Ein Freitag im Juni, mitten in der Lausitz. Das Geplänkel im Vorwege ist Geschichte, man spürt in der Boxengasse des Dekra-Testovals, dass es ernst wird. Noch zwei Tage bis zum Start des Projekts Sub7/Sub8. Am Morgen wurden die Startzeiten für den Sonntag bestätigt, damit steht dem Kampf gegen die Uhr nichts mehr im Wege. Um sieben Uhr werden die beiden Athletinnen Nicola Spirig aus der Schweiz sowie die Britin Katrina Matthews mit ihren Pacemakerinnen in den Senftenberger See springen, in weniger als acht Stunden wollen sie die 226 Kilometer einer Triathlon-Langdistanz bewältigt haben. Eine Stunde später um acht Uhr heißt es für den frischgebackenen Ironman-Weltmeister Kristian Blummenfelt aus Norwegen und für den verletzten Briten Alistair Brownlee eingesprungene Joe Skipper aus Großbritannien, die Jagd nach der Sieben-Stunden-Marke in Angriff zu nehmen.
Aktueller Stand
Das Ziel für die Sportlerinnen und Sportler ist klar gesetzt, sie wollen eine zeitliche Grenze für die Langdistanz unterschreiten, die bis jetzt noch nie unterschritten, geschweige denn annähernd erreicht wurde. Die schnellste jemals erzielte Zeit bei den Frauen von 8:18:13 Stunden stammt aus Roth 2011 und wurde von der Britin Chrissie Wellington erzielt. Bei den Männern ist die kürzeste Dauer auf der Langdistanz, wenn man das Punkt-zu-Punkt-Schwimmen mit Strömung in Cozumel von 2021 mit einrechnet, 7:21:12 Stunden – vom aktuellen Weltmeister Kristian Blummenfelt. Das heißt, insgesamt müssen die 226 Kilometer auf der Seite der Frauen 18 Minuten und bei den Männern 21 Minuten schneller absolviert werden. Helfen soll dabei ein spezielles Regelwerk.
Ein Ziel, verschiedene Taktiken
Nun könnte man denken, dass alle vier Teams die gleiche Taktik verfolgen, um die Zeit für die vorgegebene Distanz zu reduzieren, doch wie es scheint gibt es Unterschiede, vor allem in der Pacing-Strategie. Jeder von den vier Akteuren darf insgesamt zehn Helfer, sogenannte Pacemaker, einsetzen, die bei den jeweiligen Disziplinen, hauptsächlich mit Wasser-/Windschatten, unterstützen. Die entscheidende Teilstrecke beim Kampf um die Uhr – und das wurde von allen, die mit dem Projekt zu tun haben, bestätigt – ist das Radfahren. Hierbei kann am meisten Energie im Verhältnis zum Minutengewinn eingespart werden, um später zum abschließenden Marathon ausgeruhter auf die Strecke zu gehen. Sowohl Joe Skipper als Kristian Blummenfelt wollen ihre Teams die gesamte Distanz von 180 Kilometern fahren zu lassen. Skipper setzt dabei auf den eingespielten „Aerodynamik-Zug“, der für Alistar Brownlee vorgesehen war.
Das Team, das größtenteils aus hochdekorierten Zeitfahrspezialisten um den World-Tour-Athleten aus dem „Israel – Premier Tech Pro Cycling Team“ Alex Dowsett besteht, hat Erfahrung darin, im Mannschaftszeitfahren unterwegs zu sein. Größte Herausforderung hier wird sein, dass die Distanz für alle so noch nicht als Zeitfahren gefahren wurde. Taktisch wird Joe Skipper an der letzten Position seiner sieben bis acht Helfer fahren, dabei ist ein Helfer dafür zuständig, ihn möglichst ohne die Notwendigkeit großer Zwischenbeschleunigungen am Team zu halten. Die Helfer wechseln ungefähr alle drei Minuten zur Steilkurve aus der Führung und fahren an der Spitze des Zeitfahrzuges Leistungen, die sich im Bereich von über 400 Watt bewegen. Die angepeilte Durchschnittsgeschwindigkeit liegt bei 54 Kilometern pro Stunde, das wäre eine Endzeit von 3:20 Stunden für die Radstrecke.
Kristian Blummenfelt wird mit sechs bis sieben Helfern im Line-up fahren. Ebenso wie Skipper fährt auch Blummenfelt an der letzten Position. Alle Athleten sind auf den neusten Cadex-Rädern unterwegs und werden vom Aerodynamik- und Zeitfahrspezialisten Matt Bottrill geführt. Der 44-Jährige ist eine Koryphäe, wenn man in die britische Zeitfahrszene eintaucht – zuletzt hat er unterstützend beim Stundenweltrekord von Victor Capenaerts mitgewirkt. Die Zielzeit der sechs Windschattengeber um den aktuellen Ironman-Weltmeister aus Norwegen liegt im Bereich von 3:30 bis 3:40 Stunden.
Für Joe Skipper wird es darum gehen, im Schwimmen nicht zu viel Zeit auf den Norweger zu verlieren. Sollten beide Triathleten an ihre Prognosezeit kommen, dann steigt der 28-jährige Olympiasieger gute vier Minuten vor dem Briten aus dem Wasser. Blummenfelt, der auf den Wasserschatten von einem oder zwei Spezialisten aus dem Freiwasserschwimmen setzt, peilt 45 Minuten zum Durchqueren des Senftenberger Sees an. Skippers Entscheidung, mit einem oder zwei Helfern zu schwimmen, fällt im Laufe des Vorwettkampftages, dabei wird er auf die Hilfe von bekannten Athleten der olympischen Distanz setzten, die zuletzt erfolgreich bei den Arena Games Triathlon mitgewirkt haben: Der Australier Max Stapley und der Brite Gordon Benson kommen dabei als Helfer infrage. So wie es aussieht, wird er jedoch nur auf einen Helfer beim Schwimmen setzten, damit sein Aerodynamik-Zug beim Radfahren aus acht Protagonisten bestehen kann.
Der Schwimmer, der die Führungsarbeit über die 3,8 Kilometer lange Strecke leisten wird, hat zudem die Aufgabe, auf der Laufstrecke dem einzig richtigen Marathon-Pacemaker Frank Schauer, Zweiter der deutschen Meisterschaft, auf Teilstücken der 42,195 Kilometer Unterstützung zu leisten. Mit acht bis zehn Minuten Vorsprung möchte Skipper vor Blummenfelt in der zweiten Wechselzone ankommen. Für die vermeintlich folgende Aufholjagd hat Blummenfelt von seinem Schuhsponsor Asics zwei kenianische Läufer zur Seite gestellt bekommen, die Bestleistungen von 2:06 und 2:10 Stunden für den Marathon stehen haben. Skipper wird den Vorsprung für den abschließenden Lauf benötigen, da er das Tempo, das vom norwegischen Team angestrebt wird, nicht mitgehen können wird. Bis zur Halbmarathonmarke plant er eine Pace von 3:25 Minuten auf dem Kilometer zu laufen, um anders als im normalen Langdistanzrennen ab der Hälfte das Tempo zu verschärfen und das Rennen mit einem „negative Split“ zu beenden. Es wird demnach entscheidend sein, wie viel Vorsprung die britischen Zeitfahrspezialisten Joe Skipper im Kampf um die Sieben-Stunden-Marke mit auf die Laufstrecke geben können.
Frauen fahren anders
Der Wettstreit um das Unterbieten der Acht-Stunden-Grenze bei den Frauen ist auch ein Kampf zweier Triathlongenerationen. Die Britin Katrina Matthews, die jüngst Zweite bei der Ironman-Weltmeisterschaft in Utah wurde und damit den bisher größten Erfolg ihrer noch jungen Langdistanzkarriere feiern konnte, trifft auf die Grande Dame des Sports, Nicola Spirig. Die 40-jährige Schweizerin befindet sich auf der Abschlusstour ihrer langen sportlichen Laufbahn, die mit dem Sieg bei den Olympischen Spielen von London 2012 gekrönt wurde. Die Vorbereitung hätte bei beiden nicht unterschiedlicher sein können: Während Spirig, die Mutter dreier Kinder, sich bei einem Radsturz im Frühjahr zwei Rippen und ihr Schlüsselbein gebrochen hatte und die gesamte Vorbereitung auf Messers Schneide stand, kommt die 31 Jahre alte Britin mit einer WM-Medaille aus Utah dekoriert in die Lausitz. Dennoch ist die Schweizerin mehr als zuversichtlich, dass sie am Sonntag als erste Frau die Ziellinie überqueren wird, da das gesamte Event nicht von einer Einzelleistung abhängig ist, sondern der Teameffort im Vordergrund steht.
Das Team um Spirig ist mit internationaler Triathlonklasse gespickt, so unterstützen zum Beispiel Els Visser, Imogen Simmons und Lucy Buckingham nicht nur beim Radfahren, sondern auch auf der Laufstrecke. Sowieso ist das Team von Spirig vielfältiger aufgestellt, einzig für das Schwimmen ist die zweifache Freiwasser-Weltmeisterin Angela Maurer, Mitglied der International Marathon Swimming Hall of Fame, eine ausgewiesene Spezialistin. Die Radtaktik der im Kanton Zürich lebenden Schweizerin besteht aus zwei Dreierteams, von denen sie in die Mitte genommen wird. Das vordere und hintere Team werden sich abwechseln und zwischendurch eventuell auch pausieren. Zum Wechsel auf die Laufstrecke werden auch einige der Helferinnen, die bereits beim Radfahren mitwirkten, mitgehen. Als Spezialistin vom Laufen ist Maja Neuenschwander auf den abschließenden zwölf Laufrunden durchgängig an der Seite von Spirig.
Wie auch bei den Männern wird die entscheidende Disziplin das Radfahren sein. Die erwartetet Schwimmzeit von Matthews und Spirig liegt bei 50 Minuten, das heißt, es könnte von Beginn an ein engeres Rennen werden, bei dem sich beide Konkurrentinnen nach dem Schwimmausstieg in Großkoschen in Sichtweite befinden. Die Britin Matthews setzt auf dem 5,8 Kilometer langen Lausitzring-Oval für die Radstrecke auf zwei Dreierteams, die alle drei bis vier Runden die Führungsarbeit wechseln. Nach dem Wechsel kann sich das jeweils andere Team im Zelt erholen. Die Triathletin Ruth Astle fungiert dabei als Bindeglied beim Wechsel der Dreierteams und ist des Weiteren dafür zuständig, Matthews gleichmäßig durch das Rennen zu bringen. Astle wird sehr wahrscheinlich die Fahrerin sein, die im Team von Matthews die gesamten 180 Kilometer fährt, um ihr Konstanz zu geben.
Genauso wie Spirig setzt Matthews auf eine größere Anzahl an Helferinnen beim Laufen, da auch einige ihrer Pacerinnen auf dem Rad mit auf die Laufstrecke wechseln werden. Die prognostizierte Laufzeit der beiden Athletinnen unterscheidet sich nur um fünf Minuten. Für den Marathon soll eine Zeit von 2:45 respektive 2:40 Stunden gelaufen werden, mit der schnelleren Laufzeit auf Seiten der Britin. Sollte es der Schweizerin wider Erwarten zu den Prognosezeiten gelingen, den Abstand beim Radabschnitt gering zu halten, so könnte es bei den Frauen eine andere Renndynamik als bei den Männern geben, da beide Triathletinnen im engeren Zeitabstand zueinander liegen.
Ist es machbar?
#defytheimpossible ist der Hashtag, der diese Woche durch die Lausitz geistert. Ist es denn möglich? Das ist die große Frage, die über dem gesamten Projekt steht. Für die Frauen erscheint das Unterfangen auf den ersten Blick etwas leichter, da beim Radfahren aufgrund der Geschwindigkeit im Verhältnis zur Leistung weniger Windwiderstand überwunden werden muss als bei den Männern. Nichtsdestotrotz wird der entscheidende Faktor sein, wie viel Energie beim Radfahren gespart werden kann – oder anders gesagt, wie viel Geschwindigkeit zur normalen Leistung aller Athleten und Athletinnen gewonnen werden kann, da Windschattenfahren erlaubt ist. Es kommt nicht auf die Einzelleistung der vier Protagonisten an, vielmehr ist es eine Teamleistung, die am Ende darüber entscheidet, ob das hochgesetzte Unterfangen möglich ist, unter die Sieben- oder Acht-Stunden-Grenze zu kommen. Die mentale Komponente darf hierbei nicht unterschätzt werden, da sich Rad- sowie Laufstrecke auf einem Rundkurs befinden, die 27- und 12-mal umfahren oder gelaufen werden müssen.
Wenn die Rennen am Sonntag um 7 und 8 Uhr starten, können die Zuschauer live dabei sein. Das Rennen wird auf sub7sub8.com und YouTube live übertragen. Auch Zuschauer können dem Geschehen am Senftenberger See und im Dekra-Testoval live beiwohnen. Nach Informationen aus dem Organisationsteam sind dafür keine Tickets nötig.
Was für ein Quatsch… Die Logik hinter diesem Projekt ergibt sich mir nicht und hat irgendwie nix LD-Triathlon zu tun (#TeamZeitfahren). Warum klemmt man sich dann gleich hinter nen LKW oder schwimmt mit Flossen und peilt eine Sub6 an?
„Herausfinden was prinzipiell möglich ist“ ist ja ne gute /interessante Sache. Aber dann bitte auch regelkonform.
…sehe ich genauso. Was soll dies dem Triathlon resp. dem LD-Triathlon geben. Schon das Tri-Battle Royal war aufgrund der Strecken-Modifikationen grenzwertig, aber irgendwie noch „cool“, weil Mann vs. Mann ohne Pacemaker etc.. Veranstaltungen wie Sup7/Sup8, befeuern den „Tec- und Daten-Wahnsinn“ und somit am Ende die Kosten für eine Langdistanz.
..oder mit den Worten von Lothar L. zu sagen, „Triathlon ist ein Sport der Reichen geworden“. Leute macht Euch nicht verrückt!