Dass der Abenteurer Jonas Deichmann Rad fahren kann, ist bekannt. Und dass er hohe Belastungen besonders gut verkraftet, ist ebenfalls offensichtlich. Spontane Vorschläge zur Gestaltung der Trainingsrunde können zur Grenzerfahrung werden, wie Till Schenk selbst erfahren musste.
Der Garmin zeigt 450 Watt an und das seit mehr als 20 Sekunden – im verzweifelten Versuch, die Lücke zu Jonas nicht größer werden lassen.
20 Minuten vorher mache ich fahrlässig den Vorschlag, noch diesen einen wunderschönen Zusatzschlenker in den Sonnenuntergang zu fahren. Eine Traumhafte 15-Kilometer-Runde, die mit einem fünf Kilometer langen Anstieg durch den Wald führt. Endlose, perfekt geschwungene Serpentinen den Berg hinauf, während das Abendlicht rötlich durch die Baumwipfel scheint und eine letzte Wärme auf der Haut hinterlässt. Zumindest könnte es so sein.
Stattdessen sitze ich hier mit meiner Lunge zwischen den Zähnen, Blut in den Augen und gefühlten 42 Grad Körpertemperatur auf dem Rad und lediglich mein noch minimal vorhandenes Ego treibt mich voran. „Jetzt bloß nicht aufgeben, keine Schwäche zeigen”, geht mit durch den Kopf. Realistisch gesehen vollkommener Quatsch. Ich schaukle auf meinem Rad herum wie ein betrunkener Seemann auf hoher See. Die Schwäche ist gar nicht mehr zu verstecken.
Spezifisches Training? Eher nicht
Am Ende sind es 320 Watt im Schnitt für 20 Minuten, was bei mir etwas mehr als vier Watt pro Kilo sind. Schuld daran ist eine klitzekleine, nicht durchdachte Aussage unseres Wegbegleiters Marc, der zu Jonas meinte: „Lass mal mit etwas Druck fahren, du musst auch mal Akzente setzen.“
Was daran nicht durchdacht ist, erkennt man, wenn man Jonas „locker fahren“ genauer anschaut. Locker ist immer das, was der Mitfahrer vorgibt. Jonas selbst ist da ganz entspannt. Der Spaß und die Freude am Radfahren stehen im Vordergrund und nicht das „spezifische“ Training. Wenn ich also alleine mit ihm unterwegs bin oder mit Annika, die uns mehr und mehr begleitet, dann kann es tatsächlich einfaches Kurbeln sein. Wenn sein Bruder dabei ist, dann fühlt sich jeder Hügel an wie ein Ortsschild-Sprint. Jonas ist das egal. Der fährt einfach mit.
Der positive Nebeneffekt: Nach nur vier Wochen Trainingseinstieg bin ich gestern nur 40 Sekunden hinter meiner Bestzeit an unserem Fünf-Kilometer-Hausberg geblieben. Seitdem macht sich Annika wieder Hoffnung, dass es doch noch etwas mit dem von Jonas versprochenen Sixpack bis Ende April wird. Was sie nicht weiß ist, dass ich seit vier Wochen jede Nacht wie ein Uhrwerk gegen zwei Uhr morgens zum Panikessen in der Küche anzutreffen bin 🙂
Spaß für alle
Ach ja, da war ja noch das Thema „neues Zeitrad“, oder um präzise zu sein: Jonas‘ erstes Zeitrad. Die Eingewöhnungsphase hat er einfach ausgelassen. Ich glaube, ich habe ihn seit dem ersten Tag nicht mehr auf seinem Rennrad gesehen. Nur einmal, bei einem 185-Kilometer-Ride in der zweiten Woche, mit Windböen, die Lanzarote an seinen besten Tagen ähnelten, hat er einmal kurz vor dem Ziel durchsickern lassen, dass es jetzt doch ein wenig ungemütlich sei. Davon abgesehen versuche ich ihm das Konzept Zeitrad ein bisschen näherzubringen. Vergebens. Es zählt weiterhin der Ansatz: Wenn es weniger als 2.000 Höhenmeter auf 120 Kilometern sind, war es eine Flachetappe und „das Leben ist zu kurz, um nicht Berge zu fahren“, wie er immer sagt.
Aber bei allem Spaß und leichter Ironie: Jonas ist einfach ein geiler Typ. Das Leben und das Training bloß nicht zu ernst nehmen. Spaß muss es machen, und zwar nicht nur ihm, sondern allen, die dabei sind. Und so gibt es weiter fleißig Kaffeestopps auf unseren Trips, am Gipfel wird weiter auf jeden gewartet und für ein gutes Foto ist immer Zeit.
Nur in der letzten Märzwoche wird sich das alles ändern. Schluss mit Kaffee und Pausen. Schaut gern mal auf unseren Instagram-Kanälen vorbei. Da hat er gerade den 70/80/90/100-Testwahnsinn (an vier Tagen in Folge werden 70, 80, 90 und schließlich 100 Prozent einer Langdistanz absolviert, Anm. d. Red.) veröffentlicht und keine Ahnung wie, aber irgendwie bin ich da reingerutscht.
Dazu, und warum ich nächste Woche wahrscheinlich nur schlaflose Nächte habe, gibt es beim nächsten Mal mehr.
In diesem Sinne – Happy Training zusammen.