Sonntag, 22. Dezember 2024

Vom Agegrouper zum Profi: Timo Schaffeld über die neue Konkurrenz, Perspektiven und das erste Profirennen

Bei der Durchsicht diverser Ergebnislisten ist man am Namen Timo Schaffeld in den vergangenen Jahren kaum vorbeigekommen. 2018 wurde der heute 26-Jährige Ironman-Weltmeister auf Hawaii in der jüngsten Altersklasse, zuletzt folgten Gesamtsiege bei den Ironman-70.3-Rennen in Duisburg und im Kraichgau sowie bei der Langdistanz des Ostseeman. Für diese Saison hat Schaffeld zum ersten Mal eine Profilizenz gelöst und beim Ironman 70.3 Lanzarote sein Debüt gegeben. Auf tri-mag.de spricht er darüber, wie die Entscheidung gereift ist, was seine Ziele sind und wie sich die Gefühlslage in der Wettkampfvorbereitung verändert hat. 

Timo, seit wann hast du über den Schritt zum Profitum nachgedacht und wieso war jetzt der richtige Zeitpunkt, um die Lizenz zu lösen?

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Das erste Mal darüber nachgedacht habe ich tatsächlich schon 2019. Ich wollte 2020 mein letztes Agegroup-Jahr machen, Hawaii noch mal mitnehmen und dann ins Profilager wechseln. Sobald ich einmal meine Altersklasse gewonnen habe, und schließlich die Agegroup-Wertung overall, dachte ich, sei der richtige Zeitpunkt gekommen. Als ich dann die Erstaustragung des Ironman 70.3 Duisburg gewonnen habe, habe ich überlegt, was die nächste große Herausforderung sein könnte: Sich mit den Profis zu messen. Als ich dann im vergangenen Jahr auch noch im Kraichgau gewonnen habe, war für mich klar, dass es spätestens im Folgejahr die Profilizenz werden würde. Ich hätte sie gern bereits 2022 gezogen, war aber schon für vier oder fünf Ironman-Rennen, inklusive beider Weltmeisterschaften, angemeldet. Die Startplätze ließen sich nicht umwandeln oder rückerstatten und wären verfallen, ich hätte die Profilizenz nur zusätzlich lösen können. Also habe ich die Weltmeisterschaften noch mitgenommen und mit einer größeren Reise durch die USA verbunden.

Wie viel Zeit gibst du dir, um im Profizirkus anzukommen?

Ich will jetzt auf jeden Fall zwei bis drei Jahre mal als Profi starten und Erfahrungen sammeln. Danach muss man das Ganze neu bewerten, wie sinnvoll das ist, welche Platzierungen man eingefahren und hier da ein bisschen Preisgeld abgegriffen hat. Dann werde ich sehen, ob es der richtige Schritt war. Für mich ist das Wichtigste, dass ich den Spaß am Sport nicht verliere. Ich habe 2013 angefangen, bin jetzt also zehn Jahre dabei, und habe das Ganze immer als ambitioniertes Hobby gesehen – das will ich eigentlich weiterhin so machen. Ich würde jetzt nicht sagen, dass Triathlonprofi mein Beruf ist, dafür verdient man damit zu wenig Geld. Den größten Teil machen natürlich Sponsoren aus, da bin ich regional sehr privilegiert. Ohne sie wäre das nicht möglich.

Welche Rolle spielt denn das Finanzielle?

Ohne Sponsoren wäre das Ganze nicht möglich. Preisgeld ist nice to have, reich wird man davon nicht, wenn man kein großes Rennen gewinnt. Bei einer Wettkampfreise geht man dann vielleicht ungefähr bei null raus. Beruflich bin ich bei der Bundeswehr in einer Sportförderung. Ich bin nicht wie Spitzensportler komplett freigestellt und arbeite, werde aber für Sportmaßnahmen wie Trainingslager befreit. Diese werden teilweise von der Bundeswehr organisiert und bezahlt.

Als Agegrouper hast du bisher immer zu den Favoriten gezählt, das dürfte nun etwas anders sein. Inwiefern macht dir das Angst?

Angst macht mir das überhaupt nicht. Ich bin jetzt genauso wenig nervös wie vor jedem anderen Rennen. Ich kann mich da, glaube ich, ganz gut selbst einschätzen und weiß, dass ich nicht Erster, Zweiter oder Dritter werde, und vielleicht auch nicht unter die ersten Sechs komme und Preisgeld mitnehme. Ich habe aber auch schon den einen oder anderen Wettkampf gemacht, etwa Kraichgau oder Lanzarote vor zwei Jahren, bei dem ich an die Top Ten der Profis anknüpfen konnte. Das ist auch das, wo ich mich dieses Jahr sehe: Hier und da ein Top-Ten-Ergebnis mitnehmen, viel zu lernen und die Renndynamik mal wieder vernünftig ausnutzen zu können. Beim Rolling Start der Agegrouper macht man doch viel sein eigenes Ding. Jetzt gibt es nach dem Massenstart hoffentlich Radgruppen, die fair fahren und ein paar mehr Kampfrichter.

Wie sieht deine taktische Herangehensweise an Rennen nun aus?

Das Beste kommt zum Schluss: Seine Laufstärke konnte Timo Schaffeld auch beim ersten Profirennen unter Beweis stellen.

Ich habe trotzdem meine Werte von der Leistungsdiagnostik. Das Ganze ist jetzt natürlich etwas professionalisiert, ich kann durch die Unterstützung der Sportmedizin mehr Diagnostiken machen und habe mehr Leistungsdaten über mich. Deshalb habe ich eine Strategie im Hinterkopf, die ich auspacken kann, wenn es nicht so läuft und ich keine Gruppe habe. Ansonsten ist meine schwächste Disziplin das Schwimmen und das Ziel, Füße zu suchen und dranzubleiben. Auf dem Rad sollte ich mitfahren oder am Berg auch mal über meine Werte gehen können. Das Laufen ist meine Paradedisziplin, da kann ich auch mit den Profis vorn mitlaufen. Es ist entscheidend, wie das Schwimmen ausgeht, hinten raus werde ich nur noch stärker.

Welches Gefühl überwiegt vor dem Start?

Es ist kein anderes als vorher, ich freue mich auf das Rennen. So früh bin ich allerdings noch nie in die Triathlonsaison gestartet. Ich gehe da ganz entspannt ran und will Erfahrungen sammeln, denn meine Stärken liegen definitiv eher auf der Langdistanz. Ich will dieses Jahr noch mal in Hamburg starten, das könnte ja das Abschiedsrennen von Jan Frodeno in Deutschland sein. Das finde ich schön, mit ihm im gleichen Startblock zu stehen, da wird die Nervosität sicher größer sein.

Wie wird sich dein Alltag als Profi verändern?

Ich glaube, dass sich da gar nicht so viel verändert. Die medizinische Unterstützung habe ich ja schon angesprochen, das wird sich ändern. Und im Training bin ich etwas professioneller aufgestellt. Ich hatte vorher natürlich schon einen Coach, der Trainingspläne geschrieben und sich das wöchentlich angeguckt hat. Jetzt stehen wir deutlich mehr in Kontakt, werten die einzelnen Einheiten aus und besprechen jede Key Session, wie die gelaufen ist. Ich mache mehr Leistungsdiagnostiken und sportmedizinische Untersuchungen sind für Profis sowieso verpflichtend.

Welche Charaktereigenschaft wird dir im Profidasein am meisten helfen?

Meine Willensstärke, beim Laufen noch mal über meine Grenzen gehen zu können. Dass ich, auch wenn ich keine Schwimm- und Radgruppe erwischt habe und zweieinhalb Stunden beim Rennen alleine war, den Willen habe, nachher um jeden Platz zu kämpfen und jede Sekunde rauszuholen.

Gibt es jemanden, innerhalb oder außerhalb vom Triathlon, von dem du dir eine Scheibe abschneiden willst? Wenn ja, warum?

Da werden Triathleten jetzt Jan oder Patrick sagen. Ich bin eher Fan von Jan, da würde ich mir gern von seinem Schwimmen eine Scheibe abschneiden. Vom Laufen würde ich mir gar nichts abschneiden wollen, da bin ich ganz zufrieden mit mir. 

Das Fazit nach dem Ironman 70.3 Lanzarote

Das Debüt als Profi ist Geschichte. Beim Ironman 70.3 Lanzarote landete Timo Schaffeld auf dem 21. Platz und lief in 1:15:09 Stunden den schnellsten Halbmarathon des Tages. „Der Lauf war mein Frustabbau vom Bikesplit“, sagt er nach dem Rennen.

Jetzt zieht er Bilanz:

Nachdem ich mich anfänglich zu passiv verhalten und mich beim Schwimmstart aus dem Gröbsten rausgehalten habe, konnte ich mich nach den ersten 200 Metern an vermeintlich gute Füße hängen und habe dann zu spät gemerkt, dass der Zug der ersten und zweiten Gruppe leider woanders abging. Als ich an der Wendeboje dann gemerkt habe, dass die Lücke zur nächsten Gruppe schon gerissen war, habe ich versucht auf dem Rückweg möglichst wenig Zeit zu verlieren und die Füße des Vordermanns hinter mir gelassen. Beim Wasserausstieg habe ich dann bereits gesehen, dass die Gruppe vor mir gerade aus dem Neo war und sich auf den Weg zu den Rädern gemacht hat. Dank eines schnellen ersten Wechsels konnte ich den Anschluss an Andi Dreitz halten und bin zusammen mit ihm aufs Rad.

Am ersten Anstieg bin ich dann erst mal deutlich über meinen Werten gefahren, um irgendwie Land zu sehen. In der folgenden Abfahrt ist die Gruppe dann aber leider weggerollt und ich habe von Kilometer zehn bis 60 ein sehr hartes und einsames Radfahren gehabt. Der Wind hat mir dann den Rest gegeben und mich mental ziemlich gebrochen – besonders als ich an den Wendepunkten die vor mir fahrende Gruppe immer wieder habe wegziehen sehen. Kurz vor dem letzten Wendepunkt kam dann eine drei Mann starke Gruppe aufgefahren, mit der ich das angenehmste Stück der Strecke, bergab und mit Rückenwind zurückgelegt habe. In Playa Blanca angekommen, bin ich dann noch mal einen kleinen Vorsprung rausgefahren und konnte drei weitere Plätze gut machen. Nach dem Radabstieg konnte es dann nur noch besser werden und ich habe schon auf dem Weg zu den Wechselbeuteln gemerkt, dass ich gute Beine habe. Noch mal schnell wechseln und ab auf die Laufstrecke.

Zu dem Zeitpunkt war das Ziel klar: Aufrecht bleiben, Brust raus, die Beine einfach fliegen lassen und Platz für Platz gut machen. Glücklicherweise ist die Laufform so gut gewesen, dass ich mir den einen oder anderen Läufer zurechtlegen konnte und es erst gar keiner versucht hat dran zu bleiben. Leider ging mir am Ende die Strecke aus, sodass es nicht ganz für einen Top-20-Platz im ersten Profirennen gereicht hat, aber die schnellste Laufzeit des Tages hat mir dann doch einen versöhnlichen Abschluss beschert. Ich habe ja gesagt: Am Ende ist es meine Willensstärke, die mich nach vorn bringt.

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Anna Bruder
Anna Bruder
Anna Bruder wurde bei triathlon zur Redakteurin ausgebildet. Die Frankfurterin zog nach dem Studium der Sportwissenschaft für das Volontariat nach Hamburg und fühlt sich dort sehr wohl. Nach vielen Jahren im Laufsport ist sie seit 2019 im Triathlon angekommen und hat 2023 beim Ironman Frankfurt ihre erste Langdistanz absolviert. Es war definitiv nicht die letzte.

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