Freitag, 22. November 2024

LGBTQ im Triathlon: Wo ist die gelebte Toleranz?

Die Ankündigung zur LGBTQ-Präsenz bei der Challenge Roth in Form eines Messestands und eines Stimmungsnests hat für eine Diskussion gesorgt, die es bisher selten auf unseren Kanälen gegeben hat. Von der toleranten und weltoffenen Triathlonszene schien auf einmal nicht mehr so viel übrig zu sein. Ein Kommentar.

Frank Wechsel Im Zielstadion der Challenge Roth wrd in diesem Jahr zum ersten Mal auch eine Regenbogenflagge aufgehängt – gut so.

285. So viele Rückmeldungen fanden sich unter einem geteilten Artikel auf der Facebook-Seite von tri-mag.de – keine 48 Stunden, nachdem dieser erschienen war. Gegenstand des Artikels war die Ankündigung eines Messestands und eines Stimmungsnests bei einem der größten und bedeutendsten Triathlons der Welt, der Challenge Roth. Was es darüber in dieser Masse zu kommentieren gibt, fragt man sich zurecht. Der Expostand und das Stimmungsnest werden von der Organisation „SportPride“ initiiert und sollen ein Ort zum Austausch und zur Begegnung queerer Menschen sowie deren Supportern in der Triathloncommunity sein. Das Thema LGBTQ scheint einen Nerv zu treffen, wie die Kommentarspalte eindrucksvoll zeigt.

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Kommentarspalten als Grenze der Weltoffenheit

In der Regel freuen wir uns über viele Kommentare und entstehende Diskussionen, sofern diese konstruktiv sind, nicht am Thema vorbeigehen, beleidigend oder gar verachtend werden. Zahlreiche Menschen äußern unter dem betroffenen Artikel Zuspruch und nehmen die Aktion als das wahr, was sie ist: ein Zeichen der Vielfalt und Toleranz in unserem schönen Sport. Das ist die gute Nachricht. Es gibt allerdings auch eine Kehrseite, die mindestens ebenso groß ist. „Was das denn mit Sport zu tun habe“, sind noch einige der harmloseren Äußerungen.

Tatsächlich haben die sexuelle Orientierung, der Austausch und die Begegnung mit Gleichgesinnten nichts mit dem Schwimmen, Radfahren und Laufen zu tun. Das haben die Messestände des Weißen Rings, der Wildtierhilfe oder von Unicef aber auch nicht. Dennoch sind sie wichtig und erhalten auf der weltgrößten Triathlonexpo Aufmerksamkeit. Zugegeben, über diese Stände wurde kein eigener Artikel auf tri-mag.de veröffentlicht, ebenso wenig über die unzähligen Stimmungsnester entlang der Strecke. Die Challenge Roth steht seit jeher für Offenheit, Toleranz, Vielfalt und Inklusivität – der Messestand, die Regenbogenflagge im Stadion sowie der Hotspot in Büchenbach sind weitere Maßnahmen, die diese Haltung untermauern – und die es in dieser Form noch nie gab.

Minderheit bleibt Minderheit

Es ist ein großer Unterschied, ob man als Person des LGBTQ-Spektrums geduldet wird und „nicht stört“ oder ob aktiv Sichtbarkeit und die Möglichkeit des Austauschs geschaffen werden. Das gilt im gesamtgesellschaftlichen Kontext ebenso wie im sportlichen. Ein Messestand bei einem Triathlon, Regenbogenflaggen, Coming-outs, ein Pride-Monat (der übrigens noch eine Woche läuft) oder auch Events zum Christopher Street Day werden nichts daran ändern, dass LGBTQ eine Minderheit darstellt.

An dieser Stelle noch ein paar weitere Zusammenfassungen einiger Facebook-Kommentare: „Ich habe nichts dagegen, aber man muss es ja nicht jedem zeigen“, „Ohne die Aufmerksamkeit würde das niemanden stören“, „Ich fühle mich als Hetero gemobbt/benachteiligt“, „Viele haben das Gefühl, das Thema ist überrepräsentiert“ …

Weder im Sport noch anderswo wird LGBTQ jemals „überrepräsentiert“ sein. Nein, man braucht keine Veranstaltung, bei der Heterosexualität gefeiert wird und auch keine Hetero-Flagge (ja, die gibt es) im Rother Zielstadion. Weil das nun mal die gesellschaftliche Norm ist, heterosexuelle Menschen in der großen Mehrheit und Paare sich niemals auch nur ansatzweise Gedanken darüber machen müssen, ob und wo sie sich in der Öffentlichkeit küssen oder Händchen halten. Heterosexualität ist in allen Lebensbereichen überrepräsentiert, wird ausgelebt und gezeigt – auf der Straße, in Funk und Fernsehen, in der Zeitung, im Sport.

Triathlon für Toleranz

Im Triathlon können und sollten wir ein positives Beispiel für die gesamte Sportwelt abgeben und Toleranz nicht nur predigen, sondern leben. Und dazu braucht es leider noch so lange eine explizite Aufmerksamkeit, bis ein Artikel über einen LGBTQ-Messestand nicht mehr knapp 300 Facebook-Kommentare bekommt.

Schlimm genug, dass in anderen Sportarten Homophobie allgegenwärtig ist und es keinen einzigen Fußball-Bundesligaspieler gibt, der sich während seiner aktiven Karriere geoutet hat. Wenn in einer Kleinstadt im Frankenland die Triathlonszene zusammenkommt, kann man es nur begrüßen, dass es einen Safer Space für eine marginalisierte Gruppe gibt. Eine Gruppe, die Teil der Triathlonblase ist, dort zusammenkommen kann und jede einzelne Person in dieser Gruppe merkt „Ich bin nicht allein“. Wer sich davon nicht angesprochen fühlt, kann einfach vorbeigehen und einen anderen Stand besuchen. Interessierte können sich informieren und an der Marathonstrecke mit oder ohne Regenbogenflagge für gute Stimmung sorgen – völlig unabhängig von der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität.

Ich wünsche mir mehr Toleranz. Nicht nur im gesellschaftlichen Alltag, sondern auch und vor allem in „meiner“ Triathlonbubble. Die Reaktionen auf einen Beitrag, dessen Inhalt eigentlich niemanden triggern sollte, zeigen, dass noch viel Luft nach oben ist.

Mehr zur Challenge Roth 2024

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6 Kommentare

  1. 100% Zustimmung – schade aber die Realität ist momentan, dass es noch viel braucht dass gesamtgesellschaftlich nicht nur die Norm toleriert wird. Leider werden dieses und andere Themen gerne stark polarisiert. Warum es Menschen gibt die eine Regenbogenflagge triggert? Da kann ich nur spekulieren was dahinter steht. Ich selbst sehe es als Bereicherung wenn in Roth eine Flagge mehr gehisst wird neben allen anderen, damit wird ja niemand angegriffen oder jemand etwas weggenommen! Und das kann ich aus vollem Herzen sagen obwohl ich nicht direkt Teil der LGBTQ Community bin.

      • @Frank: Warum diese Reaktion, Frank? Jörg hat so wie du einen Kommentar abgegeben, nicht mehr und nicht weniger. Klar gekennzeichnet, so wie deiner….und nicht jeder muss halt deiner Meinung sein….ich bin es im übrigen auch nicht. Aber war/ist ja deine Meinung und die respektiere ich.

        • Jörg hat schon an anderer Stelle mit Abokündigung gedroht, falls wir über „solche Dinge“ berichten. Das lassen wir uns nicht verbieten, im Gegenteil: Wir versuchen immer wieder, den Sport auch in einen gesellschaftlichen Kontext zu stellen. Wenn jemand von uns dazu eine Meinung hat (die immer nur die Meinung eines Einzelnen ist), kennzeichnen wir das entsprechend. Denn genau das erfordert unser Verständnis von Journalismus, Toleranz und Demokratie. Wer damit nicht leben kann, von dem verabschieden wir uns gern.

    • Ernst gemeinte Frage an Jörg: wirst du jetzt nie bei der Challenge Roth starten weil die sich für Rechte von Minderheiten stark machen? Und trägst du Incylence Socken? Ich hab mir da gerade ein paar Pride Socken für die 5 köpfige Familie bestellt, darunter meine Tochter die als Transfrau lebt. Nutzt du Strava? Da gibt es den Pride Month – dann sie bitte so konsquent und lösch das. Alles andere ist nur halbherzig.

      Falls dein Ego eine LGBTQ Berichterstattung nicht erträgt, sagt das viel über dich, nicht über das Medium aus. Viel Glück weiterhin auf der Suche.

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Anna Bruder
Anna Bruder
Anna Bruder wurde bei triathlon zur Redakteurin ausgebildet. Die Frankfurterin zog nach dem Studium der Sportwissenschaft für das Volontariat nach Hamburg und fühlt sich dort sehr wohl. Nach vielen Jahren im Laufsport ist sie seit 2019 im Triathlon angekommen und hat 2023 beim Ironman Frankfurt ihre erste Langdistanz absolviert. Es war definitiv nicht die letzte.

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