Kurz vor dem großen Showdown in den Woodlands am Wochenende blicken wir auf die letzte lange und spezifische Koppeleinheit von Geheimfavorit Casper Stornes.
Der Ironman Texas am kommenden Sonntag ist das nächste Highlight in der Ironman Pro Series 2025. Beim Frühjahrsklassiker in den Woodlands findet sich traditionell ein herausragendes Starterfeld im Kampf um die Top-Platzierungen und die WM-Slots. Auch in diesem Jahr ist das Staraufgebot beeindruckend: Bei den Männern gehen neben den beiden Ironman-Weltmeistern Kristian Blummenfelt und Gustav Iden ebenfalls zahlreiche Ironman-Sieger wie Rudy von Berg, Léon Chevalier, Daniel Bækkegård, Kristian Høgenhaug, Trevor Foley, Cameron Wurf, Matt Hanson sowie etliche weitere renommierte Langdistanz-Athleten an den Start. Zur Kategorie der „Wundertüten“ oder Geheimfavoriten zählt derweil Casper Stornes. Der Teamkollege von Blummenfelt und Iden, der zum Teil nur als „der dritte Norweger“ bekannt ist, tritt erst zum zweiten Mal bei einer Langdistanz an. Auf der Kurz- und Mitteldistanz sind die Fähigkeiten des 28-Jährigen seit vielen Jahren über jeden Zweifel erhaben.
Stornes gewann bereits sowohl ein Rennen in der WM-Serie auf der Kurzdistanz als auch drei Ironman-70.3-Rennen. Bei den Olympischen Spielen in Tokio kam der Norweger auf Platz elf. Nur zwei Wochen später wagte er seinen bisher ersten und einzigen Versuch auf der Langdistanz. Er startete ohne spezifische Vorbereitung beim Ironman Frankfurt und befand sich bis zum Ende der ersten Laufrunde in aussichtsreicher Position auf das Podium. Nach 15 Kilometern beendete er das Rennen vorzeitig aufgrund von Magenproblemen, nachdem er bereits auf dem Rad seine Verpflegung verlor. Stornes‘ erstes Finish auf der Langdistanz steht demnach noch aus – und soll am Sonntag in Texas folgen. Auch ohne großen Erfahrungsschatz auf der Langdistanz ist das Ziel des Norwegers jedoch nicht nur das Finish, sondern einer der fünf Slots für die Ironman-WM in Nizza. Das Potenzial für das Podium oder eine Top-5-Platzierung bringt Stornes zweifelsohne mit.
Die ausgewählte Trainingseinheit zeigt, dass sich der dreifache Ironman-70.3-Sieger dieses Mal sehr spezifisch und in typisch norwegischer Methode auf das Rennen vorbereitete. Beim Saisonauftakt im Rahmen des Ironman 70.3 Oceanside gab es vor zwei Wochen für Stornes jedoch prompt einen ersten Rückschlag. Nachdem er im abschließenden Halbmarathon innerhalb der ersten Kilometer noch an Position zwei lag, musste er zwischenzeitlich mit Krämpfen pausieren, konnte nur locker weiterlaufen und wurde am Ende bis auf Platz 24 durchgereicht. Damit es beim Ironman Texas deutlich besser läuft, absolvierte Stornes mit seinen beiden Teamkollegen Blummenfelt und Iden eine letzte lange Koppeleinheit mit einem Umfang von sechseinhalb Stunden und einer langen Dauer von Abschnitten bei Wettkampfintensität. Damit kommt die Belastung einer Rennsimulation sehr nahe und stellt neben dem physiologischen Trainingsreiz auch eine ideale Gelegenheit dar, knapp zwei Wochen vor dem Showdown noch einmal das Material und die Wettkampfverpflegung unter realen Bedingungen zu testen.
191 Kilometer in viereinhalb Stunden: Überdistanz-Radfahrt bei Wettkampf-Tempo
Die Radfahrt der Koppeleinheit von Stornes stellt in Bezug auf die Langdistanz sogar ein Übertraining dar. Der Norweger brachte 191 Kilometer in 4:33 Stunden (42 km/h) hinter sich. Hinzu kommt, dass die Strecke 1.904 Höhenmeter aufwies, was die durchschnittliche Geschwindigkeit umso beeindruckender macht. Seit einiger Zeit blendet Stornes die genauen Wattwerte seiner Radeinheiten aus. Jedoch kann man den herausgestoppten Runden entnehmen, dass das Programm der Einheit einen 90-minütigen Block und einen 105-minütigen Block Wettkampfintensität beinhaltete. Für diese beiden längeren Zeiträume lag die durchschnittliche Geschwindigkeit jeweils sogar bei etwas über 43 Kilometern pro Stunde.
Da die Rennstrecke des Ironman Texas erheblich flacher und schneller ist als die Trainingsstrecke dieser Einheit, wird das Tempo am Renntempo eventuell sogar zwischen 44 und 45 Kilometer pro Stunde liegen. Getrennt wurden diese beiden langen und rennspezifischen Intervalle von einer 14-minütigen Pause bei lockerer Intensität. Das Einfahren umfasste 50 Minuten und das Ausfahren knapp 15 Minuten. Anhand der Trainings- und Wettkampfleistungen aus der Vergangenheit kann die Schätzung abgegeben werden, dass sich die angestrebte Rennintensität auf dem Rad für Stornes mutmaßlich zwischen 290 und 310 Watt bewegt.
Koppellauf: Knapp 30 Kilometer mit rennspezifischen Intervallen
Wenn die meisten Athleten nach einer dermaßen hohen Belastung auf dem Rad nur noch einen kurzen Koppellauf anschließen würden, gehen die Norweger in guter Tradition deutlich darüber hinaus und in die Extreme. Unmittelbar nach der langen Radfahrt wechselte Stornes in die Laufschuhe und bewältigte einen langen Koppellauf. Dieser umfasste insgesamt 29,3 Kilometer in 1:56 Stunden (3:58 min/km). Das Hauptprogramm bestand aus drei Abschnitten, die jeweils ungefähr eine halbe Stunde lang waren und im angestrebten Langdistanz-Tempo absolviert wurden.
Die drei langen Intervalle lief Stornes in einem Tempo von 3:40, 3:37 und 3:50 Minuten pro Kilometer. Splits, die auf eine Marathonzeit von rund 2:34 Stunden im Falle der ersten beiden Abschnitte und 2:42 Stunden im Falle des dritten Abschnitts hinauslaufen würden. Getrennt wurden die drei Intervalle durch eine Steh- beziehungsweise Gehpause von knapp fünf und gut sechs Minuten. Das reduzierte Tempo im letzten Intervalle macht deutlich, dass Stornes die Intensität anhand der langen Vorbelastung bereits etwas reduzieren musste.
Die sechseinhalbstündige Koppeleinheit verdeutlicht, dass Stornes auch mit mangelnder Langdistanz-Routine zweifelsfrei das körperliche Leistungsvermögen und die aktuelle Fitness mitbringt, um eins der fünf WM-Tickets zu lösen. Dem Norweger ist es als starkem Schwimmer zuzutrauen, dass er weit vorn aus dem Wasser kommt, sich auf dem Rad in der ersten großen Spitzengruppe aufhält und einen abschließenden Marathon unter 2:40 Stunden läuft. Doch zur Langdistanz gehört bekanntlich mehr als nur die entsprechende Form in den drei Disziplinen: Für den 28-Jährigen wird vermutlich rennentscheidend sein, keine groben Fehler in der Verpflegung und im Pacing zu machen, um sein Potenzial am Renntag auch tatsächlich abrufen zu können und kein Szenario zu erleben, wie es vor vier Jahren in Frankfurt der Fall war.