Samstag, 5. Oktober 2024

Abenteuer Norseman – Alles für ein schwarzes Shirt

Dies ist nichts für dich. Nicht persönlich nehmen, aber das ist es einfach nicht. Dies ist für Menschen mit Kampfgeist. Mit Unverwüstlichkeit. Mit einem Geist, der härter ist als ihre Körper.“ Mit diesen Worten wird begrüßt, wer sich traut, auf die Norseman-Homepage zu gehen. Damit auch wirklich niemand behaupten kann, er sei nicht gewarnt worden. Seit seiner ersten Ausgabe im Jahr 2003 gehört der Norseman zu den härtesten und spektakulärsten Triathlons der Welt. Schwimmen im oft eiskalten Fjord, nachdem man von einer Fähre gesprungen ist, Radfahren in spektakulär schönem, aber gleichzeitig unfassbar anspruchsvollem Terrain und ein Marathon, der bis auf 1.883 Meter Höhe führt. Auf einen Steinhaufen namens Gaustatoppen, von dessen Gipfel 160 Finishern die Welt zu Füßen liegt. Keiner mehr. Nur die ersten 160 dürfen den Aufstieg ab Kilometer 32,5 wagen und sich das schwarze Finisher-Shirt abholen, das begehrteste Kleidungsstück im Triathlon. Dem Rest bleibt ein Finish unterhalb des legendären Bergs und das „weiße Finish“. Aber das ist nichts, für das man zum Norseman reist.

Nils Flieshardt / spomedis Vorbereitung ist alles: Zusammen mit seinem Team geht Max Rauer die Checkliste noch einmal durch.

Einer, der sich seit Monaten gedanklich schon Schwarz tragen sieht, ist Max Rauer. Zweimal scheitert der 28-Jährige an der Startplatzverlosung, doch dann kommt der 12. November 2018. Fassungslos sieht Max seinen Namen auf dem Bildschirm und er realisiert, dass er in neun Monaten tatsächlich von der Fähre springen wird. Es folgen Monate intensiver Planung für die „Mission 1883“, deren Name sich auf die Höhe der Ziellinie bezieht. Jetzt sitzt er umgeben von seiner Crew vor dem gemieteten Wohnmobil im offiziellen „Tri Camp“ in Eidfjord und geht mit seinen Supportern zum x-ten Mal das Athletenhandbuch durch. Die Mannschaft, das sind Cousine Sarah, ­Susanne, die ihn schon zuvor supportet hat, Bruder Stefan und „Radsportgott“ Guido, der ihn seit seinen Anfängen als Radrennfahrer immer wieder begleitet.

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Ein Ordner liegt auf dem Tisch, in dem Max akribisch zusammengetragen hat, was es über den Norseman zu wissen gibt. Das Höhenprofil hat er sich so oft angesehen, dass es sich in die geistige Netzhaut eingebrannt hat, und die vereinbarten Verpflegungspunkte könnte er wohl im Schlaf auf die Karte zeichnen. Der Mann hat einen Plan und es trifft Leidenschaft auf Leitz-Ordnung. Am Nachbarwohnmobil hat es sich inzwischen das norwegische „Team Bob“ gemütlich gemacht. Hier sieht der Zeitplan für die Crew als nächsten Punkt ein Dosenbier vor. Oder auch zwei. Zumindest für die Supporter Arne und Stian. Sie sind Norseman-Veteranen, waren schon ­etliche Male als Athlet und Supporter dabei und in diesem Jahr ist Team-Bob-Kollege Fredrik an der Reihe.

Haken dran

Mit bester Laune beobachten die Norweger, wie Team Rauer das Equipment für den Renntag packt und Susanne einen Haken nach dem anderen auf die akribisch ausgearbeitete Liste macht, die alles enthält, was man bei einem Triathlon benötigen könnte. Egal ob er in Afrika oder der Arktis stattfände. Max ist gern vorbereitet. Und als dann eine Flasche Weißweinessig in der Schwimmbox für verwunderte Blicke sorgt, folgt auch prompt die Erklärung: „Falls ich eine Qualle berühre …“ Mehr geht nicht.

Nils Flieshardt / spomedis Briefing für den großen Tag: Die Athleten bekommen noch einmal vor Augen gehalten, auf welches Abenteuer sie sich einlassen wollen.

Gleich ist Athleten-Briefing in der Sporthalle. Ein Pflichttermin, bei dem die Starter noch mal eingeimpft bekommen, was es heißt, ein Norseman werden zu wollen. Mit dramatischen Bildern aus dem Vorjahr wird die Halle heißgemacht und dann tritt Renndirektorin Torill Pedersen auf die Bühne. Mit nur wenigen Worten umreißt sie die Verhaltensregeln aus dem Athletenhandbuch, denn: „Das müsst ihr alles ohnehin schon wissen.“ Ein mahnender Blick unterstreicht die Ernsthaftigkeit. Macht ein Supporter Fehler oder verletzt die Regeln, wird der Sportler bestraft. Daran erinnert Torill mehrmals und im ganzen Saal sehen sich Athleten und Begleiter tief in die Augen.

Max weiß das alles. Wann, wo und wie seine Crew ihn unterwegs verpflegen darf, dass Warnweste und Beleuchtung beim Radfahren Pflicht sind und was aus Sicherheitsgründen in die Rucksäcke muss, die er und mindestens ein Supporter beim Aufstieg zum ­Gaustatoppen tragen müssten, wenn er denn zu den glücklichen 160 gehört. Und dies wäre der Fall, wenn alles so läuft, wie er es geplant hat. Der Plan sieht zunächst aber mal vor, früh schlafen zu gehen. Deshalb heißt es im Wohnmobil um kurz nach acht: Licht aus. Doch die Ruhe ist schnell vorbei. Kurz vor eins: Licht an – 45 Minuten vor dem Plan, da Max um Mitternacht hellwach in seiner Koje liegt. Also Planänderung: Frühstück mit gebratenem Reis und Ei. Während Max im Rennanzug und mit frisch tätowierten Startnummern auf den Unterarmen im Campingstuhl kaut, kramen Sarah und Susanne alles zusammen, was die Liste für die Wechselzone vorsieht.

Nils Flieshardt / spomedis Letzte Vorbereitungen mitten in der Nacht: Max checkt sein Equipment in der ersten Wechselzone.

2:45 Uhr: Aufbruch. Die Wechselzone ist schnell eingerichtet und als einer der ersten von 296 Athleten geht Max an Bord. 35 von ihnen werden an der parallel zum Norseman stattfindenden XTRI-WM teilnehmen. Unter ihnen auch der Vorjahressieger Allan Hovda. Dann legt die Fähre ab. Noch eine Stunde bis zum Start, 45 Minuten bis zum legendären „Jump“. Aus vier Metern springen sie hier ins kalte Wasser – im Wortsinn, da der Eidfjord teilweise grenzwertige Temperaturen hat. Aber auch sprichwörtlich, denn Fakt ist: Der ­Norseman ist ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Ganz egal, wie gut man geplant hat. Mit dem Sprung von der Fähre beginnt ein Kapitel, dessen Plot die Athleten nur bedingt selbst in der Hand haben.

Nichts für Warmduscher

An Bord herrschen jetzt verschiedenste Stimmungen: Von tiefenentspannt bis meganervös ist alles dabei. Max gehört zur ersten Gruppe, froh, dass es nach monatelanger Planung endlich losgeht. Zeit den Plan umzusetzen. Zehn Minuten bevor die Ersten über Bord gehen sollen, zieht er sich seelenruhig den Anzug an, zieht weiteres Neopren über Kopf und Füße und geht sich dann abkühlen. Am Bug der Fähre pumpen sie per Schlauch Fjordwasser an Bord, mit dem sich die Teilnehmer auf „Betriebstemperatur“ bringen. Der Endgegner für Warmduscher, aber es darf auch bezweifelt werden, dass man mit einer solchen Vorliebe hier richtig wäre.

Nils Flieshardt / spomedis Klappe auf und alle raus: Wie schüchterne Lemminge gehen die Athleten dem Abgrund entgehen.

Dann öffnet sich die Heckklappe und gibt den Blick aufs Wasser frei. Zuerst sind die XTRI-WM-Starter an der Reihe, fünf Minuten später alle anderen. Wie schüchterne Lemminge schleichen sie auf die Kante zu und fallen aus der Fähre in den Fjord. Und wann immer ein Zauderer für Verzögerung sorgt, ertönt über Lautsprecher eine ruhige, aber bestimmte Stimme: „Nicht denken, einfach springen.“ Max springt. Er pustet kurz durch und checkt die Lage: Das Herz schlägt noch und die Brille ist auch noch da. Top! Also zur Startlinie, und nachdem die WM-Teilnehmer bereits ins Rennen geschickt wurden, ertönt das Signalhorn der Fähre. Startschuss auf Norwegisch.

Nils Flieshardt / spomedis Raus aus dem Wasser: Nach 1:08 Stunden ist die erste Disziplin für Max gemeistert.

Es geht schnell los. Offenbar hat keiner vor, länger als unbedingt nötig im Wasser zu bleiben, auch wenn der Fjord für Norseman-Verhältnisse angenehme 17 Grad hat. Die Schnellsten sind nach rund 47 Minuten zurück, Max braucht 1:08 Stunden – fast 20 Minuten schneller als gedacht. Das Team: begeistert! Susanne hilft ihm in die Radklamotten und als Max losrollt, geht der Daumen nach oben. Mission 1883 läuft wie geplant. Während Max bereits auf der Strecke ist, laufen Sarah und Susanne zum Teamfahrzeug, das Stefan und Guido schon taktisch günstig platziert haben. Hier dürfen die Supporter keine Zeit verlieren, denn gerade auf dem ersten Stück, als viele Athleten noch zusammen sind, stauen sich die Begleitautos. Deshalb ist es auf den ersten 24 Kilometern auch untersagt, Sportler zu versorgen.

Um die Radfahrer vom Verkehr zu trennen, biegen die Athleten kurz nach dem Start auf eine schmale, alte Straße ab, die sich den ersten Berg hinaufschlängelt. Die Supporter nehmen die neue Straße, um Vorsprung rausfahren zu können. Im Auto von Team Max herrscht beste Stimmung. Das Schwimmen lief derart gut, dass man jetzt schon vor dem Plan liegt, der zum schwarzen Finish führt. Doch dann klingelt das Telefon und der Name auf dem Display lässt Böses ahnen: Max. Kurz nach dem Abzweig auf den Rumpelpfad hatte er eine Reifenpanne. Mit Schwung war er durch eines der zahlreichen Schlaglöcher gedonnert, als sich plötzlich mit einem grausamen Zischen die Luft aus seinem Vorderreifen verabschiedete. Klassischer Durchschlag. Doch Max hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben und will mit einem Pannenspray probieren, ob sich der Reifen abdichten lässt. Aber dazu kommt es erst gar nicht. Die Dichtung fällt ihm aus der Hand und wird vom Boden verschluckt. Weg. Also kein Pannenspray. Mit der Minipumpe bringt Max den Reifen auf handwarme drei bis vier Bar. Genug, um weiterzurollen, doch alle Hoffnungen auf das schwarze Shirt kann er so getrost begraben. Er braucht mehr Druck. Das Team soll die Standpumpe aus dem Wohnmobil holen, doch der Streckencheck zeigt, dass es dafür zu spät ist. Max ist sauer, weil er sich nicht an seinen eigenen Plan gehalten hat. Die Pumpe stand auf seiner Liste, doch ins Auto gepackt hat er sie nicht. Und als die Mission schon hier zu scheitern droht, hat Sarah die zündende Idee: Team Bob ist doch im Wohnmobil unterwegs. Vielleicht sind sie noch hinter Max. Susanne telefoniert sofort mit Bob-Chef Arne, ein weiterer Anruf im Race-Office klärt, dass sie von einem fremden Team Hilfe annehmen dürfen, und als Max, der mit schlappem Vorderreifen und maximal gespannten Nerven plötzlich von hinten das Hupen des Bob-Mobils hört, fallen ihm so viele Steine vom Herzen, dass man damit den Weg zum Gaustatoppen pflastern könnte.

Nils Flieshardt / spomedis Düstere Aussichten: Zu Beginn der Radstrecke ist Max noch mit Licht am Rad unterwegs.

Schnell wird gepumpt und Max ist wieder im Rennen. Und wie! Plötzlich wird alles leicht. Den Anstieg zum Wasserfall nimmt er wie eine Autobahnbrücke. Wie viele Minuten hat die Panne wohl gekostet? Vielleicht zehn? Aber das spielt im Grunde keine Rolle. Viel wichtiger ist die Frage: Wie viele Konkurrenten, die er eigentlich schon im Sack hatte, sind an ihm vorbeigefahren, als er fluchend am Straßenrand stand? In jedem Fall zu viele. Also weiter. Die erste Verpflegung funktioniert dann auch wie geplant, doch der Teufel hat heute offenbar seinen Eichhörnchentag. Plötzlich schießt es Max in den Oberschenkel. Die komplette Innenseite verkrampft sich und er muss Druck vom Pedal nehmen. Ausgerechnet jetzt, wo das Hochplateau Hardangervidda erreicht ist. Hier könnte er drücken. Die Form ist da, das weiß Max, doch die Muskeln haben bei der Teambesprechung anscheinend nicht zugehört.

Krampf im Kämpferherz

Nils Flieshardt / spomedis Trotz aller Hindernisse geht es für Max glücklicherweise auch immer wieder ein paar Plätze nach vorn.

Ab jetzt wiederholt sich an jedem Anstieg das gleiche Spiel: Max wird immer wieder von sechs bis sieben Athleten überholt, doch in der Abfahrt macht er sich klein, lässt es rollen und sammelt auf dem Oberrohr sitzend einen nach dem anderen wieder ein. Bis zum nächsten Anstieg. Ein nervenaufreibendes Hin und Her. Und mit jedem Platz, den er bergauf zurückfällt, verkrampft sich neben seinen Oberschenkeln auch sein Kämpferherz. Als er zur Verpflegung ans Teamfahrzeug rollt, will er die ungeschminkte Wahrheit wissen: „Jetzt ehrlich: Bin ich noch im Rennen? Sonst steige ich aus.“ Jetzt bloß nichts Falsches sagen. „Du liegst super“, versichern ­Susanne und Sarah nahezu synchron und Max kann nicht anders, als ihnen zu glauben. Fakt ist: Das wird ein ganz knappes Ding. Zumal die schwersten Abschnitte noch vor ihm liegen. Fiese Körnerfresser mit teilweise zweistelligen Steigungsprozenten. Krampfgaranten in der Foto­tapete. Und weil das alles noch nicht hart genug ist, macht sich Petrus heute einen Spaß daraus, den für sein mieses Wetter berüchtigten Norseman zum Hitzerennen zu machen. Auf fast 30 Grad klettert das Thermometer, als Max sich an den schlimmsten Steilstücken abrackert. Das stand so nicht im Plan und jetzt wird es mental. Im Kopf geht das Rennen ohnehin nur bis Kilometer 150. Danach führt die Radstrecke nur noch bergab. Das heißt: sich kleinmachen fürs große Ziel. V-Max: 95 km/h.

Nach 7:20 Stunden auf der Radstrecke rollt Max in die zweite Wechselzone. Sein Nacken schmerzt und die Beine krampfen, als er sich mit Support die Schuhe anzieht. Aber um auszuruhen ist keine Zeit. Als 161 hat er die Wechselzone betreten, doch kurz vor ihm kam ein ­Franzose rein, der nun eine Zeitstrafe absitzen muss. Stand jetzt wäre Max der letzte Athlet, der auf den Gipfel darf. Also schnell weiter. Am Ausgang der Wechselzone hängt eine Klapptafel, die jedem anzeigt, auf welchem Platz er sich befindet, und Max zeigt sie die 156. Die Aufholjagd hat begonnen.

Die Konkurrenz im Blick

Mit erstaunlich geschmeidigem Schritt macht sich Max daran, seinen Vorsprung auszubauen. Schnell sind die ersten Konkurrenten in Sichtweite und nach wenigen Kilometern hat er bereits drei von ihnen eingesammelt. Jeder Überholvorgang stärkt das Selbstvertrauen. Aber jeder schnelle Läufer, der von hinten an ihm vorbeizieht, verursacht auch fiese Kratzer. Also nicht zu viel denken.Das Team gibt jetzt alles. Immer wieder wird Max mit dem Auto überholt, dann verpflegt und angefeuert und schließlich wieder überholt. Immer und immer wieder. Seine Pace wird zwar langsamer, aber das geht den anderen ganz genauso. Zudem hat sich Max die Zeiten der 160 Black-Finisher aus den Vorjahren genau angesehen. Selten hat es beim Laufen noch krasse Positionsverschiebungen gegeben. Heißt im Klartext: Wenn es so läuft wie immer, werden keine „Überläufer“ von hinten das Feld aufrollen. In der Hoffnung, dass die Athleten mit den schnellsten Beinen schon vor ihm sind, sammelt er Kilometer für Kilometer und achtet darauf, dass er immer drei bis vier Positionen im Plus bleibt. Ein Run auf der Rasierklinge und das schwerste Stück steht erst noch bevor: der gefürchtete Zombie Hill. Pure Quälerei. Schon für sich genommen wäre das acht Kilometer lange Teilstück eine Herausforderung. Nach den Strapazen des Renntags ist es eine Frechheit, aber sie alle haben es so gewollt.

Laufen kann hier fast keiner mehr. Mit schnellstmöglichem Schritt wird gewandert und man kann in den Gesichtern sehen, wie es zusätzlich schmerzt, wenn dann doch mal ein Nachzügler vorbeizieht. Ständig wird sich umgeguckt und nach vorn geblickt. Doch irgendwann macht die ständige Alarmbereitschaft Max so fertig, dass er die Kontrolle der Position komplett an Sarah abgibt, die ihn nun zu Fuß begleitet. Schritt für Schritt kämpfen sich die beiden schweigend nach oben und zweimal gelingt es Max tatsächlich noch, wieder anzutraben. Eine Höllenqual. Aber effektiv. Sofort kann er mehrere Athleten überholen, die ihm nichts mehr entgegensetzen können. Es ist Crunchtime.

Nils Flieshardt / spomedis Geschafft: Max erreicht auf Platz 149 den Cut-off-Punkt und darf das Black Finish in Angriff nehmen.

Bei Kilometer 32,5 wird die Entscheidung fallen. Die ersten 160 dürfen hoch, der Rest muss abbiegen. Knallhart, ohne Ausnahme. Alter, Geschlecht, gute Ausreden – spielt alles keine Rolle. Max ist mittlerweile komplett im Tunnel. Zwar hört er von seinem Support immer wieder, dass es gut aussieht, doch er will den Gedanken, es geschafft zu haben, noch nicht zulassen. Und dann ist es so weit. Als sie um die letzte Kurve kommen, reicht ein kurzer Blick nach hinten, um festzustellen: Hier brennt nichts mehr an. Max reißt die Arme hoch und geht strahlend auf Renndirektorin Torril zu, die ihm als 149. Athleten dazu beglückwünscht, das Schwarz anlegen zu dürfen, wenn er es auf den Gaustatoppen schafft. Unfassbare Freude steht jenen ins Gesicht geschrieben, die sich weiter quälen dürfen. Unermesslich hart ist es für die, die auf der Klapptafel am Kontrollzelt lesen müssen, dass sie die 160 knapp verpasst haben.

Nils Flieshardt / spomedis Steiniges Ende: Vor dem langersehnten Finish wartet noch der harte Anstieg am Gaustatoppen.

Für Max beginnt nun die härteste Wanderung seines Lebens. An Laufen ist nicht mehr zu denken. Der Plan sah vor, bis zum Cut-off zu kommen. Jetzt muss der Rest auch irgendwie gehen. Nur nicht zu oft hochgucken, denn das Ziel ist nur im übertragenen Sinn zum Greifen nah. In Wahrheit ist es unfassbar weit weg. Da hoch? Wie soll das gehen? Es muss einfach.

Eigentlich ist Max zu alle, um den Aufstieg durchstehen zu können. Aber „eigentlich“ bedeutet eben auch, dass es irgendwie doch geht. Und als dann mitten im ­Geröll plötzlich seine Kumpels Achim und Hermann vor ihm stehen, die extra ihren Urlaub für genau diesen ­Moment geplant haben, bekommt Max die dringend ­benötigte letzte Luft. Auf Autopilot geht er weiter, immer weiter. Die letzten Stufen vor dem Gipfel und dann ist es ­geschafft – Mission 1883 nach 16:02:29 Stunden ­accomplished. Komplett entkräftet lässt sich Neu-­Norseman Max auf eine Mauer fallen. Der ganze Körper ein einziger Schmerz. Doch wenn man ganz genau hinsieht, sieht man auch die Zufriedenheit in seinem ­Gesicht aufblitzen. Die Freude darüber, dass sein Plan funktioniert hat.

Nils Flieshardt / spomedis Alles muss raus! Die letzte Kraft steckt Max in ­einen Siegesschrei. Das schwarze Shirt gehört ihm.

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Nils Flieshardt
Nils Flieshardt
Nils Flieshardt ist Chefredakteur der Zeitschrift triathlon und seit über 15 Jahren als Radexperte im Einsatz. Wenn er nicht am Rechner sitzt, findet man ihn meist hinter der Kamera auf irgendeiner Rennstrecke oder in Laufschuhen an der Elbe. Als Triathlet ist er mehr finish- als leistungsorientiert, aber dafür auf allen Distanzen zu Hause.

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