Hawaii ihren Startplatz gesichert haben. Für Lange spielen die beiden Mitteldistanz-Weltmeisterschaften in 2021 ebenfalls eher eine untergeordnete Rolle: „Kona ist und bleibt das alles entscheidende Rennen im Triathlonkalender und das wird meiner Meinung nach auch immer so bleiben“, sagt er. Dem Jahr 2021 mit wohl deutlich mehr Wettkämpfen – vor allem über die Langdistanz – sehe er mit Skepsis entgegen. „Ich bin mir sicher, dass die Themen Regeneration und Prävention im kommenden Jahr wichtiger denn je werden.“ Besonders bei den vier bevorstehenden Langdistanzen, die auf Lange in den kommenden Monaten theoretisch warten, werde es ein besonders schweres Unterfangen, auf einem Toplevel zu sein. Dies werde eine besondere Herausforderung, ein gesundheitliches Risiko für die Topprofis sehe er dennoch eher nicht.
Nach seiner nicht ganz glücklich verlaufenen Premiere beim Ironman Hawaii im vergangenen Oktober will Franz Löschke den Fokus vor allem auf den verschobenen Weltmeisterschaftstermin im Februar legen. „Die Februar-Bedingungen spielen mir grundsätzlich eher in die Karten“, sagt Löschke. Für die Qualifikation werde er wohl jedoch lediglich eine Langdistanz investieren und beim Verpassen des nötigen Slots nicht noch eine zweites Rennen über die 226-Kilometer-Distanz in Angriff nehmen. Für die eventuell bevorstehende Vorbereitung würde er mit Sebastian Kienle „auf Fuerteventura ab und an Wind und Wärme schnuppern“. Und auch der Potsdamer Winter sei in den vergangenen Jahren nicht so hart gewesen, sodass er lang und viel draußen trainieren konnte. Wie auch Patrick Lange würde Löschke für die Qualifikation des Ironman Hawaii 2021 im Oktober eine Rückkehr zum alten Punktessystem begrüßen.
Laura Philipp, die WM-Vierte des Vorjahres, müsste sich noch wie auch bei Franz Löschke für ihren zweiten Wettkampf auf Hawaii einen Qualifikationsslot holen, den sie sich bei einem deutschen oder europäischen Ironman sichern will. Ähnlich wie Sebastian Kienle sei Philipp in einem Trainingszustand, der es ihr ermögliche, innerhalb weniger Wochen bereit für einen Ironman zu sein. Und auch ein zweiter Qualifikations-Wettkampf sei für die 33-Jährige durchaus denkbar. „Ich denke, gerade weil ich noch kein Rennen gemacht habe und noch nicht die Strapazen einer normalen Saison in den Knochen habe, ist das auf jeden Fall realistisch“, sagt Philipp. Für ein wettkampfreiches Jahr 2021 sei es ihrer Meinung nach wichtig, dass man die Saison gut vorbereite und sich genug Erholung gönne und dann vielleicht auf die eine oder andere Mitteldistanz verzichte. „Dann wird es gut möglich sein“, sagt Philipp. Für sie sei zudem auch ein Start bei mindestens einer der Ironman-70.3-Weltmeisterschaft realistisch – sofern dies bezüglich des Termins, des Reiseaufwands und in Bezug auf aktuelle Form Sinn ergebe. Beim Thema Hawaii-Qualifikation hoffe sie, dass Ironman vor allem in dieser besonderen Phase den besten Sportlern ermögliche, bei der Weltmeisterschaft an den Start gehen zu können. Denkbar sei für die gelockerte Qualifikation eine WM-Ticket-Vergabe für die Top Ten des vergangenen Jahres oder auch eine Orientierung an der Weltrangliste der PTO.
Für Daniela Bleymehl, die mit dem neunten Platz 2019 das drittbeste deutsche Resultat bei ihrem zweiten Hawaii-Start erlangte, stehe der Ironman Frankfurt, solange dieser noch nicht final abgesagt sei, immer noch ganz oben auf der Wunschliste ihrer Qualifikationswettkämpfe. Alternativ könne sie sich aber auch einen Start beim Ironman Austria in Klagenfurt oder dem Ironman France in Nizza vorstellen. Einen zweiten Quali-Wettkampf wolle sie, sofern sie diesen benötige, nicht auf Biegen und Brechen erzwingen, aber natürlich alle sinnvoll realisierbaren Optionen in Angriff nehmen. Die Vorbereitung für den Ironman Hawaii im Februar des kommenden Jahr müsse sie auf jeden Fall zu Hause absolvieren, da sie ohnehin durch einen Trip nach Hawaii lang von zu Hause und ihrem schulpflichtigen Sohn getrennt wäre. Für ein auch im Februar möglichst stark besetztes Rennen sieht Bleymehl vor allem den Veranstalter gefordert. „Wenn Ironman ein sowohl qualitativ als auch quantitativ hochkarätiges Feld bei den Weltmeisterschaftsrennen sehen möchte, müsste sich der Qualifikationsmodus definitiv ändern“, sagt Bleymehl.
Svenja Thoes, die auf Hawaii im vergangenen Jahr auf Platz 20 ins Ziel und in Kailua-Kona 2016 die WM bereits schon einmal als Agegrouper in ihrer Altersklasse gewonnen hat, würde für einen dritten Start auf der Insel nur einen Qualifikationsversuch starten. Eine ausgedehnte Saison mit vier oder sogar mehr Langdistanzen sehe sie kritisch. „Am Ende werden das die stabilsten Athleten durchstehen können“, sagt Thoes. Auch sie macht sich für eine Sonderlösung in den kommenden Monaten stark, die es beispielsweise Profis ermögliche, die eine gewisse Platzierung im vergangenen Jahr auf Hawaii erreicht haben, auch wieder in Kailua-Kona im Februar starten zu können, ohne zusätzlich ein Langdistanz machen zu müssen.