Vera, erzähl uns doch zu Beginn kurz etwas zu deiner Person und welchen Bezug du zum Triathlonsport hast?
Ich bin 41 Jahre alt und seit über 20 Jahren begeisterte Ausdauersportlerin. 2005 habe ich an meinem ersten Triathlon in Locarno teilgenommen. Dies war der Beginn einer großen Leidenschaft. In 14 Jahren absolvierte ich über 80 Triathlons auf allen Distanzen, darunter fünf Langdistanzen, und habe alle erfolgreich gefinished.
Wie bist du zum Yoga gekommen?
Durch die Dreifachbelastung mit Vollzeitjob, Wettkampfsport und Familie war ich 2016 so gestresst, dass mir klar war, dass das ohne Ausgleich irgendwann in die Hose geht. Ich habe deshalb den wöchentlichen Firmen-Yoga-Kurs ausprobiert und hier Entspannung und Kraft für die restliche Woche gefunden. Ein Jahr später habe ich mich in einer Yoga-Schule angemeldet, um flexibler und öfter Yoga praktizieren zu können. Die Kurse taten und tun mir immer noch extrem gut und ich habe bei mir viele positive Auswirkungen auf mein Training und den Triathlonsport herausgefunden.
Und welche Auswirkungen sind das?
Ich bin weniger verspannt und deutlich beweglicher geworden. Außerdem hat sich meiner Körperstabilität verbessert. Das hilft mir, die Technik beim Schwimmen und Laufen besser umzusetzen. Außerdem hat sich meine Atmung sehr verbessert. Ich hatte Belastungsasthma und dank Yoga kann ich komplett auf Medikamente verzichten.
Wie kam es anschließend dazu, dass du jetzt Yoga-Trainerin bist?
Ich wollte Yoga noch mehr Sportlern nahebringen. Deshalb habe ich die einjährige Ausbildung zur zertifizieren Yoga-Lehrerin gemacht. Dabei habe ich entdeckt, wo mein Herzblut zukünftig reinfließen soll. Die Arbeit mit Menschen und Bewegung entspricht viel mehr meinem Naturell als die Bürotätigkeit als Diplom-Betriebswirtin.
Man hört immer wieder, dass Sportler an einer Yoga-Stunde oder einem Yoga-Kurs teilgenommen haben und es gar nicht ihr Ding war?
Eine Yoga-Stunde kann abhängig von der Yoga-Richtung und dem Yoga-Trainer so unterschiedlich ausfallen, wie das Verständnis des Einzelnen vom Radfahren. Der Erste versteht darunter eine Fahrt zur nächsten Eisdiele, ein Zweiter eine Downhillfahrt mit dem Mountainbike, der Dritte Pässe mit dem Rennrad hochzukurbeln, und der Vierte 180 Kilometer auf einem Zeitfahrrad zurückzulegen. Deshalb kann ich nur empfehlen, mehrere Kurse und Trainer auszuprobieren, um ein Angebot zu finden, das zu einem passt.
Man hört auch das Argument „ich bin total unbeweglich und kann nicht mal im Schneidersitz sitzen, deshalb ist Yoga nichts für mich“. Was ist da dran?
Gerade langjährige Ausdauersportler haben oft einen hohen Muskeltonus. In meinen Kursen vermeide ich das Sitzen weitestgehend. Ich fange Yoga-Stunden beispielsweise gerne im Liegen an und wähle Übungen aus, die auch weniger bewegliche Teilnehmer ausführen können. Durch meine sportliche Vergangenheit bin ich selbst viel unbeweglicher als die meisten Yoga-Trainerinnen und weiß, wie frustrierend es sein kann, wenn man Übungen nicht richtig mitmachen kann. Deshalb wähle ich gezielt Haltungen aus, die aus meiner Sicht für Triathleten geeignet sind.
Wie sollten Triathleten Yoga praktizieren?
Wichtig ist mir, dass meine Teilnehmer Yoga mit Maß und Ziel praktizieren, zum Beispiel ein bis zwei Mal wöchentlich, der Fokus eher auf dem Ausprobieren und Entdecken liegt und die Teilnehmer gut auf ihre Grenzen achten. Sich mit viel Ehrgeiz beweglich zu machen, könnte sich unter Umständen erst mal negativ auf die Leistungsfähigkeit auswirken und durch die ungewohnten Übungen auch zu Überlastungserscheinungen führen.
Das heißt Yoga für Sportler ist eine ganz ruhige Angelegenheit?
Meine Kurse beinhalten einen guten Mix aus beidem. Viele Läufer und Triathleten, die ich kenne, vernachlässigen das „Stabi“-Training. Deshalb sind in jeder meiner Stunden gezielte Übungen zur Kräftigung der Po-, Bauch-, Rücken- und Rumpfmuskeln mit dabei. Hier dürfen die Triathleten zwischendurch auch mal ins Schwitzen kommen. Idealerweise stärken meine Teilnehmer ihre Entwicklungsbereiche ohne sich so auszupowern, dass die Energie für die nächsten geplanten Trainingseinheiten fehlt. Jede Yoga-Stunde endet mit einem Entspannungspart bei dem die Teilnehmer zur Ruhe kommen und die Regeneration eingeleitet wird.
Was für einen Yoga-Stil unterrichtest du?
In meinen Kursen finden sich viele Elemente aus dem Hatha-Yoga wieder, wobei ich in jede Stunde auch einige dynamische Bewegungen, die man streng genommen auch dem Vinyasa-Yoga zuordnen könnte, einbaue. Diese haben das Ziel, verklebte Faszien zu lockern. Interessant zu wissen ist dabei, dass in den Faszien auch Stressrezeptoren liegen. Ich richte jede Stunde so aus, dass gezielte Übungen für einen stabilen Rumpf, für Balance und für die Dehnung von Hüfte und Brust-Schultergürtel dabei sind.
Wie bist du auf die Idee gekommen, Yoga-Videos für Triathleten zu produzieren?
Ich höre oft von Sportlern, dass sie sehr gerne meine Kurse besuchen würden, aber keine Zeit für einen weiteren fixen wöchentlichen Termin haben. Kürzere Yoga-Einheiten, die sie je nach Zeit und Trainingsplan absolvieren könnten, würden ihnen sehr entgegenkommen. Es gibt schon viele sehr gute Yoga-Videos am Markt, die aber die speziellen Bedürfnisse von ambitionierten Sportlern nicht berücksichtigen. Meine Videos dauern maximal 30 Minuten und sind zeitlich flexibel. Meine „normalen“ Kurse dauern 75 Minuten, was eine schöne, runde Sache ist und ich kann schauen, ob die Teilnehmer die Übungen richtig ausführen. Nur bringt es nichts, wenn der Besuch des Yoga-Kurses mit Stress verbunden ist. Da sind Yoga-Videos aus meiner Sicht eine gute Alternative.
Worauf sollten Yoga-Neulinge beim Ausprobieren deiner Videos achten?
Es ist ganz normal, dass man am Anfang noch nicht alles kann und bis ins Detail versteht. Yoga ist ein Prozess. Selbst an altbekannten Übungen und an sich selbst wird laufend Neues entdeckt. Man kann es sich wie ein Puzzle vorstellen. Am Anfang sind es nur wenige Puzzleteile, aber mit jedem Mal üben kommen weitere Teile dazu. Dazu braucht es etwas Geduld. Es ist ähnlich wie beim Kraulschwimmen. Das erlernt man auch nicht in ein, zwei oder drei Terminen. Aber es lohnt sich dran zu bleiben, denn jedes Puzzleteil ist mit Freude über die neue Entdeckung verbunden. Wenn sich eine Haltung nicht stimmig anfühlen sollte, dann sollte man sie weglassen, eine Pause oder eine alternative, bekannte Übung stattdessen machen.
Noch etwas Persönliches zum Schluss. Wie sieht’s mit deinen Zielen aus?
Auch ich muss mich fokussieren. Im Moment steht der Aufbau meiner Selbständigkeit mit meinen Yoga-Kursen, meinen Gesundheitsseminaren für Firmen, meinen kombinierten Yoga- und Technikseminaren für Triathleten und Yoga-Videos an erster Stelle. Ab Januar starte ich mit der „300-Stunden-Yoga-Lehrer-Weiterbildung“. Da reicht die Zeit nicht aus, um auch noch ambitioniert an Wettkämpfen teilzunehmen. Trotzdem trainiere ich so oft ich kann noch mit großer Leidenschaft Schwimmen, Radfahren und Laufen.
Trainingseinheiten auf Youtube
Am 8. und 15. Dezember gibt es auf unserem Youtube-Kanal „triathloninsider“ zwei Yoga-Einheiten mit Vera Gloger, die ihr eurem Zeitplan entsprechend in euer Training integrieren könnt.
Weitere Infos zu Yoga für Triathleten und Veras Video Kanal findest du hier.