Als Abenteurer führt Jonas Deichmann ein Leben abseits der Komfortzone. Das wird ihm derzeit bei seinem Triathlon rund um die Welt täglich vor Augen geführt. Auf seinem Weg durch Russland nach Osten in Richtung der Pazifikküste wünscht sich der 33-Jährige nichts sehnlicher als knackige Minusgrade. Darauf hat er sich vorbereitet – und die würden helfen, die nächsten Etappen auf seiner noch rund 8.000 Kilometer langen Strecke nach Wladiwostok zügig zurückzulegen. Stattdessen herrschten in der vergangenen Woche vergleichsweise milde Temperaturen rund um den Gefrierpunkt. Zu mild, um die anvisierten Kilometer zu schaffen. Die kleinen Straßen, auf denen er unterwegs war, verwandelten sich in riesige Schlammpfützen. Und dann sorgte auch noch ein unerbittlicher Schneesturm dafür, dass es zeitweise kaum voran ging.

Ein Sturz als Schrecksekunde für das Projekt
„Die Woche war heftig“, bilanziert der Abenteurer an Tag 181 seines Projekts. „Ich war vor allem auf kleinen Straßen unterwegs, weil der Teil westlich der Wolga in Russland für Radfahrer auf den Hauptstraßen extrem gefährlich ist. Die Straßen sind schmal und es sind viele Lkw unterwegs. So hatte ich auf meinem Weg viele Schottersektionen, die Straßen waren in einem grausamen Zustand. Unter den Pfützen befindet sich teilweise noch Eis.“ Eine solche Schlammpfütze sorgte am Dienstag für eine Schrecksekunde, als Jonas Deichmann auf dem Eis ausrutschte. Er konnte seine Fahrt zwar ohne Blessuren fortsetzen, musste den Rest des Tages bei leichten Minusgraden allerdings durchnässt weiterfahren – und geriet in einen Schneesturm. „Der war so heftig, man hat kaum noch etwas gesehen. Mein Bart ist eingefroren. Ich habe lange überlegt, was ich mache: Zelt aufschlagen mit nasser Kleidung und ohne Wechselkleidung war keine Option bei den Verhältnissen, da hätte ich mir eine Lungenentzündung geholt. Ich bin dann 35 Kilometer weitergefahren, bis ich ein Hotel außerhalb von Saratow gefunden habe. Die haben ganz schön geguckt, als ich auf dem Rad ankam.“
Deichmann wird durch sein Abenteuer zur Attraktion
Zuvor hatte es zunächst so ausgesehen, als könnte Deichmann bei seinem Abenteuer seinen kalkulierten Tagesdurchschnitt an Kilometern halten. Die ersten Tage nach seiner lang ersehnten Grenzüberfahrt absolvierte er jeweils 140 bis 160 Kilometer. „Ich hatte am Sonntag mit Rückenwind sogar 200 Kilometer geschafft und bin bis nach Jelez gekommen. Dort habe ich ein kleines Hotel gefunden und mir bei Minus acht Grad diesen Luxus mal gegönnt.“ Wo der Abenteurer mit seinem Fahrrad auftritt, wird er zur Attraktion. „Ich werde in jedem Restaurant angesprochen, vom Straßenrand aus winken mir viele Leute zu, auch die Lkw-Fahrer winken teilweise. Die Leute sind super neugierig darauf, was ich mache. Aktuell kommen halt nur wenige Ausländer vorbei.“ Und wohl schon gar nicht auf zwei Rädern.
Das Tempo nimmt ab
Am Montag ging es auf einer kleinen Straße weiter, bis in die Dunkelheit hinein. Der Zeitplan bei dem Projekt ist schließlich eng gestrickt. „Mit dem letzten Licht habe ich am Straßenrand eine Kirche gesehen, sonst war dort überhaupt nichts. Auf dem Highway gibt es Hotels oder Restaurants, wenn man abseits fährt, ist da nichts mehr. Ich wollte erst unter dem Vordach der verlassenen Kirche schlafen, da hat der Wind aber extrem reingezogen. Ich habe dann mein Zelt dahinter aufgebaut. Das war ein super Schlafplatz.“

Das Tempo nahm ab. Am Dienstag schneite es stark. Die Straßen waren mit Schneematsch übersät. Bevor Deichmann stürzte, kam er bei seinem Abenteuer nur schleppend voran. „Ich bin mit 13 km/h durch die Pfützen und über das Eis geschlittert, musste auch einige Male absteigen und schieben.“
Ein weiterer Meilenstein für das Projekt
Der Mittwoch wurde zum nächsten Meilenstein, als Deichmann Saratow – und damit die Wolga – erreichte. „Der nächste Morgen war praktisch nicht fahrbar. Auf den Straßen lag der ganze Schnee vom Vortag. Die Straßen sind im Matsch verschwunden.“ Zu den Verkehrsverhältnissen gesellte sich ein weiteres Problem. „Bis dahin hat meine Ausrüstung richtig gut gehalten, dann aber waren zehn Zentimeter hoher Schneematsch auf der Straße und Lkw, die an einem vorbeifahren und von der Seite nass spritzen, zu viel.“ Teile der Ausrüstung, die vor allem auf eisige Kälte ausgelegt ist, gingen in die Knie. „Trotzdem war die Fahrt nach Saratow toll. Ich bin dann über die Wolga gefahren, das war beeindruckend. Der Fluss ist dort an der Stelle drei Kilometer breit und war komplett zugefroren.“ Auf der anderen Seite erreichte Deichmann Engels, benannt nach Friedrich Engels. Die 200.000-Einwohner-Stadt war bis 1941 Verwaltungssitz der autonomen Wolgadeutschen Republik.

Vorfreude auf das Uralgebirge
„Seitdem ich die Wolga überquert habe, bin ich auf der Straße von Engels nach Samara in nordöstlicher Richtung unterwegs. Teilweise fahre ich an der Wolga, aber eher ein bisschen abseits. Es geht nur geradeaus und es ist nichts zu sehen außer einer einzigen Schneelandschaft. Auf der anderen Seite der Wolga läuft der Highway entlang. Da ist nicht so viel Verkehr, aber einige Laster und es ist keine spannende Strecke“, berichtet Deichmann. Die weite Landschaft ist derzeit ein starker Gegner. „Es gibt kaum Bäume und seit drei Tagen bläst mir ein eiskalter Wind aus dem Norden mit voller Wucht ins Gesicht. Ich komme kaum voran“, so Deichmann, der die nächste Phase bei seinem Triathlon rund um die Welt kaum erwarten kann. „Das Wetter wird die kommenden zwei, drei Tage so bleiben. Am Samstag biege ich nach Samara in Richtung Osten ab. Dann wird es hügelig, bis ich in ein paar Tagen das Uralgebirge erreiche. Das wird ein Highlight – und dort herrscht weniger Verkehr.“
Jonas Deichmann berichtet auf tri-mag.de regelmäßig in Tagebuchform von seinem Triathlon rund um die Welt. Weitere Informationen zu seinen bisherigen Abenteuern sowie ein Livetracker zu seinem Triathlon rund um die Welt finden sich auf seiner Website jonasdeichmann.com.
Weiter, immer weiter!