Tom Dreyer hat bereits erfolgreich mehrere Langdistanzen absolviert und am vergangenen Wochenende hat er den Double Ultratriathlon in Emsdetten gewonnen. Wie es zu diesem Projekt kam und wieso er die Belastung zuvor unterschätzt hatte, erzählt der 28-Jährige im Interview.

Erst mit Anfang 20 kam Tom Dreyer zum Ausdauersport. Nach einer Jugend als ambitionierter Fußballer entdeckte der Münsteraner über kurze Laufeinheiten, sein erstes Rennrad und seinen triathlonbegeisterten Vater den Dreikampf für sich. Etwas unfreiwillig ging er direkt in die Vollen. 2019 wollte er zunächst eine Mitteldistanz absolvieren, die jedoch abgesagt wurde. Alternativen in der Umgebung waren rar, so startete Tom beim Ironman Hamburg. Die Leidenschaft war schnell entfacht: Tom finishte mehrere Langdistanzen, qualifizierte sich für die Ironman-WM auf Hawaii und wollte als Profi starten. Doch der Versuch, den Sport zum Mittelpunkt seines Lebens zu machen, führte nicht zum erhofften Glück. Zu viel Druck, zu wenig Raum für ein Leben neben dem Sport – Tom entschied sich bewusst gegen den Profiweg und für einen eigenen, flexibleren Ansatz.
Stattdessen stellte er sich in diesem Jahr einer neuen Herausforderung: seinem ersten Double Ultratriathlon, einer doppelten Langdistanz mit 7,6 Kilometern im 50-Meter-Schwimmbecken, 360 Radkilometern auf einer gut vier Kilometer langen Runde sowie 84,4 Kilometern Laufen, verteilt auf 50 Runden. Im Interview spricht Tom über die Vorbereitung, mentale Tiefpunkte und die extremen Belastungen eines Ultratriathlons.

Tom, Langdistanzen bist du gewohnt. Wie kam es dazu, dass du dich auf einmal für die doppelte Strecke entschieden hast?
Das fing eigentlich nach dem Ironman Kopenhagen im vergangenen Jahr an (Tom Dreyer finishte in 8:33:06 Stunden, Anm. d. Red.). Ich hatte ein bisschen das Gefühl, dass für mich auf der normalen Langdistanz die Luft raus ist. Nochmal monatelang alles für ein paar Minuten Zeitverbesserung zu investieren, hat mich einfach nicht mehr gereizt. Mein Radsponsor hat mich dann auf den Double Ultratriathlon aufmerksam gemacht. Erst dachte ich: So viel langsamer ist das ja gar nicht. Ich habe es völlig unterschätzt.
Wie hast du dein Training umgestellt?
Ich habe vorher mit einem Trainer gearbeitet. Wir haben uns aber getrennt und ich habe dann entschieden, mich selbst zu coachen. Trotzdem haben wir vorher grob abgesprochen, wie man an so ein Projekt rangeht. Ich habe alle zwei bis drei Wochen sogenannte Ultra-Wochenenden eingebaut: zum Beispiel 50 Kilometer Laufen am Samstag, acht Stunden Rad am Sonntag. Danach eine komplette Erholungswoche. In der Theorie zumindest – in der Praxis brauchte ich oft länger zur Erholung, besonders mental. Ich hatte Phasen, da wollte ich einfach keinen Sport mehr machen. Und das kannte ich vorher nicht.
Gab es in der Vorbereitung Zweifel, das Projekt überhaupt durchzuziehen?
Auf jeden Fall. Besonders im Frühjahr lief es privat nicht gut, das hat sich total aufs Training ausgewirkt. Es gab Wochen mit nur acht Stunden Training. Und ich dachte wirklich mehrfach: Ich lasse das ganze Ding einfach sein. Es gab einen Moment, da war ich fast neidisch auf jemanden, der verletzungsbedingt seinen Ironman absagen musste. Da wusste ich: So darfst du nicht über ein Rennen denken.
Du hattest im Vorfeld auch das Wort „Weltrekord“ in den Raum gestellt. War das dann überhaupt noch ein Thema für dich?
Das habe ich, glaube ich, nach meinem ersten 50-Kilometer-Lauf im Januar abgehakt (lacht). Ich habe festgestellt, dass das bei Weitem anstrengender ist als erwartet. Und dachte dann, dass ein Weltrekord natürlich cool wäre, aber es auch cool ist, das Ding einfach zu finishen – weil es einfach saulang ist. Dass ich gewinnen will, daran habe ich bis zuletzt festgehalten. Der Weltrekord wäre aber noch mal zweieinhalb Stunden schneller gewesen, und ich hätte jetzt nicht gewusst, wo ich das herholen soll.

Wie lief dann der Wettkampf selbst ab?
Man schwimmt 7,6 Kilometer, fährt 360 Kilometer Rad und läuft 84 Kilometer. Das alles auf sehr kurzen Runden, mit eigenem Support von außen. Das Schwimmen war einfach nur lang und langweilig. Das Radfahren überraschend kontrolliert, aber irgendwann sehr eintönig. Was mir wirklich Probleme gemacht hat, war das Laufen. Die ersten zehn Kilometer waren super, dann habe ich gemerkt, dass mein Magen einfach komplett überladen war. Ich konnte kaum noch etwas zu mir nehmen und vielleicht insgesamt 500 bis 600 Kalorien für die gesamte Strecke. Der zweite Marathon war dann einfach nur Hölle. Ich bin in einem Zustand gelaufen, den ich so noch nie erlebt habe. Völlig leer und irgendwie mental von der Realität abgekoppelt. Ich habe keine Ahnung, wie ich das ins Ziel gebracht habe.
Und trotzdem hast du gewonnen …
Ja. Ich hatte anderthalb Stunden Vorsprung. Aber bis fünf Kilometer vor dem Ziel war ich mir trotzdem nicht sicher, ob ich es wirklich schaffe. Ich hatte Angst, dass mein Körper einfach zumacht. Dass ich umfalle, weil nichts mehr geht. Ich würde sagen, diese 84 Laufkilometer waren das Schlimmste, was ich seit Langem gemacht habe. Obwohl die ganze Veranstaltung und diese Community total geil waren, das ist nicht mit normalen Langdistanzen zu vergleichen.
Was hat dir dieser Sieg bedeutet?
Direkt danach: wenig. Ich konnte es nicht genießen. Ich war leer, emotional platt, mein Magen war komplett am Ende, ich konnte zwei Tage kaum essen. Der Zieleinlauf war nicht wie sonst euphorisch, sondern eher wie eine Reizüberflutung. Ich hoffe, dass das noch kommt. Es bedeutet mir viel, dass ich es geschafft und diese Erfahrung gemacht habe.
Würdest du so einen Ultratriathlon nochmal machen?
Gerade jetzt: nein. Das Training war so aufwendig, das ist mit meinem Leben nicht dauerhaft vereinbar. Ich habe gelernt, dass ich nicht der Typ bin, der 25 Stunden die Woche trainieren will. Ich will schnell sein, aber auf meine Art. Nicht auf Kosten von allem anderen.