Die Grenzen des Möglichen verschieben, andere Menschen inspirieren, Dinge anzugehen, die auf den ersten Blick vielleicht unrealistisch wirken: Nach der bewegenden Geschichte von Chris Nikic, der im vergangenen Jahr als erster Mensch mit Downsyndrom einen Ironman absolviert hat, folgt ein weiteres inspirierendes Vorhaben in der Welt des Triathlons: Sam Holness, ein 27-jähriger Athlet aus London, will der erste Mensch mit Autismus sein, der bei der Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii teilnimmt. Wenn „Super Sam“, so sein Spitzname, dies erreicht hat, will er sich einen weiteren Lebenstraum erfüllen: Holness möchte der erste Profiathlet mit Autismus werden.
Die Vorteile und nicht die Nachteile sehen
„Mein Autismus ermöglicht es mir, sehr fokussiert zu sein und mich nicht so leicht ablenken zu lassen, er erlaubt es mir, hart und intelligent zu trainieren. Ich gebe einfach nie auf. Wenn andere Athleten mich überholen, will ich sie einholen, um wieder nach vorne zu kommen“, sagt Holness. Unterstützung bei seinen Plänen erhält er vor allem durch seinen Vater Anthony, der gleichzeitig auch sein Trainer ist. „Er ist ein erstaunlicher Athlet. Ich verbringe Tage damit, Sam beim Training zu beobachten und bewundere sein Engagement und seine Einstellung, niemals aufzugeben“, so sein Vater. In der neurologischen Entwicklungsstörung seines Sohns sieht Anthony Holness eher Vor- als Nachteile: „Wir mussten unsere Trainingspläne anpassen, um mit Sams Autismus zu arbeiten, was durch seine Zielstrebigkeit erleichtert wurde. Sein Autismus gibt ihm auch die Fähigkeit, sich über lange Zeiträume zu konzentrieren und sich wiederholende Aufgaben wie das Training zu meistern – was sich langfristig als Vorteil gegenüber neurotypischen Sportlern erweisen könnte.“
Mindestens zwei Langdistanzen in einem Jahr
Der Saisonplan von Sam Holness sieht vor, sollte dies auch trotz der Coronapandemie möglich sein, mindestens zwei Ironman-Rennen in diesem Jahr zu absolvieren. Nach der Langdistanz auf Mallorca Mitte Mai will Holness beim Ironman in Cork am 15. August an den Start gehen – und eventuell bereits dieses Jahr im Oktober bei der Weltmeisterschaft auf Hawaii an der Startlinie stehen. Für dieses Vorhaben trainiert er bereits fast wie ein Profi – vier Stunden täglich stehen in der Regel auf dem Plan. „Ein Vollzeit-Triathlet zu sein, ist der beste Job der Welt. Ich darf zwölf Stunden am Tag schlafen und so viel essen, wie ich will“, sagt er. Seinen ersten Triathlon absolvierte Holness bereits im Jahr 2016 beim Dorney Lake Triathlon, eine gute Autostunde westlich von London. Seine erste Mitteldistanz folgte im Jahr 2019 in Portugal. Die erste Langdistanz will der Bachelor der Sportwissenschaften unter elf Stunden ins Ziel bringen. Dass dies kein unrealistisches Ziel ist, zeigt Holness‘ erster virtueller Ironman, den er im Oktober 2020 an mehreren Tagen absolvierte. Für das Schwimmen benötigte er 69 Minuten, die 180 Kilometer auf der Rolle spulte er in 5:56 Stunden ab und den Marathon meisterte er in 4:11 Stunden.
Mit seinem Vorhaben wolle Sam Holness das Bild von Menschen mit Autismus, das oftmals in der Öffentlichkeit bestehe, verändern. Zudem wolle er andere ermutigen, Sport zu treiben und seinem Weg zu folgen. „Manchmal, wenn ich zu einem Wettkampf gehe, bin ich der einzige schwarze Triathlet, und meistens der einzige mit Autismus. Es spielt keine Rolle, dass ich der Einzige bin. Ich mag einfach das Training und die Rennen“, sagt Holness. Der Brite wolle somit auch ein Stück weit für mehr Vielfalt im Triathlonsport sorgen.