Donnerstag, 10. Oktober 2024

Erhöhte Aktivität: Was bedeutet ein Ausbruch des Mauna Loa für den Ironman Hawaii?

peopleimages | Dreamstime.com

Die Experten sind sich sicher: Er wird wieder ausbrechen. 38 Jahre lang hat der Mauna Loa auf Hawaii geschlafen, doch die jüngsten Messungen deuten darauf hin, dass die vermeintliche Ruhe ein Ende hat. Was bedeutet das für den Ironman Hawaii?

Radfahren im Schatten der Vulkane

Der Queen Kaahumanu Highway (oder kurz Queen K) ist das spektakuläre Setting des Ironman Hawaii. Er ist elementarer Bestandteil der Rad- und Laufstrecke des Rennens, das seit 1982 (fast) jährlich auf Big Island stattfindet. Das legendäre Rennen startet frühmorgens im Schatten des Hualalai, führt dann in den Norden der Insel.

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Wer den Kopf aus der Aeroposition nimmt, erkennt links vorn die Insel Maui mit dem Haleakala, dem „Haus der Sonne“, der zuletzt irgendwann zwischen 1480 und 1600 ausgebrochen ist. Zur Rechten glitzern die Observatorien des Mauna Kea („weißer Berg“), der mit 4.207 Metern Höhe höchsten Erhebung des Hawaii-Archipels. Sein letzter Ausbruch kann nur geschätzt werden – Geologen vermuten, dass es zwischen 4.000 und 6.000 Jahre her ist, dass der Berg, dem von den Einheimischen eine spirituelle Bedeutung zugeschrieben wird, zuletzt Feuer spuckte.

Ein schlafender Riese

Erst wenn es auf dem Rückweg von Hawi noch klar am Himmel ist, sieht man zwischen Mauna Kea und Hualalai in der Ferne die schildförmige Erhebung des Mauna Loa („langer Berg“). Ein schlafender Riese. Mit 4.170 Metern ist der zwar geringfügig weniger hoch als sein Nachbar Mauna Kea, doch gilt er als das größte Bergmassiv der Welt. Seine langen Flanken setzen sich unter den Pazifik fort und fallen dort weitere fünf Kilometer bis zum Meeresboden ab. Der Meeresboden wiederum wird durch die enorme Masse des Mauna Loa um weitere acht Kilometer nach unten gedrückt, damit befindet sich der Gipfel des Vulkans etwa 17 Kilometer über seiner Basis. Der riesige Berg bedeckt die Hälfte der Insel Big Island und nimmt etwa 85 Prozent der Fläche aller anderen hawaiianischen Inseln zusammen ein. Und diese Masse ist erkaltete Lava, die sich über Millionen von Jahren aus dem Erdinneren aufgetürmt hat.

33 Ausbrüche in 180 Jahren

So lange reicht die Erinnerung der Menschheit natürlich nicht zurück. Die erste dokumentiere Eruption stammt aus dem Jahr 1843, seitdem wurden 33 Ausbrüche beschrieben. Seit 1868 erreichten die Lavaströme achtmal das Meer, wie es zuletzt auch am Kilauea, dem südlichen Nachbarn des Mauna Loa, zu beobachten war. Der letzte Ausbruch datiert aus dem Jahr 1984, als der Mauna Loa vom 24. März bis zum 15. April aktiv war und die Lavaströme sich im Nordosten des Gipfels der Inselhauptstadt Hilo näherten (der Ironman war inzwischen in den Oktober umgezogen). Sieben Kilometer vor der damaligen Stadtgrenze versiegte der Strom aus flüssigem Basalt.

Nächster Ausbruch statistisch überfällig

Es ist die längste Ruhezeit in der von Menschen dokumentierten Geschichte von Big Island, doch die scheint sich einem Ende zuzuneigen. Wie jedes Jahr wollten auch im Oktober 2022 einige Triathleten nach dem Ironman den Gipfel des Riesen in einem zweitägigen Marsch bezwingen. Doch die Verwaltung des Volcano National Parks, in dem man aktuell die Lavafontänen in der Caldera des Kilauea aus einer Entfernung von etwa 800 Metern beobachten kann, hat die Ausstellung der notwendigen Permits ausgesetzt. Es sei zu gefährlich, momentan auf den Gipfel zu wandern, heißt es.

„Sehr hohes“ Bedrohungspotenzial

Die U.S. Geological Survey (USGS), eine dem Innenministerium unterstellte Regierungsbehörde zur Beobachtung der Vulkane Nordamerikas, stuft das Bedrohungspotenzial des Mauna Loa aktuell als „sehr hoch“ ein. Zwar heißt es im täglich aktualisierten Lagereport weiterhin gleich zu Beginn: „Der Mauna Loa bricht nicht aus und es gibt derzeit keine Anzeichen für eine bevorstehende Eruption”, doch klingen die nächsten Sätze weitaus besorgniserregender: „Der Mauna Loa befindet sich weiterhin in einem Zustand erhöhter Unruhe, wie die erhöhte Erdbebentätigkeit und die Aufblähung des Gipfels zeigen. Die derzeitigen Unruhen werden höchstwahrscheinlich durch den erneuten Zufluss von Magma etwa drei bis acht Kilometer unter dem Gipfel des Mauna Loa ausgelöst.”

Allein am gestrigen Samstag haben die Wissenschaftler des Hawaii Volcanoes Observatory (HVO) wieder 50 Erdbeben (und damit ungefähr viermal so viele wie üblich) am Mauna Loa gemessen, die ihren Ursprung entweder in zwei bis fünf Kilometern Tiefe unter dem Mokuaweoweo genannten Gipfelkrater hatten oder aus sechs bis acht Kilometern Tiefe unter der Nordwestflanke stammten. GPS-Sensoren an allen Seiten des Vulkans registrieren seit Mitte September eine Abstandsvergrößerung, die durch eine Aufblähung des Bergs entsteht. Sogenannte Tiltmeter zeigen Neigungsänderungen der Flanken an, die ebenfalls dokumentieren, dass sich die unterirdischen Lavareservoire füllen. Noch ist das ganze Geschehen unterirdisch: Weder Webcams noch Temperatursensoren oder die Messgeräte für die üblichen vulkanischen Gase wie Schwefeldioxid (SO2), Schwefelwasserstoff (H2S) und Kohlendioxid (CO₂) haben bisher angeschlagen.

„Haltet euch bereit!”

Alarmiert ist man rund um den Berg trotzdem. Nach zahlreichen Bürgerversammlungen rund um den Einfall der Triathleten aus aller Welt wurden zuletzt solche zum möglichen Ausbruch des Mauna Loa abgehalten, vor allem im Südwesten in der Region Ocean View. Die Message war eindeutig: „Haltet euch bereit!” Die Anwohner des Mauna Loa wurden angehalten, für den Fall der Fälle ausreichend Vorräte einzulagern, eine Notfalltasche für eine schnelle Evakuierung zu packen und Telefonketten einzurichten, um sich schnellstmöglich über einen Ausbruch informieren zu können. Die Berichterstattung in den Medien nimmt zu, selbst der deutsche Boulevard schürte vor wenigen Tagen die „Angst im Paradies”.

„Tage bis Wochen“ zum Queen K

Der Grund für diese behördlich eingeleitete Sensibilisierung der Bevölkerung im Südwesten von Big Island liegt darin, dass die Bewohner hier die geringste Vorwarnzeit bei einem Ausbruch an ihrer Flanke des Vulkans hätten. Der Mauna Loa fällt an dieser Seite steil zum Pazifik ab, man rechnet damit, dass die Lava im Süden der Kona-Küste im Extremfall innerhalb von drei Stunden das Meer erreichen und Ortschaften verschlucken oder zumindest verkehrstechnisch vom Rest der Insel abschneiden könnte.

Hilo im Nordosten, das 1984 knapp der Katastrophe entkam, hätte mehr Vorlauf, um sich auf die Ströme vorzubereiten. In „Wochen bis Monaten” beziffern die HVO-Experten die Zeit, die das glühende Gestein von einem gipfelnahen Ausbruch bis zur Stadtgrenze bräuchte. Das dritte Szenario, ein Ausbruch an der seismisch zurzeit überdurchschnittlich aktiven Nordwestflanke, benötigte dagegen „Tage bis Wochen” bis zu den bevölkerten Regionen – und damit zum Queen Kaahumanu Highway. Die Inselautobahn wurde auch auf Lavafeldern des Mauna Loa gebaut. Die jüngsten Abschnitte datieren auf das Jahr 1859 – ein Wimpernschlag in erdgeschichtlichen Dimensionen.

United States Geological Survey Mögliche Ausbruchsszenarien des Mauna Loa auf Big Island (Hawaii)

Die Bevölkerung von Kailua-Kona kann allen Szenarien zunächst gelassen gegenüberstehen: Sollte der Mauna Loa irgendwo im Westen ausbrechen, wäre die Stadt nicht direkt von fließender Lava bedroht. Zwischen dem Riesen und der City befindet sich ja schließlich der Hualalai, um den die Lava herumfließen müsste. Zwar geht das HVO auch von einer hohen Wahrscheinlichkeit eines erneuten Ausbruchs des Hausbergs von Kailua aus (dem ersten nach dem Jahr 1801), doch gibt es derzeit keinerlei Anzeichen, dass das in den nächsten Jahren geschehen könnte. Dennoch dürften Folgen eines Ausbruchs des Mauna Loa auch deutlich in Kailua-Kona spürbar sein. In den aktivsten Zeiten der Eruption des Kilauea zogen oft die Vog („vulkanischer Smog”) genannten Abgaswolken an die Kona-Küste, die zu Atemproblemen der Bevölkerung führten und die Sicht, teilweise sogar den Flugverkehr, einschränkten. Sollte es zu größeren Evakuierungsmaßnahmen in einem anderen Teil der Insel kommen, würde auch die Community von Kailua die Unterbringungen schultern müssen – wir alle wissen noch, zu welchen Wohnraumengpässen es rund um den Ironman Hawaii am 6. und 8. Oktober 2022 gekommen ist. Würde ein Ausbruch tatsächlich zu Lavaströmen im Nordwesten des Gipfels führen, wäre die Radstrecke des Ironman Hawaii unmittelbar gefährdet. Aber auch ein Ausbruch an einer anderen Flanke, der auf seinem Weg zum Meer den Highway erreicht oder zu erreichen droht, würde die Bevölkerung von Big Island vor enorme logistische Herausforderungen stellen.

Ist der Ironman Hawaii nach Corona erneut gefährdet?

Diese Szenarien hätten sicher auch Auswirkungen auf eine Durchführbarkeit des Ironman Hawaii. Nach der Coronakrise und den Unwägbarkeiten des Zweitages-Events im Oktober 2022 eine erneute Herausforderung für die Organisatoren, die Teilnehmer und nicht zuletzt die lokale Community. Bleiben wir beim Wortlaut des heutigen Updates des HVO: „Der Mauna Loa bricht nicht aus und es gibt derzeit keine Anzeichen für eine bevorstehende Eruption.” Bleiben wir bei der Geschichte der Eruptionen des „langen Bergs”, die sich oft auf den Gipfelkrater Mokuaweoweo beschränkt haben – oder der zahlreicher Erdbebenschwärme, die gekommen und gegangen sind. Bleiben wir optimistisch, wie Triathleten es ohnehin sein müssen, um überhaupt an die Qualifikation zur und die Bewältigung der 226 Kilometer langen Extremherausforderung denken zu können.

Doch bleiben wir auch wachsam. Die jüngste Geschichte, auch des Sports, hat gezeigt, dass wir nichts als selbstverständlich sehen dürfen.

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9 Kommentare

    • Ja und nein. Wenn wie 2018 Siedlungen und Häuser oder sogar Menschen zu Schaden kommen, wird der Sport natürlich sehr klein. Aber wenn „nur“ eine Straße unpassierbar und ein Rennen damit nicht durchführbar wird, ist der materielle Schaden durch das Ausbleiben der Reisenden natürlich auch für die Einheimischen immens. 2018 gab es wenige Touristen, die wegen des Ausbruchs des Kilauea nach Hawaii gereist sind, aber viel mehr, die sich deswegen ein anderes Ziel gesucht haben.

  1. @Kathrin: Echt jetzt? Man kündigt ein Abo wegen eines interessanten Artikels über die Insel, der mal etwas abseits der üblichen Hawaii-Schlagzeilen informiert und hier natürlich zumindest in den Kontext Triathlon eingebettet ist?
    Vielleicht sollte man sich lieber mal selbstkritisch fragen, ob man wirklich zu einer WM fährt, für die man sich sportlich gar nicht qualifiziert hat…

  2. Ich habe das Abo gekündigt, da ich mich als ältere und nicht schnelle Triathletin nicht mehr wohl fühle in dieser Community! Ich habe 2019 den IRONMAN Hawaii gefinisht nach insgesamt 3 Krebsdiagnosen und habe das als Zeichen für eine optimistische und metastasenfreie Zukunft gedeutet! Ich glaube, dass gerade im hinteren und
    @Holly nicht verdienten Teilnehmerfeld. viele interessante Lebensläufe sind, die abseits der durchtrainierten Spitzentriathleten eine Geschichte zu erzählen haben !

  3. @Kathrin: Ich bin auch ein älterer Triathlet (erster Tri: 1987) und auch nicht mehr so schnell wie früher. Dennoch fühle ich mich hier wohl. Gerade beim Autor des Artikels (Frank) begeistert mich seine ehrliche und über viele Jahre beständige Leidenschaft für Triathlon, die man in all seinen Aktionen, Beiträgen, Interviews miterleben und mitfühlen kann. Dabei finde ich gerade nicht, dass es hier nur um ‚durchtrainierte Spitzentriathleten‘ geht, sondern dass speziell in den letzten Jahren die Bandbreite der Themen, die hier angesprochen werden, deutlich gewachsen ist und auch den AK-Bereich mit einschließt.
    Aber schon in den 90ern zu „Triathlet“-Zeiten war es so, dass es natürlich schon motivierend fürs eigene Training war, die Heldinnen und Helden der Szene dann auch mal auf einem Hochglanzfoto auf ihrem Nobelhobel samt Scheibenrad in Aeroposition über die Titelseite fliegen zu sehen.
    Abgesehen von all dem, wünsche ich Dir gesundheitlich alles Gute und ein Fernbleiben jeglicher kritischer Befunde.

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Frank Wechsel
Frank Wechsel
Frank Wechsel ist Herausgeber der Zeitschriften SWIM und triathlon. Schon während seines Medizinstudiums gründete er im Oktober 2000 zusammen mit Silke Insel den spomedis-Verlag. Frank Wechsel ist zehnfacher Langdistanz-Finisher im Triathlon – 1996 absolvierte er erfolgreich den Ironman auf Hawaii.

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