Dienstag, 30. April 2024

Andrew Messick: „Wenn es kein Eis gibt bei Kilometer 35 der Laufstrecke, dann ist alles andere egal“

Nach 12 Jahren an der Spitze der Ironman Group tritt Andrew Messick von seinem Posten als Präsident und CEO zurück. Frank Wechsel hat sich mit dem Amerikaner über Nizza und Kona, Hamburg und den Livestream, ein Rennen in Roth und einen Bürgermeister namens Roth unterhalten.

Getty Images for Ironman

Frank Wechsel: Andrew Messick, gestern sind Sie als Präsident und CEO der Ironman Group zurückgetreten, die sie zwölf Jahre lang angeführt haben: Wie fühlen Sie sich heute?

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Andrew Messick: Ich höre ja nicht sofort auf und es fühlt sich so an, als wenn ich hoffentlich noch lange mit Ironman im Geschäft bleiben werde. Aber ich habe mit vielen Leuten gesprochen und festgestellt, wie schwierig es ist, sich zu verabschieden. Meine Betriebszugehörigkeit ist länger als die von 99 % der Leute, die für mich gearbeitet haben. Die Organisation ist voll von Leuten, die ich eingestellt habe oder an deren Einstellung ich beteiligt war. So ein Abschied ist immer ziemlich emotional. 

die Frage, die ich mir gestellt habe: Habe ich noch fünf Jahre Energie, um mich wirklich um das Geschäft zu kümmern?

Wann haben Sie die Entscheidung getroffen, als CEO von Ironman zurückzutreten?

Ich habe seit Anfang 2023 ernsthafte Gespräche mit dem Board geführt. Wir haben also seit sechs Monaten und in einigen Fällen auch länger darüber gesprochen. Die Pandemie, die für ein Veranstaltungsunternehmen wie unseres die schwierigste Zeit war, die wir je erlebt haben, hat uns vor sehr, sehr großen Herausforderung gestellt. Wir haben es geschafft, die Organisation zusammenzuhalten. Wir haben es geschafft, in einem Umfeld zu überleben, in dem sehr viele Veranstaltungsunternehmen nicht überlebt haben. Wenn ich daran denke, dass wir das jetzt hinter uns haben, weiß ich auch: Es gibt in den nächsten fünf Jahren noch viel zu tun. Und die Frage, die ich mir gestellt habe, war: Habe ich noch fünf Jahre Energie, um mich wirklich um das Geschäft zu kümmern, oder ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um den Staffelstab an jemand anderen weiterzugeben? Ich werde dieses Jahr 60 Jahre alt. Ich mache den Job schon seit langer Zeit. Und es ist ein sehr schwieriger und anstrengender Job. Jeder Mensch in dieser Firma könnte seinen Lebensunterhalt auf einfachere Weise verdienen. Jeder Einzelne. Man muss Energie und Leidenschaft haben, um hier zu arbeiten. Und man muss sich wirklich, wirklich kümmern. Ich frage mich einfach, ob ich noch fünf Jahre Energie habe oder ob es das Richtige für das Geschäft wäre, die Führung an jemanden weiterzugeben, der sie hat. Mein Nachfolger wird die Energie haben, die ich vor zwölf Jahren hatte, als ich zur Tür hereinkam und bereit war, alles zu tun, um dem Unternehmen zu helfen. Diesen Schritt nun bin ich dem Unternehmen schuldig. Ich schulde es ihnen, zur Seite zu treten und das Geschäft in die Hände von jemandem zu legen, der bereit ist, in den nächsten fünf Jahren alles zu tun, was nötig ist, um das zu erreichen, was wir für enorm spannende und erreichbare Ziele für Ironman halten. 

Aber ist es nicht schwierig, Ironman in einer so turbulenten Zeit wie dieser in andere Hände zu geben – ohne zu wissen, wer die Nachfolge antreten wird?

Ich habe viel Vertrauen in diese Organisation. Ich habe großes Vertrauen in die Führung, und ich habe großes Vertrauen in die Eigentümergruppe, eine gute Entscheidung zu treffen. Ich denke, dass unser Board eine gute Mischung von Leuten mit konventionellen Führungsqualitäten und Erfahrungen hat, aber auch eine Menge Leidenschaft für diese Industrie und diesen Sport. Wenn wir darüber nachdenken, wer die nächste Person an der Spitze von Ironman sein wird, dann wird es jemand sein, der eine ausgewogene Mischung aus funktionalem oder geografischem Fachwissen hat. Der all die konventionellen geschäftlichen Dinge mitbringt, die man braucht, um ein Unternehmen zu führen. Denn Ironman ist zwar eine Marke, aber wir sind auch ein Unternehmen mit Büros und Hunderten von Mitarbeitern. Und, wissen Sie, wir kümmern uns um Währungen, wir kümmern uns um Steuern, wir kümmern uns um all die üblichen Dinge, mit denen sich Unternehmen beschäftigen. Das muss jemand machen. Aber Ironman ist auch ein ganz eigenes, einzigartiges sportliches Ökosystem, und das muss die Person auch verstehen. Auf einer gewissen Ebene muss die Person, die die Führung übernimmt, einer von uns sein.

Wie haben Ihre Kollegen und Ihre Mitarbeiter auf Ihre Entscheidung reagiert? 

Die haben alle was Nettes gesagt, was sehr schmeichelhaft ist (lacht). Ich habe eine lange Geschichte mit vielen Leuten in dieser Firma und wir haben schon einiges zusammen durchgestanden. Wir hatten Rennen, die schiefgelaufen sind. Wir hatten alle möglichen Dinge, die dich den Leuten wirklich nahe bringen, wissen Sie, das hochintensive Krisenmanagement in diesem Geschäft. Wenn ich also an ein Bild von fast jedem denke, dann ist es mit einem ereignisreichen Moment verbunden, den wir zusammen erlebt haben. Und es ist traurig, daran zu denken, das alles zu verlassen.

Ein paar haben gesagt: Du hättest schon vor zehn Jahren gehen sollen.

Haben sich seit gestern irgendwelche Profisportler oder Agegrouper bei Ihnen gemeldet?

Eine Menge Agegrouper und auch ein paar Profis. Die meisten von ihnen haben gesagt: Wir werden dich vermissen. Ein paar haben gesagt: Du hättest schon vor zehn Jahren gehen sollen.

Ich frage nicht weiter nach Namen der Profis, aber einen Namen habe ich im Kopf: Bürgermeister Mitch Roth von Hawaii. Hat er Sie kontaktiert und „Mahalo“ oder etwas anderes gesagt?

Nein, das hat er nicht. Noch nicht, aber ich werde nächste Woche mit ihm sprechen. Ich denke, dass jeder in Hawaii ein großartiger Partner für uns war. Und die Hawaiianer haben in einer sehr schwierigen Situation ihr Bestes gegeben. Wir haben gemeinsam eine sehr, sehr schwierige Situation gemeistert. Die Lösung, die wir gefunden haben, ist in Anbetracht der Optionen, die wir vor uns hatten, und der Entscheidungen, die wir realistischerweise treffen konnten, eine sehr gute Lösung. Und ich denke, sie wird gut überleben.

Sie wissen also schon länger, dass Sie zurücktreten werden. Wie haben Sie die letzten Wochen erlebt? 

Der ursprüngliche Plan war, dass ich mich am Tag nach Hamburg melde und meinen Rücktritt erkläre. Das hat dann offensichtlich nicht geklappt. Und so mussten wir den Zeitplan neu festlegen. Wir haben ein paar Leute informiert, die wir informieren mussten. Und ich denke, das Team hat wirklich gute Arbeit geleistet, diesen Prozess zu managen. Darüber bin ich sehr froh.

Wenn es zu den Dingen in hamburg einen Schuldigen gibt, dann bin ich das.

Reden wir über Hamburg. Wie haben Sie auf das reagiert, was hier passiert ist?

Natürlich sind solche Situationen wie in Hamburg außerordentlich schwierig. Es bricht einem das Herz und man trauert jedes Mal, wenn es ein Todesopfer bei einer eigenen Veranstaltung gibt. Man trauert um das Leben, das verloren wurde, und mit den Menschen, die diese Person geliebt haben. Das war sehr schwierig. Die Tatsache, dass wir unseren Livestream haben weiterlaufen lassen, hat es noch schmerzhafter gemacht. Das Team vor Ort hat wirklich gute Arbeit geleistet. Sie haben die richtigen Entscheidungen getroffen, um den Menschen, die von dem Vorfall betroffen sind, mit den richtigen Mitteln zu helfen. Sie haben die richtige Entscheidung getroffen, das Rennen nicht abzubrechen. Das Team vor Ort, das die Befugnis hat, die Entscheidungen zu treffen, hat die richtigen Entscheidungen getroffen und es richtig gemacht. Ich bin stolz darauf, wie sie es gemacht haben. Leider haben sie nicht die Anerkennung bekommen, die sie für ihr Management verdient hätten. Und das lastet auf mir. Wie wir mit der Livesendung umgegangen sind, ist etwas anderes. Wir haben das einfach nicht richtig hinbekommen. Bei jeder Ausdauerveranstaltung gibt es Zwischenfälle, und wir wissen, wie man damit umgeht. Wir sind immer angemessen damit umgegangen. Was wir noch nie hatten, ist ein Zwischenfall an der Spitze des Rennens in einer Liveübertragung. Das war neu für uns und keiner wusste, was zu tun ist. Der Moderator der Sendung war Greg Welch. Er wusste nicht, was er tun sollte. Und unser Team hat aus Gründen, die ich nicht näher erläutern möchte, nicht gesagt, dass wir die Sendung einfach unterbrechen werden. Obwohl wir genau das hätten tun sollen. Und das ist letztendlich meine Verantwortung. Und so bin ich in gewisser Weise froh, dass ich in Hamburg in der Verantwortung stehe, weil ich nach zwölf Jahren an der Spitze dieses Unternehmens bereit bin, die Verantwortung für die Entscheidungen zu übernehmen, die diese Organisation trifft. Wenn es zu den Dingen in Hamburg einen Schuldigen gibt, dann bin ich das. Ich habe nie Angst davor gehabt, die Verantwortung für unser Tun zu übernehmen. Und in diesem Fall haben wir es nicht richtig gemacht, und das hat vielen Menschen, die die Sendung gesehen haben, die gesehen haben, wie etwas Schreckliches passiert ist, sehr viel emotionales Sodbrennen bereitet. Das haben wir ignoriert, und das bedauere ich zutiefst. Ich wünschte, wir hätten es besser gemacht. Und in Zukunft werden wir es besser machen.

Sie sprechen über die Menschen vor Ort und Deutschland. Wir haben fünf Rennen unter der Marke Ironman in Deutschland. Wir haben eine Menge Rennen in den Ländern um uns herum. Wie ist Ironman hier in Europa positioniert?

Wenn man sich die Gesamtzahl der Ironman-Athleten anschaut, waren die Vereinigten Staaten immer das größte Land. Als ich vor über einem Jahrzehnt in das Unternehmen eintrat, waren die USA das Land mit den meisten Rennen, den meisten Athleten und allem. Heute sind die Vereinigten Staaten immer noch an erster Stelle. An zweiter Stelle liegt mit deutlichem Abstand das Vereinigte Königreich, dann folgen Frankreich und Australien, dann Kanada und Deutschland. Wir haben heute mehr deutsche Sportler als noch vor zehn Jahren. Wir sind also in Deutschland gewachsen, aber andere Länder in Europa haben dramatisch mehr zugelegt. Das Wachstum in Europa war bemerkenswert und hält bis heute an. Europa ist die am schnellsten wachsende Region in unserem Geschäft. Ich denke aber, dass wir in Deutschland noch einiges zu tun haben. Wir haben Deutschland in der Welt zu einem Top-Ten-Land, aber nicht zu einem Top-Fünf-Land gemacht. Das stört viele von uns, und es stört mich. Wir sind in Deutschland nicht so gut, wie wir sein müssten. Ich denke, wir haben nicht die Beziehungen zu den Athleten, die wir brauchen. Ich glaube, dass wir – ich will ganz offen sein – nach zehn Jahren der Rivalität zwischen Frankfurt und Roth wieder aufholen müssen.

Wir haben Deutschland in der Welt zu einem Top-Ten-Land, aber nicht zu einem Top-Fünf-Land gemacht.

Haben Sie den Live-Stream aus Roth verfolgt?

Ja, habe ich. Roth ist ein tolles Rennen. Was Katrin und Felix und die Familie Walchshöfer aus diesem Rennen gemacht haben, ist wirklich bemerkenswert. Ich denke, dass sie im Moment klar vor uns liegen, und ich glaube, dass unsere Organisation das nicht sehr mag. Ich habe bei uns gefragt: Wie können wir effektiver und in jeder Dimension mit Roth konkurrieren? Das wird eine interessante Herausforderung sein. Eine Herausforderung, die sich über Jahre hinziehen wird, denn es gibt keinen einfachen Schalter, den man umlegen kann, damit man plötzlich die Nummer 1 ist. Es braucht Zeit. Es braucht Zeit und Mühe und Arbeit und fordert uns als Organisation heraus.

Schauen wir über den Tellerrand Deutschlands hinaus: Zumindest in Europa war zuletzt die Nachfrage nach Startplätzen für die Ironman-Weltmeisterschaften in Nizza und auf Hawaii oft geringer als das Angebot. Das ist neu. Was ist der Grund dafür? 

Das stimmt. Es ist neu, aber es ist etwas, das wir erwartet hatten, als wir die Männer-WM nach Nizza vergeben haben. Die meisten, die sich vor dieser Ankündigung für die WM qualifiziert hatten, standen nun vor der Wahl, in Nizza oder Kona zu starten. Die überwältigende Mehrheit hat sich für 2024 und Kona entschieden. Wir wussten also, dass es noch viele Plätze für Nizza geben würde. Aber wir sehen sowohl für Nizza als auch für Kona, dass die Leute an der Spitze der Agegroups die Slots nehmen. Es wird also konkurrenzfähige Weltmeisterschaften geben, aber auch eine Menge Leute, die sich normalerweise nicht qualifiziert hätten.

Ich glaube, dass es 2.000 Frauen auf dieser Welt gibt, die es verdienen, an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen.

Das gefällt einigen Leistungssportlern nicht.

Das stört einige da draußen, aber es ist etwas, das wir erwartet haben und von dem wir glauben, dass es auf lange Sicht gut sein wird, denn wir hatten vor der Pandemie noch nie einen Kona-Tag, an dem mehr als 900 Frauen teilgenommen haben. Und um eine dieser 900 Frauen zu sein, die sich bis 2019 für das eintägige Kona qualifizieren, musste man oft seine Agegroup gewinnen. Die Zweite war oft die erste Verliererin. Im Jahr 2022 hatten wir 1.500 Frauen am Start. Das war die größte Teilnehmerinnenzahl, die wir je bei einer Weltmeisterschaft hatten. In diesem Jahr erwarten wir mehr als 2.000. Ja, die Slots sind weiter gerollt als in der Vergangenheit. Aber ich glaube, dass es 2.000 Frauen auf dieser Welt gibt, die es verdienen, an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen. Und bei den Männern ist es das gleiche. Wir haben in Nizza mehr Männer bei der Weltmeisterschaft als je zuvor. Und für Athleten, die superschnell sind, wird es viele andere superschnelle Konkurrenten in diesem Rennen geben. Aber es wird auch mehr Leute geben, die nie eine Chance gehabt hätten, sich für eine Weltmeisterschaft zu qualifizieren. Und auch wenn sie in ihrer Altersklasse vielleicht nur den 100. Platz belegen, wird es für sie hoffentlich eine einmalige Erfahrung sein.

Andrew Messick erwartet Jan Frodeno beim Weltmeisterschaftssieg 2015 im Ziel auf dem Alii Drive von Kailua-Kona, Hawaii (USA).

Sie sprechen von einmaligen Erfahrungen. Sollte man den Athleten nicht ehrlicherweise sagen: Geht besser jetzt nach Kona, denn eines Tages könnte dieses Rennen nur noch in den Geschichtsbüchern zu finden sein? Sehen Sie die Gefahr, dass auf Hawaii in Zukunft keine Ironman-Weltmeisterschaften mehr stattfinden werden?

Ich hoffe nicht. Wir haben uns jedes Szenario angesehen, als wir dabei waren, die Nachwirkungen der Rennen im Oktober zu analysieren. Wir haben überlegt, ob es eine andere Möglichkeit gibt, zwei Renntage in Kona zu bekommen. Wir haben uns für Donnerstag und Samstag entschieden, aber was wäre mit aufeinanderfolgenden Samstagen? Kann man ein Rennen im Oktober und eines im April veranstalten? Wir haben das alles diskutiert und die Antwort, die wir von unseren Partnern auf der Insel bekommen haben, war immer, dass die Gemeinde bereit ist, uns einen einzigen Tag im Jahr zu tolerieren. Und da spielt es keine Rolle, wie man den zweiten Tag gestalten möchte. Die Antwort war immer: Nein! Ich habe schon dutzende Male gesagt, dass wir anerkennen müssen, dass wir in jeder Gemeinde nur zu Gast sind, wenn wir dort ein Rennen veranstalten. Und wenn die Gemeinde sagt, ein Tag im Jahr ist ein Tag im Jahr, dann haben wir nicht die Möglichkeit zu sagen: Tut uns leid, ihr habt Unrecht. Wir haben auch über eine zweitägige Weltmeisterschaft an einem anderen Ort gesprochen. Dann gäbe es zwar noch den Ironman Hawaii, aber nicht als Weltmeisterschaft, sondern als reines Agegroup-Rennen. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass das für uns nicht besonders interessant ist. Ein Teil des Zaubers von Kona ist ja, dass es ein Rennen ist, bei dem die schnellsten Athleten der Welt antreten. Und das ist auch unser Fazit. 

Wenn Sie für sich selbst auf die letzten zwölf Jahre zurückblicken: Worauf sind Sie am meisten stolz?

Ich bin auf eine Menge Dinge stolz. Wir haben unheimlich viel erreicht. Aber ich würde sagen, es gibt drei große Dinge, die wir bis jetzt eindeutig richtig gemacht haben. Erstens sind da die Ironman-70.3-Weltmeisterschaften. Da war damals dieses Rennen am Lake Las Vegas, 2012 und 2013. Das waren die am schlechtesten bewerteten Rennen, die wir in unserem Portfolio hatten. Das Schwimmen war schrecklich, das Radfahren war schrecklich. Es war heiß in der Wüste. Auf der Laufstrecke gab es keinen Schatten und es gab keine Möglichkeit, das zu ändern. Es gab keine Möglichkeit, diesen Ort in etwas Bemerkenswertes zu verwandeln. Wir führen bei jedem einzelnen Rennen, das wir weltweit veranstalten, eine Umfrage unter den Athleten durch. Wir bewerten jedes Mal nach 70 verschiedenen Kriterien. Und wir haben die Möglichkeit, Veranstaltungen über die Zeit zu vergleichen. Wir können uns Rennen quer durch das Portfolio anschauen: Nordamerika, Mittlerer Osten und Afrika, Ozeanien, Asien. Die Ironman-70.3-Weltmeisterschaften waren die schlechtesten Rennen. Aber die Leute haben hohe Erwartungen, wenn sie zu einer Weltmeisterschaft kommen. Wenn du aus Europa kommst, wenn du aus Australien kommst, wenn du aus Asien oder Lateinamerika kommst, dann hast du wirklich hohe Erwartungen. Und wenn wir diese Erwartungen nicht erfüllen können, ist das eine Katastrophe. Und so haben wir uns entschieden, erst nach Quebec und dann nach Österreich, nach Australien, nach Chattanooga, Südafrika, Nizza, Neuseeland und bald nach Lahti in Finnland zu gehen. Das war enorm positiv für die Ironman-70.3-Weltmeisterschaften, die zum zweitwichtigsten Rennen der Welt geworden sind – auch mit den zwei Wettkampftagen. Wir haben den Frauen ihren eigenen Renntag gegeben. Das war eine große Erfolgsgeschichte für uns.

Das kann ich bestätigen. Das ist also der erste Punkt. Nummer zwei?

Der zweite Punkt, auf den ich stolz bin, ist die geografische Ausdehnung von Ironman. Wir sind stark nach Lateinamerika und Osteuropa, in den Nahen Osten und nach Asien vorgedrungen. An all diesen Orten gibt es jetzt eine lebendige Triathlon- und Ausdauersport-Gemeinde. Ich erinnere mich an die erste Ausgabe unseres Ironman-70.3-Rennens in Vietnam, an dem ich 2014 teilnahm. Das war ein Rennen mit 85 Prozent Ausländerquote. Es waren japanische und koreanische Athleten und Leute aus Hongkong, Singapur und Australien, aber nur sehr, sehr wenige vietnamesische Staatsbürger am Start. Im vergangenen Jahr war das Rennen fast doppelt so groß – nun aber mit 85 Prozent vietnamesischen Staatsangehörigen. Das sind leidenschaftliche Ironman-Athleten, die es vorher nicht gab. Und diese Geschichte hat sich in Bahrain, in Dubai, in Ägypten, in Marokko, in Uruguay, in Argentinien, in Polen, in Estland immer und immer wieder erzählt. Die Liste ließe sich fortsetzen, denn wir haben es geschafft, den Sport in neue Teile der Welt zu bringen. In den ersten 20 Jahren bestand der Ironman aus Australien, Neuseeland, Japan, Deutschland, den Vereinigten Staaten und Kanada. Es gab ein paar Brasilianer, ein paar Spanier aus Lanzarote, auch ein paar Schweizer und ein paar Österreicher. Aber sind jetzt viel globaler. 

Und Nummer 3?

Der dritte Punkt sind die Frauen und die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, um den Ironman für weibliche Athleten attraktiver zu machen. Wir haben in Europa nicht so große Fortschritte gemacht wie in anderen Teilen der Welt. In Frankfurt waren am Wochenende nur 13 Prozent Frauen am Start. In Lake Placid werden es 30 Prozent sein, bei unseren Ironman-70.3-Rennen in Chattanooga und in Victoria mehr als 40 Prozent. Das ist sehr gut. Unter den Frauen gibt es eine große Lust, harte, lebensverändernde Ausdauerwettkämpfe zu bestreiten. Und wir haben wirklich hart daran gearbeitet, eine Umgebung zu schaffen, die so einladend ist, wie sie nur sein kann. Ein Grund für die Aufteilung der Weltmeisterschaften ist es, den Frauen die Möglichkeit zu geben, ihr eigenes Rennen zu bestreiten und sie auf eine Art und Weise ins Rampenlicht zu holen, die nicht möglich wäre, wenn Männer und Frauen am gleichen Tag starten würden.

Wenn man zurückblickt, könnten wir immer besser sein. Mehr geht immer.

Gibt es auch Dinge, die Sie heute anders machen würden?

Wenn man zurückblickt, könnten wir immer besser sein. Mehr geht immer. Und wir haben längst nicht alles richtig gemacht. Ich denke, dass wir manchmal selbstgefälliger waren, als wir hätten sein sollen, wenn es darum ging, ob wir alles tun, um unseren Athleten attraktive Rennerlebnisse zu bieten. Wir haben vorhin ein bisschen über Wachstum gesprochen. Ich denke, das Wachstum hat funktioniert. Aber wir müssen dabei den Fokus beibehalten, besonders nach der Pandemie. Wir müssen uns weiterhin darauf konzentrieren, unseren Sportlern großartige Erlebnisse zu bieten. Und wir müssen uns nie, nie, nie mit der Arbeit zufriedengeben, die wir leisten, um immer besser zu werden und uns um unsere Kunden zu kümmern.

Gibt es irgendwelche Träume, die für Sie als Ironman-Präsident unerfüllt bleiben – außer dass das Rennen in Roth kein Ironman ist?

Wissen Sie, ich spreche die ganze Zeit in unserer Firma darüber. Seit zwölf Jahren. Ich frage mich immer wieder, warum wir nicht mehr in Asien und in Japan machen. Japan war historisch gesehen einer der ersten Ironman-Wettkämpfe, und dennoch ist Japan und ein großer Teil Asiens hartnäckig unterentwickelt geblieben. Wir haben dort zwar einige Rennen, aber Asien fühlt sich nicht so an wie Europa und nicht so wie Nordamerika. Das ist eine Chance für uns. Und vielleicht wird der nächste Chef uns helfen, es besser zu machen.

Welche Rolle wird die Professional Triathletes Organisation in Zukunft spielen?

Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht genau, was die PTO zu tun versucht, und ich denke, dass es kleine Dinge gibt, die wir gemeinsam tun können. Es gibt Möglichkeiten, bei Dingen wie der Dopingbekämpfung zusammenzuarbeiten, obwohl ich glaube, dass die PTO am Ende eher mit dem Weltverband World Triathlon kooperieren wird. Solange die PTO in der Rennorganisation tätig ist, haben wir nicht wirklich eine andere Wahl, als sie wie Konkurrenten zu behandeln. Aber wenn ihr Ziel ein anderes ist, wer weiß? 

Es wird also noch in diesem Jahr eine neue Person an der Spitze von Ironman geben. Welche Tipps haben Sie für Ihren Nachfolger? 

Es wird immer auf die Rennen ankommen. Wir haben Pläne, die wir in Bezug auf die Beziehung zu unseren Kunden und unsere Fähigkeit, sie auf ihrem Weg zum Ironman-Athleten stärker zu unterstützen, umsetzen werden. Und ich denke, dass wir hier eine Rolle spielen können, die spannend und überzeugend sein wird. Aber im Kern müssen die Rennen fabelhaft sein und die Erfahrung, die die Athleten machen, wenn sie ihre Ironman-Reise verwirklichen wollen. Die Details sind so wichtig. Ich habe der Organisation immer gesagt: Wenn es kein Eis gibt bei Kilometer 35 der Laufstrecke, dann ist alles andere egal. Man muss diese Dinge haben. Man kann über schickes Branding und alles später reden, aber auf der Laufstrecke muss man Eis haben. Glücklicherweise haben wir eine Organisation voller Leute, die das verstehen und die bereit sind, sich selbst umzukrempeln, um sicherzustellen, dass diese kleinen, winzigen Dinge, die wichtig sind, richtig gemacht werden. Es gibt immer jede Menge Druck in Bezug auf Organisation und Kosten und bla, bla, bla. Aber bei Kilometer 35 muss es Eis geben. Und jeder, der das nicht wirklich versteht, der das nicht in seiner DNA und seinen Knochen hat, wird es wirklich schwer haben. 

Es gibt immer jede Menge Druck in Bezug auf Organisation und Kosten und bla, bla, bla. Aber bei Kilometer 35 muss es Eis geben.

Von Kilometer 35 sind es noch sieben bis zum Ziel. Sehe ich Sie eines Tages an der Ziellinie eines Ironman – schwitzend, jubelnd, vielleicht kriechend, wie es das Regelwerk erlaubt?

Ich habe selbst vier Ironman-Rennen und 20 oder 30 Ironman-70.3-Rennen gefinisht. Ich hatte immer das Ziel, auf Hawaii zu starten, und habe immer gesagt, dass ich es erst dann tun werde, wenn ich die Zeit dafür habe. Wenn ich mich voll darauf konzentrieren und mich so vorbereiten kann, um diesem Rennen den Respekt zu zollen, den es verdient. Bisher hatte ich nie auch nur annähernd genug Zeit, um mich so gut vorzubereiten, wie man es für dieses Rennen braucht. Vielleicht kommt das jetzt. 

Ihr Plan ist also, sich zur Ruhe zu setzen und nicht irgendwo einen anderen Job zu suchen?

Ich weiß es nicht. Eines weiß ich aber, tief in meinem Herzen: Ich werde nie wieder einen Job haben, den ich so sehr liebe wie diesen und der besser zu dem passt, was ich bin. Und deshalb, wissen Sie, brauche ich eine Zeit lang nichts zu tun, und ich werde auch eine Zeit lang nichts tun. Ich werde dieser Firma so lange helfen, wie ich kann. Und danach: Wer weiß?

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11 Kommentare

  1. Respekt für dieses offene und ehrliche Interview! Ich denke, dass er damit gute Einblicke liefert und auch viele Fragen der Athleten beantwortet. Es zeigt aber auch, wie schwierig dieser Job ist. Offensichtlich ist zumindest ihm persönlich bewusst, was bei Ironman falsch läuft und was viele Athleten bemängeln.

  2. Ich hoffe für alle Starterinnen, dass Ironman die Versorgung auf Hawaii dieses Jahr besser hinbekommt. Die Zustände letztes Jahr beim Herrenrennen waren Fahrlässig. Auf dem Rückweg aus dem Energy-Lab hatten drei Aid Stations kein Eis mehr, ob es später bessser oder noch schlechter wurde, weiß ich nicht. Die Helfer haben dabei alles gegeben, die will ich hier gar nicht kritiseren.
    Unter den Bedigungen würde ich allen Agegroupdamen aus dem hinteren Feld, die jetzt auf die Insel gelockt werden, vom Start abraten.

  3. Um den Athleten wieder „großartige Erlebnisse“ zu liefern, muss aber auch endlich mal von diesem rigiden Sparkurs abgewichen werden. Früher gab es z.B. in Frankfurt Kältebecken nach dem Rennen, die Triathlon-Messe war viel größer, es gab Startnummern-Tattoos, richtig gute Merch-Artikel, Pastaparty, Helferfest, … ganz zu schweigen vom Startbeutel, kein Vergleich zu Roth. Wenn der Athlet merkt dass er hier zu kurz kommt und an ihm/ihr gespart wird, wird Ironman immer irrelevanter werden.

  4. Das Interview hat mich aufgeklärt und auch gezeigt, dass es auch für einen CEO mit Herz schwer ist, alles richtig zu machen auch in Pandemiezeiten …, Die Weltformel gibts dazu leider nicht und man kann auch darüber streiten, ob es bei km 35 noch Eiswürfel gibt oder nicht, es tut auch reines kühles Wasser, das man sich bei km 35 über den Kopf schüttet ….

    Bei all dem Wachstum, das ja auch beim Ironman existiert (in 1978 waren es grad mal 12 Teilnehmer, jetzt hat sichs schon verfünfhundertfacht) sollte man die einzigwahren Werte (hier der Hawaii Mythos) nicht vergessen bzw. was jetzt gerade passiert verramschen, verwässern, inflationieren …

    Leider passiert ja das in den heutigen Zeiten in anderen Bereichen immer mehr, dass die wahren Werte marode werden oder ganz schon verschwinden ….

    Die Lösung kann sicher sein: Die Dosis ist das Gift, d.h. irgendwann muss man Grenzen setzen für die möglichen Hawaii Teilnehmer.(1 Rennen im Jahr für die WM in Hawaii mit Männern, Frauen und von mir aus auch *****). Also Begrenzen, nicht grenzenloses Wachstum, vor allem was den Profit angeht, und lieber den Mythos, das Juwel, die Seele des Ironmans, am Leben lassen.

    Der Mythos ist echt, was nun passiert, dieser wird marode und ganz zerstört. Der Nachfolger (hoffentlich ist es dann der Richtige) sollte so gebrieft werden, dass er zukünftig für die Aufrechterhaltung des Mythos weiter lebt und arbeitet, egal wieviel Profit da rausspringt.

    Also für den Nachfolger: Grenzenloses Wachstum mit den damit verbundenen Zerstörungen des Mythos darf es zukünftig nicht mehr geben. !!!

  5. Wachstum auf Hawaii ist ja ganz offensichtlich auch gar nicht möglich. Von daher wird es bei dem einen Rennen bleiben. Hoffentlich dann wieder Männer und Frauen zusammen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das auch so kommen wird. Ganz blöd sind die auch nicht, bleibt die Frage, ob sie schon 2025 zum alten Modus zurück können oder aufgrund von Verträgen (mit Nizza) erst 2027. Oder man geht für 2 Tage nach Honolulu, falls das möglich ist. Aber will man das?

      • Das hätte aus unserer Sportlersicht sicher seinen Reiz! Vor 20 Jahren sind diese Überlegungen tatsächlich einmal aufgekommen. Wir haben das schon im vergangegen Jahr intensiv diskutiert, aber ich halte das für ausgeschlossen: Wenn man sich die Verkehrsinfrastruktur von Oahu anschaut, dann stellt man schnell fest, dass für eine Ironman-Weltmeisterschaft eine ganze pulsierende Insel für einen Tag (oder zwei?) lahmgelegt werden müsste. Das erzähl‘ mal dem Amerikaner, der außerhalb von Honolulu auf seinen Pickup angewiesen ist und auf diesem „Recht“ bestehen wird. Die Kona- und Kohala-Küste ist mit dem üppigen Queen Kaahumanu Highway schon ein sehr privilegierter Austragungsort.

  6. Ein längst überfälliger Schritt. Warum? Er sagt es selbst: „ Ich denke, dass wir manchmal selbstgefälliger waren, als wir hätten sein sollen, wenn es darum ging, ob wir alles tun, um unseren Athleten attraktive Rennerlebnisse zu bieten.“ Athleten haben sich bei IM in letzter Zeit zusehends immer mehr als dumme Melkkuh gefühlt statt als wertgeschätzte Kunden.

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Frank Wechsel
Frank Wechsel
Frank Wechsel ist Herausgeber der Zeitschriften SWIM und triathlon. Schon während seines Medizinstudiums gründete er im Oktober 2000 zusammen mit Silke Insel den spomedis-Verlag. Frank Wechsel ist zehnfacher Langdistanz-Finisher im Triathlon – 1996 absolvierte er erfolgreich den Ironman auf Hawaii.

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