Zwei Wochen habe ich mir Zeit gelassen den Ironman Hawaii Traffic abklingen zu lassen, um mit meinem Rennbericht, vor der dunklen und ereignislosen Jahreszeit, ein wenig Licht zu spenden. Na gut mittlerweile sind es fünf Wochen. Ich meine Picasso konnte auch keiner zwingen, ein Bild zu malen. Die Hand eines Künstlers lässt sich nicht schwingen wie ein Hammer, sie hat eher die Attitüden eines Kaisers. Sie macht das, was sie will, wann sie es will und mal füttert sie das Volk mit Zucker und mal naja. Ich bin jetzt weder Kaiser noch Künstler, aber man wird das ja mal sagen dürfen ;).
Die vergangenen Wochen nach dem Ironman sind gefüllt gewesen mit einem wunderbaren Urlaub auf Oahu, dem Besuch des Zwift HQs in Long Beach, der Rückkehr in eine chaotische, weil mit meinen Umzugskisten vollgestellte, Wohnung sowie dem ausgiebigen Zelebrieren meiner Heimkehr nach Hamburg. Mit dem Abklingen meines Katers kommt nun langsam auch meine Motivation zurück. Meine neuen Aufgaben im Berufsleben sowie das spannende neue Projekt tragen mit Sicherheit Teilschuld an meinem neu entflammten Antrieb.
Nun sitze ich also hier im Wohnzimmer, während sich Hamburg von seiner schönsten Seite präsentiert, die Holzschale aus Hawaii im Blick, und lasse die vergangenen Wochen Revue passieren. Die erste Frage, die mir dabei in den Sinn kommt ist: „Bin ich zufrieden mit meinem Hawaii Ergebnis?“ Irgendwie finde ich darauf keine einfache Antwort, dafür war die Saison zu ereignisreich, möglicherweise hilft es, erst einmal vom Rennen zu berichten und dann ein Urteil zu fällen.
Unaufgeregt ging ich am Vorabend des Rennens zu Bett. Ich kannte das Rennen, wusste so ungefähr was mich erwartet, hatte in Kopenhagen bereits ein klasse Rennen gezeigt und die Vorbereitung nach Kopenhagen lief miserabel. Moment mal, was war das? Wie kann man dann so entspannt sein? Ich erkläre das mal wie folgt: Ihr seid auf dem Weg zu einer Uniklausur. Eure Vorbereitung bestand aus drei Staffel Breaking Bad und eure größte Errungenschaft ist das pünktliche Erscheinen zur Klausur. Kurz gesagt, ich hatte nichts zu verlieren. Naja eine Sache wollte ich schon gerne verlieren. Die herausragend gute Verpflegung im Zwift Haus hatte zu leicht erhöhtem Gewicht geführt, das ich ganz gerne wieder loswerden wollte. Der Ironman am nächsten Tag kam da also ganz gelegen.
Rituale vor dem Rennen
Ein klassischer Ironman-Tag beginnt früh. Ein Glück, dass ich mit Frühaufsteher-Genen ausgestattet wurde. Der erste Weg führte mich aus dem Bett in die Dusche. Die Erfrischung und der Shampooduft entspannen mich. Das obligatorische Kaffeeritual folgte als nächstes auf meiner Liste. Die Zubereitung von Kaffee ist neben dem Radfahren später am Tag wohl die am längsten dauernde Aktivität. Kaffee gehört für mich zelebriert. Das Wiegen der Kaffeebohnen, der korrekte Mahlgrad, die Wassertemperatur, Wasser abwiegen, Timer stellen, das Abwarten der richtigen Trinktemperatur, all das gehört für mich dazu und führte schon öfter zu Belustigungen. So richtig angekommen ist die Kaffeekultur wohl doch noch nicht in unserer Gesellschaft. Neben dem Kaffee gibt es stehts ein kleines Frühstück, die einzige ehrliche Nahrung für die nächsten langen Stunden. Mit genügend Koffein im Blut und leicht gesättigt ging es im Anschluss daran in Richtung Start.
Im Zwift Van herrschte ungewohnte Stille. Allen war die Nervosität anzusehen. Jeder von uns acht Academy-Athleten hatte seine eigene Hawaii-Geschichte, jede einzelne für sich ist spannend und inspirierend zugleich und führte uns nur kurze Zeit später gemeinsam an die Startlinie, in der Bucht von Kailua-Kona.
In diesem Jahr gab es mit dem Wellenstart eine Neuerung auf Hawaii, sonst ist die einzige jährliche Änderung ja nur das gestiegene Startgeld, erfrischend also mal wirkliche Innovationen zu erfahren. Anstatt 2500 wild gewordenen Triathleten auf einmal an den Start zu lassen, gab es gleichzeitig startende Gruppen aus Altersklassen sowie Geschlechtern. Der Wellenstart sollte die Antwort auf die immer kritischer werdende Windschattenproblematik sein, so zumindest die Hoffnung der Veranstalter.
Dem Gedränge beim Schwimmen aus dem Weg gehen
Im Gegensatz zu den idealen Schwimmbedingungen aus dem vergangenen Jahr erwarteten mich die wohl schwierigsten Schwimmbedingungen der letzten Jahre. Nichtsdestotrotz fühlten sich meine Arme und Bein gut an. Die ersten Züge vom Dig Me Beach zur Startlinie waren kraftvoll und meine Hoffnungen auf einen guten Tag geweckt. Um 7.05 Uhr fiel der Startschuss für meine Startgruppe. Zusammen mit den Athleten von 18 bis 39 Jahren kämpfte ich mich Augenblicke später durch den aufgewühlten Pazifik. Für den Start hatte ich mich ganz links positioniert, sprich den leicht längeren Weg gewählt, um dem schlimmsten Gedränge aus dem Weg zu gehen. Vom Start weg erwischte ich ein paar Füße, hinter denen ich mich bis zum Katamaran langhangeln konnte. 27 Minuten später war es soweit, das stimmte mich zuversichtlich, selbst mit einem für gewöhnlich längeren Rückweg schien es, als wäre ich nach rund 56 Minuten aus dem Wasser und damit nach unter 60 Minuten auf dem Rad. Naja irgendwie ist es wenig überraschend, dass es schlussendlich doch ein wenig länger dauerte, obgleich des anhaltend guten Gefühls im Wasser. Einzig und allein die Schwimmtechnik meiner Mitschwimmer verunsicherte mich ein wenig in meinem Selbstbewusstsein. Das Wasser auf Hawaii ist so klar wie im Schwimmbad, man kann sich also schön zu allen Seiten umschauen, die Konkurrenz im Auge behalten, hier und da mal nach Delphinen Ausschau halten oder eben erkennen, dass Wassergefühl und Wirklichkeit divergieren. Bereits da fasste ich den Entschluss, für mein Rennen in Roth 2020 an meiner Schwimmtechnik zu arbeiten. Die Ablenkung um neu geschmiedete Pläne lies die Zeit verfliegen, also zumindest theoretisch, praktisch kam ich nach 59 Minuten aus dem Wasser. Der Blick auf die Uhr offenbarte den ersten Dämpfer des Tages. Ich hoffte, es würde die letzte Inkongruenz meiner körperlichen Selbstwahrnehmung bleiben.
Ich gab mir nach der Enttäuschung besonders viel Mühe flott zu wechseln, auf dem Weg zu meinem Rad spottete ich zum ersten Mal eine weitere Orange ;). Auch Justin war auf dem Weg zu seinem Rad, Levis‘ Rad war bereits wie erwartet auf der Strecke. Irgendwie ein schönes Gefühl in einem Team zu starten, Mannschaftskollegen unterwegs zu sehen, anzufeuern und mit ihnen zu leiden, selbst wenn beim Ironman jeder für sich alleine kämpft, machen diese kleinen Details in so manchen dunklen Momenten den Unterschied.
Die Beine waren am Renntag nicht mit Raketentreibstoff gefüllt, sondern mit Schokolade und Karamell überzogenen Macadamianüssen. Fast kein Kilometer ging ähnlich fliegend vorbei wie in Kopenhagen. Hinzu kam die langsam aufkeimende Hitze, der Wind sowie die Abwechslungslosigkeit. Der Queen K ist eine nahezu schnurgerade, wellige Straße. Der Weg hinaus nach Hawi ist im Vergleich zum Rückweg pittoresk, denn man kann in der Ferne den Mauna Kea erkennen, zur linken liegt der Pazifik und Hawi ist von dem ein oder anderen Hügel aus quasi in Sichtweite auf dem Rückweg liegt all das im Rücken.
Der Jäger ist geweckt
Tim Don sowie der Rest des Zwift Teams riefen mir, kurz nach dem Radstart, oben auf dem Queen K den Abstand zu Levi zu. Ich muss zugeben, der Jäger war geweckt. So distanziert ich mich vor dem Rennen in Bezug auf das Altersklassen-Battle zwischen Levi und mir gegeben hatte, konnte ich mir nun selbst gegenüber nicht mehr leugnen, dass es mir schon in den Fingern juckte. Trotzdem war ich gedanklich noch bei meinem konservativen Rennplan, ähnlich wie in Kopenhagen. Dass der Wellenstart für eine Verbesserung gesorgt hatte, erkannte ich früh. Der Queen K war leer im Vergleich zum vergangenen Jahr. Keine Gruppen, die so chaotisch aussehen wie der Fantross von der S-Bahn Stellingen zum HSV-Stadion an einem, ich hätte jetzt fast Samstag gesagt aber mittlerweile spielen die ja auch mal an einem Montag ;). Vereinzelt kleinere Radgruppen konnte ich vergleichsweise energiesparend überholen. Ein Arbeitstag auf dem Rad würde es trotzdem werden.
Irgendwie konnte ich mir meine Schwäche dennoch nicht eingestehen, ich hielt also an meiner angepeilten Leistung bis zum Anstieg nach Hawi fest. Auf dem Weg nach Hawi hinauf fuhren mir die ersten Mitstreiter davon. Die Hitze machte mir schleichend zu schaffen, an jeder Verpflegungsstation nutze ich daher das Wasser als Kühlmittel für meinen Motor. Ungeachtet meiner Konstitution empfand ich die Steigung als angenehme Veränderung. Die Zeit bis hier hin verbringt man gemeinhin zu 100 Prozent in Aeroposition, der unaerodynamische Oberlenker kommt daher als willkommene Ablösung zum Standard daher. Mindestens genauso schön ist es, die entgegenkommenden Profis zu sehen, einen ersten Überblick übers Rennen zu bekommen, bevor man wieder für die nächsten Stunden mit sich allein und den Gedanken über Schmerz und Nahrungsaufnahme beschäftigt ist. Ich kurbelte mich also den Berg gen Hawi hoch, bis ich kurz vor dem Wendepunkt das erste Mal Levi erblickte und nach mehr als zwei Stunden auf dem Rad zum ersten Mal im Angesicht meiner Konkurrenz war. Auch Benni Winkler aus Kiel war unter ihnen. Ich merkte mir haargenau die Stelle, an der wir uns passierten, um hinterher einen Zeitabstand zu haben. Gute vier Minuten auf Levi und etwas mehr auf Benni sagte mir der Blick auf die Uhr. Mittlerweile war ich wieder etwas zu Kräften gekommen, oder es war die wieder erstarkende Motivation in mir. Während der Wind kräftig von der Seite blies, düste ich nach und nach an Athleten vorbei, die mich auf dem Hinweg überholt hatten. Man mag es kaum glauben, aber Fahrtechnik zahlt sich auf Hawaii aus, während man mit teilweise 70 Kilometern pro Stunde bei ordentlich Seitenwind den Rückweg von Hawi gen Kona antritt. Dummerweise halten Motivationshochs beim Ironman im Verhältnis zur Rennzeit nur einen Wimpernschlag lang. Noch bevor ich wieder auf den Queen K bog, verließen meine Beine so langsam die Kraft. Nur der kurzzeitig einsetzende Regen sorgte zumindest auf dem Rad für einen erneuten Schub. Der Regen war eine Wohltat in der Mittagshitze. Leider reichte es nur für ein paar Tropfen, bis ich mich in der trockenen Einöde aus Asphalt und Lava wiederfand. Dennoch genügten die paar Tropfen, zumindest temporär für 20 Watt extra. Im Nachhinein betrachtet wirkte es wie ein Stern bei Mario Kart. Kurz darauf überholte mich einer der umstrittensten Altersklassenathleten mit kraftvollem Tritt aber quietschender Kette. Der 46-jährige, des Blutdopings 2007 überführte, Alexander Winokurow. In dubio pro reo, sage ich jetzt einfach mal, denn auch ich weiß es nichts besser und könnte mich nur Spekulationen hingeben.
20 Kilometer waren da noch zu fahren, meine Beine waren schwer, was in mir ein wenig Angst keimen ließ. Bei meinen ersten beiden Ironmans lief ich jeweils ungebremst gegen eine Wand, ich musste mich jeweils die letzten 25 Kilometer nach Hause schleppen ohne Hoffnung auf eine zweite Luft. Die Wiederholung schien sich langsam und listig ins Tagesprogramm zu schleichen. Blieb nur die Hoffnung. Dummerweise fuhr ich dann auch noch mit halb aufgefüllten Flüssigkeitsreserven an der letzten Verpflegungsstelle rund zehn Kilometer vor der Wechselzone vorbei, in der absoluten Überzeugung, noch an einer weiteren Station Cola und Wasser aufnehmen zu können. Damit wurden die letzten Meter der Radstrecke endgültig zur Qual. 4:44 Stunden später rollte ich platt aber glücklich über die getane Arbeit in die Wechselzone ein. Die ersten Meter laufend waren die Hölle, wie sollte ich nur den Marathon mit den Beinen überstehen? Da mein fiktiver Zeitplan schon ausgereizt war, beeilte ich mich in der Wechselzone. Die grünen Next%, die aus meinem Wechselbeutel purzelten, waren nun meine letzte verbliebene Waffe im Kampf gegen die Uhr. Gemeinsam mit vier weiteren Athleten bog ich vom Pier auf den Ali’i Drive ab, den Zielbogen fest im Blick. Nur 42,195 km, knappe 3 Stunden, 2.000 Eiswürfel, 1.000.000 Gedanken ans Aufgeben aber auch 1.000.001 gewonnene Schlachten im Geiste gegen mich selbst trennten mich von der Erlösung und der Endorphinflut. Mit 4:10 min/km hatte ich meinen Marschplan geschrieben, an den galt es sich zu halten. Meine Begleiter hatten eher die Taktik „je eher daran, desto eher davon“. Ich ließ sie alleine in ihrer progressiven Renngestaltung.
Verschwitzte Eiswürfel als Rettung
Endlich sah ich auch meine Familie und die Zwift-Truppe wieder, das waren aber auch schon die einzigen guten Neuigkeiten. Levi führte das AG-Feld an, acht Minuten vor mir zog er seine Kreise. Ich lies mich nicht entmutigen! Meter für Meter stapfte ich dem Wendepunkt auf dem Ali’i Drive entgegen. Bei „Da Poke Shack“ sah ich erst Levi und dann Benni. Vier bis viereinhalb Kilometer hatte ich bisher geschafft, die beiden waren also noch immer rund sieben Minuten vor mir. Es gab nur eine Option und die hieß noch immer, mein eigenes Rennen zu machen, geduldig zu bleiben, zu lauern. Gleichzeitig hoffte ich natürlich, dass die beiden einbrechen würden. Jetzt war keine Zeit mehr für Freundschaft, die konnten wir hinterher wieder pflegen, mein Blick vorwärtsgerichtet lief ich weiter. Als nächstes wartete die Palani Road auf mich, kurz aber steil, ähnlich wie Partynächte von dem Low-Performer-Teil meiner Freunde ;). Nahezu gehend bewältigte ich die paar hundert Meter bis zum Queen K, alles andere schrie nach Kamikaze. Oben angekommen belohnte mich das „Base Salt“ Zelt mit motivierender elektronischer Musik. Selbstverständlich gab es auch Salz in kleinen Plastiksticks, wie der Name vermuten lässt. Leicht blau griff ich mir eins. Den Zuruf des Helfers verarbeitete mein Hirn nicht mehr richtig: „You know how to use it?“ Ich nur: „hhhhhh“. Was so viel bedeuteten sollte wie: „Natürlich digger, ist ja nur Salz, ich bitte dich!“. Kurz zur Klarstellung wie es richtig geht: Man öffnet den Deckel, hält den Daumen auf die Öffnung, schüttel einmal die Box, leckt den Daumen ab und steckt den Rest zurück in die Trikottasche. Was machte ich? Deckel auf und alles rein in Mund. Der Teelöffel Salz brachte mich fast zum Speien. Die Eiswürfel in meinem Trikot zum Kühlen waren meine Rettung. Einen verschwitzten Eiswürfel nach dem anderen warf ich mir in den Mund. Gerettet, das war knapp! Ich konnte meinen Stiefel weiterlaufen. In schweren Momenten mache ich mir die Strecke gedanklich so einfach wie möglich, für mich blieben also nur noch kurz geradeaus zum Flughafen, links runter zum Energylab, umdrehen, wieder hoch zum Queen K sowie „zack“ die lange gerade zum Ziel zurück übrig. Genau so machte ich es. Ich lief einfach und lief. An jeder Verpflegungsstelle griff ich, was ich bekommen konnte, am meisten freute mich allerdings immer auf die Eiswürfel für Mund und Trikot als auch Cola. Iso konnte ich schon lange nicht mehr sehen, nahm es aber trotzdem, denn der Weg von gut verpflegt bis zur berühmten Wand wird mit jeder Rennminute kürzer. Als ich endlich den Weg zum Energy Lab hinunter bog, sah ich in der Ferne Levi! Es musste ihm echt scheiße gehen, hatte er oben am Energylab noch knapp 1000 Meter Vorsprung, waren es unten am Strand angekommen noch maximal 400 Meter. Ich legte meine Karten zurecht, sammelte meine Gedanken, plante meine Überholmanöver. 50 Meter vor dem Wendepunkt schlich ich bis auf wenige Meter an ihn heran, nur um direkt beim Wendepunkt zu überholen, das Tempo zu forcieren und ihm noch viel Erfolg zu wünschen.
Ich hatte an der Special-Needs-Station noch eine gefrorene Flasche deponiert, die mir den letzten Schub für die verbleibenden 14 Kilometer liefern sollte. Naja, was ich bekam war Grapefruittee, nicht wirklich das, worauf ich mich gefreut hatte. Der Hügel hoch zum Queen K wirkte wie auch im vergangenen Jahr auf einmal überraschend unüberwindbar. Die leichte Steigung ist genau das, was man nach siebeneinhalb bis acht Rennstunden nicht benötigt. Was man allerdings braucht und worüber ich mich freute, waren die Anfeuerungsrufe von Ruth, Paul sowie Robin Schneider, die mir oben entgegenkamen! Weit vorne sei ich, hieß es von allen drei und so war es auch. Auf Platz drei der Altersklasse lag ich zu dem Zeitpunkt. Am Horizont zeichnete sich nach rund 31 Kilometern die Silhouette von Benni ab, der sichtlich schwer zu kämpfen hatte. Ich überholte ihn kurz darauf, bis auch ich schließlich und endgültig platze. Sechs Kilometer vor dem Ziel war der Ofen aus, ohne Hoffnung auf weitere Entflammung. Augenblicke vorher hatte ich noch Richard von Zwift sowie einige Andere gesehen. Sie jubelten mir meine derzeitige Platzierung zu. Platz drei in der AK, Platz zehn insgesamt. Nach all den Hürden des Tages, war das mehr als ich erwartet hätte. Leider halfen die wundervollen Gedanken ans Podium nichts. Fast an der Palani Road angekommen, überspurtete mich ein Spanier in einem Affenzahn. Nichts konnte ich dem entgegensetzen. Ich war leer, außerdem schleppte ich seit fast 25 Kilometern ein Notdurftsbedürfnis mit mir rum, das mit jedem Schritt schlimmer rumorte. Akzeptieren war alles, was mir übrig blieb. Der Blick über die Schulter brachte Ruhe zurück, hinter mir lag der einsame Queen K. Ich bog rechts auf die Palani Road, wo Tim Don sowie ein Teil der Zwift Crew mich mit Frohsinn empfang. Die letzten Meter Hölle mit matschigen Beinen die Palani Road runter waren ein Genuss. Unten wartete Papa, der mal wieder mit einem lockeren Spruch aus der Hüfte einen kleinen Feuersturm in mir entfachte. „Guck mal da vorne kurz vor dir läuft der Dritte, hol ihn dir, sind ja nur ein paar Sekunden!“ Damit konnte ich in meinem eigenen Elend nun überhaupt nichts anfangen ;). So schnell sich mein Gemüt erhitze, so schnell war auch alles wieder vergessen. Außerdem hatte ich langsam anderes zu tun. Mein Reisverschluss hatte sich verabschiedet, verzweifelt versuchte ich, ein gutes Bild auf der Ziellinie zu machen. Ich nahm es als dankbare Gelegenheit hin die letzten paar hundert Meter zu gehen. Schon lag es vor mir, das Ziel! Der erneute Blick nach hinten versprach noch etwas Zeit, für einen Kuss an meine Freundin und meine Mami, die bestimmt ein Teil meines Erfolgsrezepts sind. 3:05 Stunden nachdem ich die Ziellinie fest in meinen Fokus geschlossen hatte, klopfte ich mir selbst auf die Schulter, die Ziellinie zu meinen Füßen. 8:55 Stunden, damit schneller als im vergangenen Jahr, das war die Zeit. Ich war glücklich in dem Moment.
Zurück zum Anfang
Zurück zum Anfang, zurück zur Frage, die meinen Rennbericht einleitete, bin ich zufrieden? Die Gleichung hat viele Randbedingungen, der Verlauf spielt dabei eine ganz entscheidene Rolle. Mein Unfall, der späte kraftzerrende Ironman, zwei Wochen Trainingsausfall dank Mandelentzündung genau in den Wochen vor meinem Abflug, all das möchte ich keinesfalls als Ausreden ins Feld führen, sondern vielmehr für mich nutzen, mir selbst meinen Erfolg zu illustrieren. Ja, ich bin glücklich und ja, ich bin zufrieden. Klar es geht immer besser und mir fallen sofort Dinge ein, aber ich habe an dem Tag jeden Pfeil verschossen, der in meinem Köcher steckte und das ist was zählt!
Ich bin vor allem auch froh darüber „vorerst“ abgeschlossen zu haben, mit dem Ort, den ich mit so polarsiereden Empfindungen verbinde, den ich eigentlich nicht mal so spektakulär erachte, dessen Hype ich nicht verstehe und gleichwohl unbedingt irgendwann nochmal bezwingen möchte – aber vielleicht ist genau dies der Mythos! 🙂 In der nahen Zukunft wird Hawaii indes ohne mich auskommen müssen, die Welt ist groß und ich möchte sie entdecken.
Lasst die Haare wehen!
Euer Philipp 🙂