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Szene18. Februar 1978, Honolulu: Die Geburtsstunde des Mythos Ironman

18. Februar 1978, Honolulu: Die Geburtsstunde des Mythos Ironman

Alles begann am 18. Februar 1978: Mit einem Wettstreit von 15 Wagemutigen, die mit ihrer Idee eine weltweite Bewegung begründeten. Wir blicken zurück auf den legendärsten Tag der Triathlongeschichte.

Ironman Hawaii 1978
privat Lifestyle anno 1978

Der Mythos lebt seit 45 Jahren: Was für eine heldenhafte Geschichte! Die Geschichte der Premiere des Ironman Hawaii ist auch die Geschichte eines jungen Amerikaners aus Oregon. Die Geschichte von Gordon Haller. „Ich bin durch den Ironman nicht reich im monetären Sinn geworden“, sagt er im Februar 2018, „aber ich wurde reich an Freunden, Reisen und Lebenserfahrung.“ 45 Jahre, nachdem Haller am 18. Februar 1978 den ersten ­Ironman Hawaii gewonnen hat, nimmt uns der heute 72-Jährige mit auf eine Zeitreise, zur Premiere des Ironman ­Hawaii auf Oahu.

Wir hatten frankensteinartiges Equipment fürs Radfahren.

Gordon Haller
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„Wir hatten ein frankensteinartiges Equipment fürs Radfahren“, sagt Gordon Haller, wenn er an seinen ersten Ironman denkt. „Die Ausstattung fürs Laufen und Schwimmen hat sich seitdem nicht so stark verändert.“ Aber das Ironman-­Equipment von heute mit jenem von 1978 zu vergleichen, kommt dem Experiment gleich, einen 5-Kilometer-Lauf mit zusammengebundenen Beinen zu­ absolvieren. Der Triathlet von heute ist jenem Ende der 1970er-Jahre um Lichtjahre voraus. Begriffe, die heute zum Standardvokabular jedes Hobbyathleten gehören wie digitale Schaltungen, Wattmessung oder Bikefitting, wirken für Gordon Haller & Co. ­damals so weit weg wie ein Leben auf dem Mond.

Freaks auf einem fernen Planeten

Auf dem Planeten ­Ha­waii sind 1978 Freaks unterwegs, Typen, deren Motivation niemand wirklich versteht. Das ändert sich für Gordon Haller auch nicht, als er den ersten Ironman Hawaii gewinnt. „Die Reaktionen waren ziemlich zurückhaltend“, erinnert er sich. „Einen einzigen kleinen Artikel in der Zeitung gab es und einen Absatz auf der letzten Seite der ­Runner‘s World.“ Das war’s, der normale Mensch schüttelt eher den Kopf. „Ein paar Leute sagten mir, dass sie nicht mal über die Straße laufen könnten, geschweige denn einen Ironman machen. Aber diesen Kommentar höre ich ja auch heute noch.“ Leute wie der damals 27 Jahre alte Taxifahrer und begeisterte Ausdauersportler Haller sind Einzelgänger. Sie wissen, dass es „ultimativ“ ist, was sie tun, eine Gratwanderung entlang des eigenen Limits. Ihre Körper sind trainiert, bereit für die Herausforderung. Aber ihre Psyche weiß nicht, was sie erwartet. Denn das, was heute eine Legende des internationalen Sports ist, ist am 18. Februar 1978 Neuland: der Ironman Hawaii.

Wer heute im Bekanntenkreis fallen lässt, dass er an einem ­Ironman teilnimmt, erntet mitunter immer noch betretene, fast mitleidige Reaktionen, vielfach aber auch Respekt. Irgendwie wissen die Menschen, dass der Ironman etwas Besonderes ist, etwas Einzigartiges, vielleicht etwas Verrücktes. Aber die sportliche Leistung, wenigstens die Streckenlängen werden über die Jahrzehnte hinweg bekannt. 1978 wissen die Jungs am Waikiki Beach von Honolulu dagegen selbst nicht so genau, was sie erwartet. „Ich habe weder meinen Freunden noch meiner Familie erzählt, was ich vorhabe“, sagt Gordon Haller vier Jahrzehnte später. „Nur meinen Trainingskollegen, die zu meinen Betreuern wurden – und die waren total begeistert.“ 

Vor dem Start des ersten Ironman im Jahr 1978
privat Wettkampfbesprechung am Morgen des 18. Februar 1978. 15 Männer haben für das Rennen gemeldet.

Der Tag der Ungewissheit

Es ist der Morgen eines Tages der Ungewissheit, der 15 wackere Kerle am 18. Februar 1978 am Waikiki ­Beach begrüßt. Wie heute beim Ironman Hawaii ist die Sonne gerade erst am Himmel zu sehen, als um 7:19 Uhr Ortszeit der Startschuss fällt. Der Ozean birgt wie bei jeder späteren Auflage ungeahnte Herausforderungen, die sich mit den Bedingungen vieler heutiger „Flachwasser­rennen“ nicht vergleichen lassen. ­Strömungsverhältnisse, Wellengang, Salzgehalt: Diese 3,86 Kilometer auf Hawaii sind immer speziell. Auch wenn später einmal die besten Schwimmer diese Streckenlänge deutlich unter 50 Minuten absolvieren werden, ist die Auftaktdisziplin im Jahr 1978 mehr Abenteuer. „Teile des Tages sind in meiner Erinnerung etwas verschwommen“, sagt Gordon Haller, „aber meine wesentlichen Erinnerungen sind genauso frisch wie am Tag nach dem Rennen. Einige Momente haben sich regelrecht eingebrannt in mein Gehirn, beispielsweise wie ich vor dem Start am Strand stehe.“ Haller blickt an diesem Morgen voraus auf einen Mythos oder besser auf eine Kombination aus gleich drei Mythen: Navy Commander John Collins hat die fixe Idee zur Realisation gebracht, drei als knallhart geltende Ausdauerwettkämpfe zu kombinieren. Und so liegt vor den 15 Jungs die 3,86 Kilometer lange Strecke des Ocean Rough ­Water Swim, die 180,2 Kilometer des Rund-um-Oahu-Radrennens und die originalen 42,195 Kilometer des ­Honolulu-Marathons. „Ich hatte schon viele Trainingseinheiten wie diese gemacht“, sagt ­Haller heute, „weil es mir Spaß machte.“ Aber als Rennen? Das war unbekanntes ­Terrain.

Ein Lifestyle wird zum Rennen

Triathleten wird häufig nachgesagt, dass sie auf der Suche nach etwas wären, einem Ziel nachjagten, vielleicht auch, weil sie etwas kompensieren oder sich etwas beweisen wollten. „Ich habe erlebt, dass es sehr unterschiedliche Reaktionen und Überzeugungen zum Ironman gibt“, sagt Gordon Haller. „Viele Menschen legen viel mehr Wert darauf, als ich es tue.“ Die Kerle von 1978 sind nicht auf der Suche, sie haben vielmehr einen Wettkampf gefunden, um ihren Lifestyle zu leben. Sport ist ihr Leben. Typen wie Haller saugen es auf, Sport treiben zu können. „Das Rennen zu gewinnen hat den Wunsch befördert, es wieder zu tun“, sagt er im Rückblick. „Ich habe diesen ersten Ironman geliebt. Was für ein großartiger Weg, um den Tag mit Freunden zu verbringen und etwas zu tun, das Spaß macht!“

Die Triathleten von damals entsprechen nicht dem Bild von ­heute, nach dem ein Ironman-Triathlet eher gut situiert ist. Haller und ­seine Mitstreiter sind ambitionierte Jungs, die bereit sind, ihr Leben rudimentär zu führen. Sie kommen mit etwas Geld rum, um möglichst viel Zeit draußen zu verbringen, in Laufschuhen, auf dem Rad und im Wasser. ­Eigentlich sind sie auch gar keine Triathleten, sie reihen vielmehr drei sportliche Abenteuer aneinander. Der Ironman wird zum faszinierenden Gesamterlebnis, das sich dank seines mythischen Charakters, einem lebensfeindlich wirkenden Settings auf Hawaii und einem stringenten Marketing zu ­einer der bekanntesten Sport­marken der Welt entwickelt.

Das Pure bleibt für immer

Für Gordon Haller ist der Ironman Hawaii heute noch ein Phänomen. Mehr als ein Dutzend Mal ist er inzwischen bei „seinem“ Rennen auf Hawaii an den Start gegangen, in unterschiedlichen Dekaden, mit ganz verschiedenen Athleten, in einem sich verändernden Umfeld. Keine Frage, es ist etwas anderes, mit 15 Sportlern, Gleichgesinnten, an der Startlinie zu stehen im Vergleich zu über 2.500 Triathleten, über denen Hubschrauber kreisen, um den Wettkampf live in alle Kontinente zu übertragen. Der Ironman Hawaii wird im Laufe der Jahre zur globalen Marke, das Abenteuer aber bleibt, ein purer Kampf, der trotz technischer Fortschritte nicht wirklich einfacher wird. 

Was sich in der Tat verändert hat, ist die Leistungsdichte. Als ­Gordon Haller am 18. Februar 1978 ins Ziel läuft, bewältigt er die Strecke in 11:46:58 Stunden. Heutzutage käme er damit nicht in die Top-15.000. Natürlich, allein die Strecke ist inzwischen eine gänzlich andere. Aber der Vergleich der Resultate zeigt sehr wohl, wie sich dieser Sport zugespitzt hat, wie die Leistungsschraube weitergedreht wurde. „Ich weiß nicht, wie realistisch es“, sagte Gordon Haller zum 40-jährigen Jubiläum des Rennens, „aber mein Ziel ist es, im ­Oktober 2018 so schnell zu schwimmen und Rad zu fahren wie 1978. Ich war damals kein guter Schwimmer, heute habe ich sogar einen Coach – und mit einem Triathlonrad aus Carbon und Aeroposition sollte ich in der Lage sein, schneller Rad zu fahren.“ Gelingen sollte ihm das am 12. Oktober 2018 nicht: Nach einer Schwimmzeit von 1:48:36 Stunden und einer Radzeit von 8:14:53 Stunden stiegt Haller aus dem Rennen aus.

Klarer Rückstand nach dem Schwimmen

Als Gordon Haller im Februar 1978 aufs Rad steigt, liegt er bereits deutlich zurück. Der große Favorit John Dunbar ist gut 20 Minuten enteilt, er ist zwei Minuten hinter Archie ­Hapai als Zweiter aus dem Wasser gekommen. Hapai legt in 57:35 Minuten eine starke Zeit vor, Haller liegt deutlich zurück und duscht sich erst einmal ordentlich das Salzwasser ab. „Ich weiß noch, wie ich mich damals in der Umkleidekabine vom Hale Koa Hotel umgezogen habe“, sagt er. Es dauert viele Minuten. 

Schwimmausstieg beim ersten Ironman Hawaii 1978
privat Schwimmausstieg am Waikiki Beach von Honolulu: standardmäßig in Badehose.

Gordon Haller liegt auf der Radstrecke des Ironman Hawaii nicht windkanaloptimiert auf einem Aero­lenker, der wird erst Mitte der 1980er entdeckt. Auch von einem schnittigen Einteiler oder einem Aero­helm ist keine Spur. Da radelt einer einsam über die Straßen Oahus entlang der Telegrafenmasten, der so wirkt, als würde er eine Radtour machen. Eine seiner stundenlangen üblichen Runden, bei denen er immer wieder bedauert wird von „normalen“ Menschen, denen er begegnet. „An der Nordküste musste ich zur Toilette und konnte ohne Hilfe nicht mal mehr gehen“, erinnert sich Haller. 6:56:00 Stunden beträgt seine Radzeit schließlich, er steigt gut 12 Minuten hinter Dunbar als Zweiter vom Rad. Damit benötigt Haller für die 180,2 Kilometer rund zwei Stunden länger als heute ambitionierte Athleten im Amateurrennen. „Als ich vom Rad gekommen bin, musste ich mir am Aloha Tower erst einmal eine Massage geben lassen, bevor ich loslaufen konnte.“ 

Kampf mit dem Limit

Laufen, das ist das Ding, an dem Gordon Haller richtig Spaß hat. Denn eigentlich ist er ein „Marathoner“, drei Monate zuvor ist er in 2:27 Stunden persönliche Bestzeit gerannt, zwei Jahre zuvor war er an einem schwächeren Tag Zehnter beim Honolulu-Marathon. Haller weiß, was er kann, als er sich auf Dunbars Verfolgung macht – denn dessen Marathon­rekord liegt ja „nur“ knapp unter 2:40 Stunden. Vor allem kennt Haller die Einsamkeit des Läufers, dessen Muskulatur im Marathon mit jedem schnellen Kilometer härter wird. Er weiß, wie extrem ein Marathon im Limitbereich psychisch fordert. Er spürt das auch selbst, weil er es zu schnell angehen lässt, Dunbar zweimal einholt, ihn aber wieder ziehen lassen muss. Haller muss zur Toilette, er hat Krämpfe. Aber er hat diese spezifische Härte und kann mit seinen individuellen Knackpunkten umgehen. Vor allem sieht er, wie Dunbar ein drittes Mal zurückkommt, wie den Führenden die legendäre Härte des Rennens packt. Sie ergreift Dunbar wie eine stählerne Faust. 

Kilometer 34: John Dunbar ist dehydriert von der Hitze. Der Hammer des Ironman holt zum Schlag aus. Außer zwei Dosen Bier, die für eine kleine Feier nach dem Rennen gedacht sind, können Dunbars Begleiter ihm nichts zu trinken bieten. Dunbar trinkt. Und erlebt die letzten Kilometer offensichtlich wie in Trance. Die Legende sagt, dass er auf den beiden Schlusskilometern gegen am Wegesrand geparkte Autos läuft und seine Begleiter bezichtigt, dass diese ihn vergiftet hätten. „Er sah aus wie ein Geist“, sagt Haller im Rückblick. Als Dunbar Richtung Ziel taumelt, ist Haller längst angekommen – fast 35 Minuten hat der Zweite auf acht Kilometern verloren. „Er war total weiß“, sagt Haller. Den Moment, in dem er Dunbar zum letzten Mal überholt, speichert er für immer im Gedächtnis ab. „Ich weiß das noch genauso gut wie den Zieleinlauf, und wie ich mit meinen Begleitern und Freunden durch die Dunkelheit laufe. Der eine hatte eine Flasche Wasser dabei und der andere eine Flasche Cola.“

Zwölf finishen, einer wird zum Helden

Zwölf Männer kommen an diesem Tag über die Ziellinie, die nicht mal eine Linie ist, sondern nur eine Markierung am Straßenrand. Statt einem von Werbebannern eingerahmten gut 100 Meter langen Zielkanal signalisiert eine Glühbirne in der Dunkelheit das Finish. Jemand stoppt Gordon Hallers Zeit, das war‘s. Der Moment, in dem der Sieger des ersten Ironman Hawaii in die Geschichte eingeht, ist extrem unspektakulär. Vielleicht ist es gar nicht schlecht, dass nur Augenzeugen von diesem Rennen berichten und kein Fernsehsender den Wettkampf live überträgt. Denn so verbreiten sich legendenhafte Erzählungen. 

Es wird ein Mythos geboren an diesem 18. Februar 1978 auf Oahu, und ein Athlet wird zum Held: ­Gordon Haller. Auch wenn er danach nie mehr das Podest erreicht, wird er 1978 auf Oahu berühmt. Fortan werden sie ihn immer wieder „Ironman“ statt „Gordon“ rufen, „auch wenn das manchmal etwas peinlich ist“. Haller lebt seine Passion weiter. „Ich wusste sofort, dass ich das wieder tun würde.“ Er hat es sich bis heute bewahrt, auch wenn er sagt, dass der Ironman-Lifestyle manche Bürde für sein Familienleben und für den Beruf mit sich brachte. 2018 wird er wieder antreten, beim Abenteuer seines Lebens.

Zieleinlauf des ersten Ironman Hawaii 1978
privat Der abschließende Marathon findet ohne großes Spektakel, aber dafür mit jeder Menge Leiden statt.

Ironman Hawaii 1978

18. Februar 1978 | Honolulu, Hawaii (USA)
PlatzNameLandGesamt3,86 km Swim180,2 km Bike42,195 km Run
1Gordon HallerUSA11:46:401:20:406:56:003:30:00
2John DunbarUSA12:20:271:00:157:04:004:03:00
3Dave OrlowskiUSA13:59:131:09:157:51:004:59:00
4Ian EmbersonUSA14:03:251:01:407:47:005:15:00
5Sterling LewisUSA14:04:351:02.307:47:005:15:00
6Tom KnollUSA14:45:112:13:058:19:004:13:00
7Henry ForrestUSA15:30:141:36:428:47:005:06:00
8Frank DayUSA16:38:311:44:208:45:006:09:00
9John CollinsUSA17:00:381:31:159:15:006:14:00
10Archie HapaiUSA17:24:220:57:358:06:008:20:00
11Daniel HendricksonUSA20:03:281:35.3511:39:006:48:00
12Harold IrvingUSA21:00:381:05:3011:04:008:08:00
DNFJohn KingUSA2:02:2011:13:00
DNFJohn LloydUSA1:37:159:00:00
DNFRalph YawataUSA1:05:55
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