
„Schon komisch, dass ein Athlet mit solchen Speckrollen so viel schneller läuft als seine schlanken Kollegen!“ Diese Aussage ist nur die Spitze des Beleidungseisbergs, den Kristian Blummenfelt über sich ergehen lassen muss. Jedes Rennen, bei dem der Norweger an der Startlinie steht, entfacht im Nachhinein Kritik an seinem Körper. Eine Kritik, die speziell über Social Media geäußert wird. Eine zweifelhafte Entwicklung.
Körpermobbing
Solche Aussagen wurden nicht nur über Kristian Blummenfelt nach seinem Ironman-Weltmeistertitel und dem Sieg beim Sub7-Projekt geschrieben. Nein, es müssen sich immer mehr Athleten einem solchen Druck, hauptsächlich über die vermeintlich anonyme Social-Media-Welt, ausgesetzt sehen. Dass sich die oft in Kombination geäußerten Dopingverdächtigungen ohne Beweis verbieten, sollte unter Sportlern ohnehin klar sein. Doch darum soll es hier nicht gehen. Dem 28-Jährigen kann es zum jetzigen Zeitpunkt recht gleichgültig sein, denn der Erfolg gibt ihm recht. Doch was ist mit den anderen 95 Prozent der Triathleten, die nicht oben auf dem Eisberg stehen, wo die Kritik am offenbar eiskalten Norweger abzugleiten scheint? Auch diese Triathleten sind mit dem Thema Körpermobbing konfrontiert und können zumeist keine Kompensation über den Erfolg erreichen.
Die Spezifikation macht es aus
Gibt es denn überhaupt einen „Norm-Körperbau“ für Triathletinnen und Triathleten?
Je nachdem, welche Sportart betrieben wird, folgt der Körperbau der Funktion. Der Körper passt sich der Belastung an – und das ganz individuell. Einzelne körperliche Unterschiede sind genetisch vorgegeben. Es gibt nicht den einen perfekten Körper für die Langdistanz und den einen Körper für das Turnen. Natürlich hat jede Sportart ihre Spezifikation, die Schwimmer haben meist breite Schultern, Turner sind eher klein und sehr definiert, wohingegen Langstreckenläufer sehr dünn und mit wenig Körperfett ausgestattet sind. Trotz dieser Merkmale gibt es Unterschiede in der Ausprägung, allein schon wegen der Individualität der Menschen an sich. Es gibt nicht die eine optimale Form, genauso, wie es nicht die eine Technik gibt, um schnell zu schwimmen oder schnell zu laufen. So gibt es dann auch nicht den „Norm-Körperbau“ für Triathleten. Schnell gerät in Vergessenheit, dass der Erfolg durch jahrelanges Training und die Entwicklung eines effizienten Motors entsteht. Dabei ist die Entwicklung eines Körpertypen nur eine Nebenentwicklung. Das Aussehen, die Ästhetik hat dabei nichts mit der Leistung zu tun, auch wenn häufig die Annahme entsteht, dass der Körpertyp für den Erfolg steht.
Dünn ist nicht gleich schnell
Leicht und dünn ist dabei nicht immer gleich schneller und besser. Es gibt Athleten, die die Gratwanderung zwischen etwas zu viel Gewicht für die sportliche Höchstleistung und einem zu geringen Körperfettanteil nicht hinbekommen. Der zu geringe Körperfettanteil kann schnell zu Verletzungen oder Leistungseinbrüchen führen. In dem Fall ist der schönere Körper in den Augen des Betrachters dann der Körper, der weniger leistungsfähig ist. Die Gesundheit ist das wichtigste Gut, das wir besitzen. Für Athleten ist die Gesundheit ihres Körpers gleichzeitig auch deren Kapital. Jeder Ausfall führt zu finanziellen Einbußen. Die Britin Katrina Matthews sagte vor der Ironman-Weltmeisterschaft in einem Interview: „Wir sollten die Tatsache akzeptieren, dass Gesundheit der wichtigste Aspekt ist und jeder mit einem etwas anderen Körperfettanteil das Beste aus sich herausholen kann.“
Dieser Aussage ist wenig hinzuzufügen. Sollte ich mit einem oder zwei Prozent mehr Körperfett die gleiche Leistung erzielen können, mich dabei aber sogar wohler fühlen, warum sollte ich dann bitte auf die ein bis zwei Prozent verzichten?
Körper anders betrachten
Eine Diskussion über die Körperformen von Athleten sollte nicht geführt werden. Es geht viel mehr darum, dass wir über die Ergebnisse und Leistungen diskutieren. Dabei ist es doch uninteressant, mit wie viel Prozent Körperfett jemand über die Ziellinie läuft. Und hier spreche ich nicht nur über die Profis, es geht im Allgemeinen um alle Sportler. Jeder, der das Ziel erreicht, absolviert eine Leistung, die mit Anerkennung zu würdigen ist. Jede Leistung erzählt dabei eine eigene Geschichte, die im Geringsten etwas damit zu tun hat, wie man selbst körperlich zusammengesetzt ist. Deshalb ist wichtig, sich die Freude am Triathlon beizubehalten und den Fokus auf das Erlebnis zurichten. Es nützt nichts, einem vorgegaukelten Schönheitsideal hinterherzujagen, das nicht erreichbar ist. Die Hatz nach dem Ideal wird einen Kreislauf der Enttäuschung darstellen. Das Nichterreichen der Ziele führt dazu, dass das Training immer mehr zur Pflicht wird, der Spaßfaktor und die körperliche Fitness, weshalb man mit dem Sport und Triathlon angefangen hat, gehen verloren.
Bevor ich zum Triathlon gekommen bin, war ich Leichtgewichtsruderer an der internationalen Spitze. Als Leichtgewichtsruderer musste ich zu den Wettkämpfen 70 Kilogramm wiegen, hatte circa fünf Prozent Körperfett und habe mich leistungsfähig gefühlt, dennoch war es mit zunehmenden Alter immer wieder ein Akt, das geforderte Gewicht zu erreichen. Aktuell bringe ich knappe 78 bis 80 Kilogramm auf die Waage, habe einen Körperfettanteil von neun bis elf Prozent und fühle mich ebenso leistungsfähig und wohl. Doch der jetzige Zustand ist für mich wesentlich leichter zu halten als zu Zeiten, in denen ich Ruderer war. Natürlich könnte ich auch wieder 70 Kilogramm wiegen, müsste dafür aber wesentlich mehr auf meine Ernährung achten. Ich würde im Alltag wahrscheinlich an Lebensqualität verlieren, da ich Einschränkungen in Kauf nehmen müsste, die mich auf Dauer psychisch belasten würden. Am Ende bin ich mit dem etwas höheren Körperfettanteil insgesamt leistungsfähiger, weil ich weniger Nebenschauplätze habe, die mich zum geringen Gewicht bringen könnten. Denn auch psychische Einflussfaktoren sind für die eigene Leistungsfähigkeit entscheidend. Eine optimale Leistungsfähigkeit kann man nur erreichen, wenn Körper und Geist in einem Gleichgewicht stehen. Zu viele Einflussfaktoren können ansonsten eine zu starke Wirkung auf die eigene Leistungsfähigkeit nehmen.
Zum gesunden Körper zählt auch der psychische Zustand. Wenn jedoch Diskussionen über Körperformen und Körpernormen entfacht werden, die auf eine Art und Weise geführt werden, die den mentalen Zustand verletzen können, so befinden wir uns hier auf dem falschen Weg. Eine Körperform ist individuell ausgeprägt und folgt keiner Norm, weshalb hier keine normierenden Diskussionen entstehen sollten. Fit und schnell ist das, was der jeweilige Athlet daraus macht – und nicht das, was von außen gefordert wird.
Triathlet sein
Der Körper wird die Form einnehmen, die ihm durch die äußeren Trainingseinflüsse gegeben wird. Es ist eine natürliche Anpassung, die eben genetisch und belastungsmäßig individuell ist. Besinne dich darauf, warum du mit dem Triathlon angefangen hast, sei wieder ein richtiger Triathlet. Liebe den Triathlon, das Training, den Wettkampf und die eigene Leistungsfähigkeit. Und denke daran: Es gibt keine körperliche Voraussetzung, damit du den Sport ausüben kannst, den du liebst. Akzeptiere deine Leistung und deinen Körper und akzeptiere ebenso die Körper und Leistungen der anderen.