Samstag, 27. April 2024

Jonas Deichmann startet Aufholjagd im Uralgebirge

Es hat 188 Tage gedauert. Beinahe 10.000 Kilometer hat Jonas Deichmann seit Beginn seines Projekts am 26. September 2020 zurückgelegt. Nun ist er fast dort angekommen, wo er die größte Herausforderung vermutet: Sibirien. Ein Abenteuer im Abenteuer auf seinem Triathlon rund um die Welt. Er befindet sich in der Region um Tscheljabinsk, wo nun knapp zwei Wochen in der sibirischen Steppe vor dem 33-Jährigen liegen – aber auch die vergangene Woche war zum Teil abenteuerlich. Seit Freitagmittag leidet Deichmann darüber hinaus an einer Lebensmittelvergiftung. Die hatte er sich auch schon auf seiner Rekordfahrt vom Nordkap nach Kapstadt zugezogen. Der Dokumentarfilm seiner damaligen Reise gibt Einblicke, wie er sich 2019 trotzdem nicht auf seinem Weg durch die Wüste stoppen ließ.

Riesenproblem durch 100 Meter lange Matschpfützen

Ende der vergangenen Woche hatte Deichmann mit Samara eine Millionenstadt an der Wolga erreicht, die ein wenig Abwechslung vom kräftezehrenden Alltag auf schlecht präparierten Straßen versprach. „Dort gibt es eine richtige sowjetische Weltraumrakete, die ich besichtigt habe. Wirklich beeindruckend, die steht mitten in der Stadt.“ Nach kurzem Sightseeing ging es weiter, die noch zugefrorene Wolga entlang – und schon hatte den Abenteurer die Realität wieder. „Beim Rausfahren hatte ich ein Riesenproblem mit Überschwemmungen. Teilweise stand die Straße 15 Zentimeter unter Wasser und die Pfützen waren 100 Meter lang. Wir hatten für ein paar Tage Plusgrade und Sonne, da sind die Schneemassen geschmolzen, das war brutal und gefährlich, weil ich Schlaglöcher unter der Wasseroberfläche nicht erkennen konnte. Die Autofahrer nehmen auch keine Rücksicht und haben mich schön nass gespritzt. Ich habe an dem Tag viel Zeit verloren.“ Wieder einmal, denn auch zuvor war das Vorankommen schwer gewesen. Das Rad wird bei diesen Bedingungen auf eine harte Probe gestellt. „Das Problem ist, dass das Dreckwasser wirklich überall reinkriecht.“ In Tscheljabinsk sollen kleinere mechanische Defekte repariert werden.

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Sackgasse führt zu einem halben Tag Verzögerung

Außerhalb von Samara lief es zunächst wieder besser. Deichmann hielt sich aufgrund starken Verkehrsaufkommens auf den Hauptstraßen auf kleineren Straßen von Baschkortostan auf. „Irgendwann bin ich auf Schotterpassagen gekommen, die immer schlechter wurden. Dann bin ich einem Einheimischen begegnet, der mir gesagt hat, dass ich ohne Traktor nicht weiterkommen werde. Ich bin dann wieder umgekehrt und hatte eine Verzögerung von einem halben Tag. Das war brutal frustrierend.“ Leichter erträglich haben solche Momente die Begegnungen in der russischen Teilrepublik gemacht. „Die Landschaft ist hügelig, abwechslungsreich, und auch kulturell verändert sich viel. Die Leute sind nett, viele sehen asiatisch aus, es gibt auch viele Muslime hier, es ist komplett anders“, so Deichmann.

privat Zwischenstopp: Die Einschränkungen durch die Coronapandemie halten sich in Russland in den Kleinstädten in Grenzen. So kann Jonas Deichmann bei Bedarf wie gewohnt einkaufen.

Rückkehr an Ort von Deichmanns ersten Rekordfahrt

Nach seinem Umweg und der erneuten Zeitverzögerung begann er einen Zwischenspurt. Seit Dienstag macht er verlorene Zeit gut. 230 Kilometer an einem Tag, die auch durch einen kleinen Motivationsschub zustande gekommen sind. „Ich bin an Ufa vorbeigefahren. Das ist die Stadt, in der ich meinen ersten Weltrekord mit der schnellsten Europadurchquerung aufgestellt habe“, erzählt Deichmann. „Dort hat ein einheimischer Fahrradfahrer auf mich gewartet und mich ein Stück begleitet.“

Boden bereitet dem Abenteurer Probleme beim Zeltaufbau

Abends erreichte er die Ausläufer des Uralgebirges und schlug sein Nachtlager auf. „Ich habe noch nie erlebt, dass es so schwer ist, ein Zelt aufzubauen. Tagsüber sind Plusgrade, nachts sind knackige Minustemperaturen. Durch die Bodenverhältnisse hat es ewig gedauert, bis ich die Heringe in den Boden bekommen habe.“

Am Mittwoch fuhr Deichmann in das Uralgebirge, benötigte zwei Tage, um es zu durchqueren. „Das ist dort ähnlich wie im deutschen Mittelgebirge, es hat aber ganz andere Dimensionen. Alles ist viel größer – wie alles in Russland. Das erste Mal seit der Türkei hieß es für mich wieder klettern. Das hat mir echt gefehlt.“ Nach 2.000 Höhenmetern und 218 Kilometern sprach der Abenteurer von einer „richtigen Königsetappe“. Am Donnerstag folgte die dritte Etappe mit mehr als 200 Kilometern in Folge. Die Aufholjagd lief, bis zur Lebensmittelvergiftung. „Ich bin zurück auf Asphalt, das macht Spaß und ich kann richtig Gas geben. Die Dörfer im Ural haben einen schönen Charme, gutes Essen und Holzhäuser mit bunten Dächern. Die letzten Tage waren der Hammer.“

privat Die Nächte im Zelt bleiben kalt: Minus zehn Grad sind keine Seltenheit.

Trotz Lebensmittelvergiftung geht es früh weiter

Nach dem Ural steht nun die Steppe Sibiriens auf dem Streckenplan, nachdem Deichmann mit dem Uralfluss auch die russische Grenze zwischen Europa und Asien überquert hat. Unterwegs wird er quasi nebenbei am 15. April noch einen kostenlosen Online-Vortrag halten. Möglicherweise noch aus Sibirien. „Ich bin froh, dass ich mich beim Klettern im Gebirge noch ein bisschen austoben konnte, bevor es wieder flacher wird.“ Die Lebensmittelvergiftung dürfte auf dem Rad erst einmal Herausforderung genug sein. Deichmann lässt sich aber nicht aufhalten. „Geht schon wieder etwas besser“, informierte er am heutigen Samstag noch vor Sonnenaufgang. „Ich radel gleich weiter.“

Jonas Deichmann berichtet auf tri-mag.de regelmäßig von seinem Triathlon rund um die Welt. Weitere Informationen zu seinen bisherigen Abenteuern sowie ein Livetracker zu seinem Triathlon rund um die Welt finden sich auf seiner Website jonasdeichmann.com.

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Bengt Lüdke
Bengt Lüdke
Bengt-Jendrik Lüdke ist Redakteur bei triathlon. Der Sportwissenschaftler volontierte nach seinem Studium bei einem der größten Verlage in Norddeutschland und arbeitete dort vor seinem Wechsel zu spomedis elf Jahre im Sportressort. In seiner Freizeit trifft man ihn in Laufschuhen an der Alster, auf dem Rad an der Elbe – oder sogar manchmal im Schwimmbecken.

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