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Ironman-Mann | John Wragg hat mehr als 250 Langdistanzen gefinisht

Knapp eineinhalbmal um die Welt – 58.082 Kilometer. Diese Strecke hat John Wragg allein bei Langdistanzrennen in seinem Leben absolviert. Ganz zu schweigen von den unzähligen Trainingseinheiten, in denen er ein Vielfaches an Kilometern abgespult hat – oder den Kilometern, die bei diversen kürzeren Triathlonwettkämpfen zusammenkamen. Der Kanadier ist einer von fünf Triathleten auf diesem Planeten, die alle existierenden Ironman-Rennen gefinisht haben. Und einige Veranstaltungen hat Wragg locker überlebt. Bis zum Ende des Jahres 2019 hat er 257 Langdistanzen ins Ziel gebracht.

Kevin Mackinnon Privatmuseum: Die Pokale, Medaillen und Andenken von den Wettkämpfen füllen mittlerweile zwei Räume des Eigenheims.

Die Leidenschaft für den Triathlon beginnt für John Wragg im Jahr 1988 mit einer Wette beim Mittagessen. Einer seiner Freunde behauptet, dass er nicht in der Lage sei, alle Ironman-Rennen auf der Welt ins Ziel zu bringen. Damals waren es gerade einmal fünf Stück: Auckland (Neuseeland), Roth (Bayern), Lake Biwa (Japan), ­Penticton (Kanada) und die Mutter aller Triathlons, der Ironman auf ­Hawaii. Der Wetteinsatz ist eine Handvoll Dollar. „Ich habe die Wette sofort angenommen. Ich war immer auf der Suche nach sportlichen Herausforderungen“, sagt Wragg. Erste Erfahrungen im Dreikampf hatte er bereits zwei Jahre zuvor gemacht, als er mit Freunden aus dem Schwimmclub Sprint-Triathlons auf eigene Faust bestritt. 1987 folgen dann bereits eine olympische Distanz und eine Mitteldistanz. Als komplett blutiger Triathlon-Einsteiger geht Wragg also bei seinem ersten Rennen auf der 226-Kilometer-Distanz nicht an den Start.
Harte Premiere auf Hawaii

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„Das mache ich nie wieder“

Nach 13 Stunden, 14 Minuten und 52 Sekunden erreicht Wragg am 20. März 1988 die Ziellinie im neuseeländischen Auckland. Komplett fertig und ausgelaugt. Kurz danach ist für ihn, wie für viele andere Triathleten nach ihrer erster Langdistanz, eines klar: „Das mache ich nie wieder“, sagt er sich damals. Doch dieser Gedanke verwandelt sich schon wenige Tage später wieder in die Lust, weitere Langdistanzen ins Ziel zu bringen. So kommt er wenige Monate später über die Ziellinie des ­Ironman Hawaii. „Das war ein schreckliches Rennen, auf das ich nicht gut vorbereitet war“, erinnert er sich. Den kompletten Marathon kämpft er mit Krämpfen. „Fünf Meilen vor dem Ziel lag eine ziemlich teure Oakley-Brille auf der Strecke und ich habe kurz überlegt, sie aufzuheben. Doch wenn ich mich heruntergebückt hätte, wäre ich nie wieder hochgekommen“, sagt er. Nach mehr als 15 Stunden schafft er es ins Ziel. Es sollte nicht das letzte Kona-Finish für Wragg sein. Bis 2018 schafft er es weitere 14-mal auf Big Island durch den wohl berühmtesten Zielbogen der Triathlon­welt. Spätestens nach dem Hawaii-Finish im Jahr 1988 ist der Highschool-Lehrer mit dem Ironman-Fieber infiziert. In der An­fangsphase dieser Sucht, wie Wragg selbst seine Beziehung zum Sport bezeichnet, genügen ihm zwei bis drei Rennen pro Jahr. Doch nicht lang. Wragg will mehr und schnell stehen jährlich bis zu zehn oder mehr Langdistanzen im Kalender. Im Jahr 2013 findet diese Entwicklung mit 20 Ironman-Rennen ihren Höhepunkt. „Einige sagen, dass wir verrückt sind. Aber wir sind total begeistert und lieben, was wir tun.“ Mit „wir“ meint Wragg sich selbst und seine Frau Elizabeth Model.

Aus einigen Finisher-Shirts hat eine Freundin von Wragg eine Bettdecke genäht.

Die Liebe seines Lebens trifft er im ­April 2006 beim Ironman Arizona auf der Pasta-Party. Nach einigen Telefonaten ist dann klar, wo das erste Date stattfinden soll: beim Vancouver-Marathon. Auch wenn es bei dem Ren­dez­vous wie aus ­Eimern schüttet, ist es einer der sonnigsten Tage des kinderlosen Paares, der das Fundament für ihre heutige Ehe ist. Auch seine Frau ­Elizabeth ist süchtig nach den Rennen über die 226-Kilometer-Distanz. Seit dem Jahr 2005 hat sie rund 100 Ironman-Wettkämpfe ins Ziel gebracht. Gemeinsam sind sie bereits bei 17 Wettkämpfen an den Start gegangen. Zuletzt beim Ironman New ­Zealand in Taupo Anfang März. Das Finish, das Wragg am meisten in Erinnerung geblieben ist, gelingt ihm zusammen mit seiner Frau im Oktober 2013. Sein „Aha-­Moment“, wie er das gemeinsame Erreichen des Ziels in Kona nennt. „Das ist die beste Erinnerung meines Sportlerlebens“, sagt er. Nachdem sich beide für die Weltmeisterschaft ­qualifiziert hatten, begegnen sie sich auf den letzten Kilometern des Marathons und beschließen, dass sie an diesem Tag zusammen ins Ziel kommen möchten. Das Foto, das diesen Moment festhält, hängt heute in der Küche des Paares. „Immer wenn es mir schlecht geht, schaue ich mir dieses Foto an und schon sind die Sorgen etwas kleiner geworden“, sagt Wragg. Weiteres Zeugnis der gegenseitigen Liebe und Erinnerung an die gemeinsamen Erlebnisse im Sport sind die goldenen Ringe, die John Wragg und seine Frau Elizabeth ­Model tragen: mit einem M-Dot-Logo auf der Oberseite. ­Diese Ringe schenkt ihm seine Frau zum 100. Ironman-Finish in ­Malaysia.

Finisherpix John Wraggs „Aha-Moment“: das gemeinsame Hawaii-Finish mit seiner Frau Elizabeth im Jahr 2013.

Wie groß ihre Leidenschaft für die Triathlon­wettkämpfe mit dem M-Dot ist, zeigt auch die Idee, alle Ironman-Rennen auf diesem Planeten zu bestreiten. Aus dieser Idee ist seit einigen Jahren ein elitärer Klub aus fünf Triathleten entstanden. Neben Wragg und Model sind der Mexikaner Luis ­Alvarez, der ­Kalifornier Jeff ­Jonas und auch der ­Deutsche Holger Müller weitere Mitglieder, die bei Wettkämpfen auf dem Globus verteilt stolz ihre roten T-Shirts präsentieren. Auf deren Rückseite sind alle Rennen aufgelistet, die momentan von Ironman ausgetragen werden und die die fünf Athleten bestritten haben. Auf sechs Kontinenten sind die Mitglieder des Klubs bei Ironman-Rennen an den Start gegangen. Und auch auf dem siebten Kontinent, der Antarktis, haben Wragg und seine Frau bereits Sport getrieben. Zwar keinen Triathlon, aber im Jahr 2014 haben die beiden dort beim ­Antarctic Ice Marathon teilgenommen.

Training im ­Wohnzimmer: Für John Wragg stehen ­immer noch rund 25 Stunden ­wöchentlich auf dem Plan.

Wie lang Wragg für all diese Wettkämpfe braucht, ist für ihn stets nur eine Nebensache. Heutzutage ist der Zielschluss eine seiner größten Herausforderungen. Im Durchschnitt sind es rund 16 Stunden, die er für die 226 Kilometer benötigt. „Mir geht es natürlich nicht um den Altersklassen­sieg, sondern ums Reisen und die Menschen, die ich im Rahmen der Veranstaltungen kennenlerne“, sagt er. So hat er beispielsweise immer noch Kontakt zur Familie Buske, bei der im Jahr 1988 in Roth übernachtete, da es, wie auch heute noch, in der bayerischen Kleinstadt nicht genug Hotels und Unterkünfte für die vielen Sportler gibt. „Ich habe so unglaublich viele interessante Menschen auf der ganzen Welt kennengelernt. Für mich ist die Triathlonwelt wie eine große Familie“, sagt Wragg. Wie viel Geld Wragg bisher investiert hat, um diese Familie auf den Wettkämpfen, verteilt über den gesamten Globus, kennenzulernen, darüber schweigt er. „Je nachdem, wo das Rennen stattfindet, fallen Kosten zwischen 2.000 und 5.000 Dollar an“, so seine Kalkulation. Das macht nach Adam Riese also mindestens eine halbe Million Dollar, die er für Triathon ausgegeben hat. Unbezahlbar sind für ihn jedoch die vielen Lektionen, die ihn der Sport gelehrt hat: „Eine positive Einstellung zu sich selbst ist extrem wichtig, um auch härtere Zeiten zu überstehen“, sagt er.

Schwerer Schicksalsschlag i­m ­Juni 2008

Neben den unzähligen Bilderbuchmomenten, die der 69

-jährige Kanadier im Sport erlebt hat, gibt es für ihn auch Talsohlen, aus denen er sich wieder herauskämpfen muss. Der größte Schicksalsschlag ereilt ihn am 14. Juni 2008. An diesem Samstag wird Wragg auf dem Rad von einem Truck angefahren. Die folgenden zwei Jahre verbringt er in fünf verschiedenen Krankenhäusern. Unzählige Untersuchungen und Eingriffe später muss seine komplette linke Hüfte durch ein künstliches Gelenk ersetzt werden. Einer der Ärzte habe ihm in dieser Zeit diagnostiziert, dass er nie wieder bei einem Triathlon an den Start gehen werde. Das wollte er jedoch nicht akzeptieren. „Dann suche ich mir eben einen anderen Arzt“, sagte er zu sich selbst. Das Comeback zurück an die Startlinie ist ein harter Kampf für Wragg. „Zu dieser Zeit hatte ich auch psychische Probleme.“ Doch die Rückkehr gelingt und so kann Wragg auch im Jahr 2019 noch nicht abschätzen, wie lang er noch bei Langdistanzrennen an den Start gehen will und kann. „Wenn ich irgendwann einmal nicht mehr selbst aktiv sein kann, will ich als Coach arbeiten“, sagt er. Und auch ein Buch will er schreiben, in dem er all seine Erlebnisse und Erfahrungen festhält. Und davon hat Wragg viele gesammelt. Er hat beinahe die komplette Entwicklung der Sportart aktiv miterlebt und weiß, wie es ist, mit der Badehose auf den ersten 3,8 Kilometern unterwegs zu sein und anschließend aufs italienische Rennrad zu springen. „Im technischen Bereich hat sich natürlich unglaublich viel verändert“, sagt er. Und auch in Sachen Ernährung oder Trainingssteuerung habe man damals keine Ahnung gehabt. „Es ging häufig nach dem Trial-and-Error-Prinzip. Wir haben viel ausprobiert und sind dabei auch oft gescheitert. Heute gibt es für jeden erdenklichen Bereich des Sports Experten, die uns erklären, was wir zu beachten haben“, sagt er. Die heutigen Sportler würden von den Fehlern seiner Generation profitieren, ist sich Wragg sicher.

Die technischen Neuerungen erleichtern es aber auch ihm im Alter von 69 Jahren, die große Anzahl an Ironman-Rennen pro Jahr finishen zu können. Das Jahr 2019 lief für Wragg alles andere als nach Plan. Eigentlich standen wieder 14 Veranstaltungen auf der Agenda, so auch die 250. Langdistanz bei der Nordamerikameisterschaft von Ironman in Texas. Insgesamt kam er jedoch im vergangenen Jahr „lediglich“ auf sieben Finishes. In Irland machte ihm die extreme Kälte, in Frankfurt die unerbittliche Hitze einen Strich durch die Rechnung und beim Ironman Maryland wurde er durch einen anderen Athleten vom Rad geholt. Bei dem Sturz brach er sich an zwei Stellen den Oberschenkelknochen.

Doch auch von diesen Rückschlägen lässt sich John Wragg nicht unterkriegen. Auf Skiern startet er gerade wieder den Aufbau seiner Grundfitness. Beim Ironman in Südafrika will er wieder am Start stehen. Zusammen mit seiner Frau, die dort ihren 100. Ironman ins Ziel bringen will. Ein weiteres Kapitel der Triathlon-Weltreise von John Wragg.

Zur Person:

  • Alter: 69 Jahre
  • Größe: 1,90 Meter
  • Gewicht: 82 Kilogramm
  • Schnellstes Rennen: Ironman Roth 1993 (9:56:41 Stunden)
  • Häufigste Starts: 23 x Ironman Canada
  • Kona-Finish: 15 x
  • DNF: 7 x
  • Mitteldistanz-Finish: rund 15 x
  • Sonstige Finishes: rund 25 x auf der olympischen und Kurzdistanz
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Marvin Weber
Marvin Weberhttp://marvinweber.com/
Marvin Weber ist Multimedia-Redakteur bei triathlon: Neben Artikeln fürs Magazin und die Homepage ist der gebürtige Siegerländer auch immer auf der Suche nach den besten Motiven für die Foto- und Videokamera. Nach dem Umzug in die neue geliebte Wahlheimat Hamburg genießt er im Training vor allem die ausführlichen Ausfahrten am Deich.

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