Dienstag, 19. März 2024
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Radfahren in der Gruppe

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Moritz Sonntag / ueberall.eu

Brett Sutton ist ohne Zweifel ein erfolgreicher Triathlontrainer. Unter seiner Anleitungen gelangten Athleten wie Daniela Ryf und Nicola Spirig in die Weltspitze ihrer jeweiligen Distanzen und zeigten mit ihren zahlreichen Siegen über Jahre, dass man mit den Methoden ihres Coachs Erfolg haben kann. Und Brett Sutton ist außerdem jemand, der seine oft eigenwilligen Ansichten gern in den sozialen Medien kundtut. So wie einst, als es um das Thema Training in der Gruppe ging.

Seine Meinung: Athleten sollten lernen, sich auf ihr Körpergefühl zu verlassen. Deswegen seien nicht nur Powermeter komplett unnötig (ja sogar schädlich für die Ausbildung der Wahrnehmung), sondern auch das Training in der Gruppe mit Athleten anderer Leistungsklassen und präferierter Distanzen. Aus seiner Sicht leidet das Körpergefühl, wenn man sich im Gruppentraining eigentlich über seinem Leistungsvermögen durch die Einheiten beißt, weil man auf keinen Fall im Vergleich mit den anderen schlechter dastehen will. Der Spruch „No pain, no gain“ sei besonders auf der Langdistanz kompletter Blödsinn, da sich hier die Pace nach dem ausrichten müsse, was der Körper zu diesem Zeitpunkt könne. Nicht nach dem, was der Trainingskumpel drauf habe.

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So verwundert es nicht, dass Sutton auch zu Trainingslagern, wie sie zig Triathleten im Frühjahr gern abhalten, um Radkilometer in die Beine zu bekommen, eine klare Bewertung abgibt: nichts weiter als Marketing. Er verweist auf die Verletzungsgefahr, die sich in solchen Camps aufgrund der viel zu stark gesteigerten Umfänge dramatisch vergrößere. Und das nur, weil man versuche besser zu sein, als der Typ neben einem, von dessen Leistungsfähigkeit man keinen Schimmer habe.

Was soll man sagen? Der Mann hat recht! Allerdings nur, wenn man in Sachen Gruppentraining alles genau so macht, wie man es tunlichst vermeiden sollte. Im Folgenden soll es deshalb darum gehen, auf was es ankommt, damit man in der Gruppe nicht nur Spaß haben, sondern auch effizient auf dem Rad trainieren kann.

Wattmessung vs. Körpergefühl

Die Frage, ob man besser nach Watt oder Körpergefühl trainieren sollte, lässt sich nicht mit einer Entscheidung für eine dieser Varianten beantworten. Es ist die Kombination aus beidem, die am erfolgsversprechendsten ist. Powermeter, die Sutton so verteufelt, verhindern bei richtigem Umgang mit den Daten, die sie erzeugen, sogar eher die Überlastung. Wenn man seinem Körpergefühl noch nicht trauen kann oder im Training ungewollt jedes Mal zum Wettkämpfer wird, wenn jemand neben einem fährt, dann schaffen es vielleicht die Zahlen im Display einen zu zügeln oder auch anzutreiben, sollte man zu zurückhaltend sein.

Zu welchem Typ man auch gehört: Wenn man mit anderen Athleten Rad fahren will, ist es extrem wichtig, sich über die Ziele für die Ausfahrt auszutauschen und ehrlich zueinander zu sein, wenn diese so weit auseinanderliegen, dass sie an diesem Tag nicht kompatibel sind. Denn das kann bei allen Bemühungen für eine gemeinsame Marschroute durchaus passieren. Profis können mehrstündige Ausfahrten mit 170 bis 190 Watt „Normalized Power“ als Grundlageneinheit notieren, während diese Range für viele Agegrouper schon den Schwellenbereich bedeutet. In einem solchen Fall sollte man sich jeweils lieber andere Gefährten suchen.

Hat man diese gefunden, ist es natürlich am einfachsten, wenn Grundlage trainiert werden soll, was ja zum Beispiel in Trainingslagern meist der Fall ist. Hier kommt es darauf an, in einem Bereich unterhalb der aeroben Schwelle zu fahren und das bekommt man mit guten Absprachen auch dann hin, wenn sich die Bereiche der einzelnen Gruppenmitglieder nicht komplett gleichen. Zwar gefährdet auch das Fahren unter dem Grundlagenbereich das Trainingsziel, doch dagegen gibt es ein einfaches Mittel: Wenn du mit Abstand der Stärkste in der Gruppe bist, dann ab nach vorn an die Spitze und die Nase in den Wind. Denn du solltest dich nicht täuschen lassen, wie viel leere Tretzeit allein durch Abfahrten entstehen kann, wenn ihr nicht gerade in topfebenem Gelände unterwegs seid.

Werte deine Aufzeichnungen regelmäßig aus und ziehe aus den Daten Schlüsse, ob du in der Zukunft bei Gruppenausfahrten dein Verhalten vielleicht anpassen musst, um in deinem angestrebten Bereich zu bleiben. Als Faustregel für eine mehrstündige Ausfahrt im Trainingslager kannst du dir merken, dass du zehn bis 15 Prozent der Zeit deine Beine ruhig ein bisschen baumeln lassen kannst. Mehr sollte es allerdings nicht sein.

Um deine Leistung schon während der Ausfahrt ohne Zweifel beurteilen zu können, solltest du anhand der Wattzahl auf deinem Computer immer mal wieder abgleichen, ob dein Körpergefühl richtig liegt. Du wirst zwar schon merken, wenn du überziehst, aber ein Powermeter hilft frühzeitig gegenzusteuern und gibt Gewissheit, bevor es zu spät ist. So kannst du bei einer zu kleinen Zahl einfach mehr Zeit im Wind verbringen. Und wenn du dem „verbotenen“ Bereich schon in der Ebene zu nah kommen, müsst du weniger Führungsarbeit übernehmen, dich notfalls (nach Absprache) komplett ins Feld zurückziehen oder im Zweifel die Stärksten fragen, ob es nicht ein wenig langsamer ginge. Wer weiß: Vielleicht sind die Anführer ja sogar dankbar, dass es mal jemand sagt.

Gruppentraining kann also eine gewisse Herausforderung sein, doch es lohnt sich, diese anzugehen. Denn für die Motivation kann es sehr förderlich sein, das „Leid“ zu teilen, und eventuell lernt man auch dazu, wenn man mit erfahreneren Athleten unterwegs ist. Wichtig ist jedoch, wie eingangs erwähnt, dass ihr im Vorfeld Absprachen zu allen relevanten Bereichen trefft. Das mag kleinlich und wenig spontan erscheinen, hilft aber, das angepeilte Trainingsziel zu erreichen. Und dafür seid ihr ja schließlich unterwegs.

Los geht es schon bei der Radwahl. Maschinen mit Aero-Lenker kommen maximal in sehr kleinen Gruppen infrage, und das auch nur, wenn fahrtechnische Könner die Extensions in den Händen haben. Da man in Aero-Haltung nicht schnell genug an die Bremshebel greifen kann und auch abrupte Ausweichmanöver vor Schlaglöchern oder Hindernissen schwierig zu bewerkstelligen sind, braucht man auf dem Triathlonrad eine freie Straße vor sich und nicht das Hinterrad des Vordermanns in 50 Zentimeter Abstand. Deshalb lautet die klare Empfehlung: Gruppenausfahrten nur mit dem Rennrad in Angriff nehmen.

Die nächsten Themen, die geklärt werden müssen, sind die Länge der Ausfahrt, die Intensität (siehe oben) und eventuelle Inhalte und Programme. Dies sollte mit einem Blick auf das Profil der Strecke und vielleicht sogar die Windrichtung geschehen, denn 100 Kilometer mit Rückenwind in offenem Gelände sind nicht gleich 100 Kilometer im Land der tausend Hügel. Gerade hinsichtlich eventueller langer Anstiege solltet ihr vorher festlegen, wie ihr vorgehen wollt: Jeder fährt sein eigenes Tempo und man trifft sich am Gipfel? Der langsamste gibt die Geschwindigkeit vor? Beides möglich, aber jeder in der Gruppe sollte wissen woran er ist, wenn es bergauf geht.

Wenn ihr euch dann noch auf eine verbindliche Abfahrtszeit einigen könnt (zu der ihr auch wirklich losfahren und nicht erst noch pumpen, kalibrieren, pairen, einstellen, organisieren und Zeug verstauen müsst), dann gilt es eigentlich nur noch eine Frage zu beantworten: Gibt es Pausen, und wenn ja, wann und wie lange? Alles geklärt? Dann rauf aufs Rad und schöne Grüße an die Gruppe.

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Nils Flieshardt
Nils Flieshardt
Nils Flieshardt ist Chefredakteur der Zeitschrift triathlon und seit über 15 Jahren als Radexperte im Einsatz. Wenn er nicht am Rechner sitzt, findet man ihn meist hinter der Kamera auf irgendeiner Rennstrecke oder in Laufschuhen an der Elbe. Als Triathlet ist er mehr finish- als leistungsorientiert, aber dafür auf allen Distanzen zu Hause.

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